Am Sonntag meldete der Tagesspiegel: „Die USA wollen Fertigstellung um jeden Preis verhindern“. Gemeint ist Nord Stream 2. Die Gründe für das Störfeuer aus Washington sind geopolitischer und wirtschaftlicher Natur. Wie Amerika in der Vergangenheit Konflikte schürte, lesen Sie in COMPACT-Spezial Krieg. Lügen. USA., das Sie hier bestellen können.

    Seit 2018 der Bau der 1.224 Kilometer langen Pipeline Nord Stream 2 begonnen wurde, die russisches Erdgas von Ust-Luga (zwischen Sankt Petersburg und der estnischen Grenze) zum deutschen Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern transportieren soll, häufen sich die Schwierigkeiten, obwohl seit 2020 bereits 94 Prozent der Rohre auf dem Meeresboden der Ostsee verlegt sind.

    Russland gehört zu den Ländern mit den größten Erdgas-Reserven weltweit, und Deutschland sowie andere europäische Staaten haben den größten Energiehunger. Russland hat 2019 etwa 680 Milliarden Kubikmeter Erdgas gefördert und ist damit der größte Produzent des begehrten Rohstoffs hinter den USA. Für den russischen Staatshaushalt ist der Erdgasexport sehr wichtig, zumal das Land einen weltweiten Marktanteil von 17 Prozent hat.

    Die Interessen der Transitländer

    Seit 2011 gibt es die Pipeline Nord Stream 1, die russisches Erdgas direkt nach Deutschland bringt. Darüber hinaus gibt es kleinere Verbindungen (Soyuz, Brotherhood, Transgas), die über Land führen und Staaten wie Belarus, Polen oder die Ukraine queren. Diese Transitländer erheben Gebühren und haben auch schon den Gasdurchfluss gestoppt – aus politischen Gründen und um die Kosten nach oben zu treiben.

    Der Verlauf von Nord Stream 2. Grafik: MurzillA, Shutterstock.com

    Die Transitstaaten bekämpfen Nord Stream 2 massiv, da ihnen nach Inbetriebnahme Milliarden Euro verloren gehen würden. Die Rohre verlaufen, parallel zu Nord Stream 1, auf direktem Weg durch die Ostsee. Sie liegen auf dem Meeresboden, was technisch kein Problem darstellt, da es sich bei der Ostsee um ein flaches Meer mit einer mittleren Tiefe von 52 Metern handelt. Man bedenke, dass die USA Energiequellen wie Erdöl und Erdgas in einer Meerestiefe von 2.000 Metern angebohrt haben, dann den Deckel nicht mehr draufbekamen und sich trotzdem jede Kritik verbitten.

    Eigentümer und Betreiber von Nord Stream 1 ist die Nord Stream AG, deren Anteile von dem mehrheitlich in Staatsbesitz befindlichen russischen Energieriesen Gazprom (51 Prozent) sowie den Unternehmen Wintershall, EON, Gasunie und Engie gehalten werden. Eigentümer von Nord Stream 2 ist die Nord Stream 2 AG, die vollständig im Besitz von Gazprom ist.

    Dennoch gibt es europäische Investoren, die Geld in das etwa 12 Milliarden Euro teure Projekt gepumpt haben: Engie, ein Energieversorger aus Frankreich, das österreichische Unternehmen OMV, der britisch-niederländische Mineralölkonzern Shell und zwei deutsche Unternehmen: Uniper und Wintershall. Würde das Projekt platzen, wäre ihr Geld weg, sodass auf jeden Fall mit Schadenersatzklagen zu rechnen wäre.

    Die Interessen der USA

    Neben der Ukraine und Polen sind es die USA, die Nord Stream 2 massiv bekämpfen, da sie als alleiniger Anbieter ihr ökologisch bedenkliches Fracking-Gas als Liquid Natural Gas (LNG) nach Deutschland und Europa verkaufen wollen. Darüber waren sich die Ex-Präsidenten Obama und Trump stets einig, und auch Biden vertritt diese Linie. Es geht um viel Geld – um Milliardenbeträge.

    Natürlich ist die Ostsee-Pipeline für Deutschland und Europa wirtschaftlich vorteilhaft, auch wenn Joe Biden genauso wie seine Vorgänger glatt das Gegenteil behauptet („kein guter Deal für Europa“). Hinzu kommt, dass Russland das Geschäft machen würde – und Washington eine Annäherung zwischen Deutschland/Europa und Russland fürchtet wie der Teufel das Weihwasser. Daher hat schon Trump während seiner Amtszeit den an Nord Stream 2 beteiligten Unternehmen mit Sanktionen gedroht und den Weiterbau 2020 zum Erliegen gebracht.

    Das hatte zur Folge, dass Europa genau das gemacht hat, was die USA wollen: nämlich immer mehr wesentlich teureres Fracking-Gas, das unter hohem Druck und Energieverbrauch verflüssigt wurde, um es überhaupt per Tankschiff umweltunfreundlich durch weiteren Energieverbrauch über den Ozean transportieren zu können, aus Amerika zu beziehen.

    US-Präsident Joe Biden: Sein Botschafter rasselt mit dem Säbel. Foto: Geronimo3, Shutterstock.com

    Dafür hat die EU extra auf eigene Kosten 36 neue LNG-Hafenterminals gebaut, unter anderem auch ein Terminal in Deutschland, damit die USA Ruhe geben mögen, damit Nord Stream 2 endlich fertiggestellt werden kann. Doch diese Milchmädchenrechnung ging wie zu erwarten nicht auf, da die Ostseepipeline weiter massiv von den USA bekämpft wird. Gegenüber dem Tagesspiegel erklärte nun der Sprecher der US-Botschaft in Berlin, Joseph Giordono-Scholz, die Regierung Biden sei „entschlossen, alle zur Verfügung stehenden Hebel einzusetzen, um die Fertigstellung von Nord Stream 2 zu verhindern“.

    Deutschland sollte sich jedoch nicht nötigen lassen, LNG aus den USA oder alternativ aus Katar, Algerien oder Nigeria zu beziehen, wenn es eine ökologisch sinnvollere und billigere Möglichkeit der Energielieferung direkt vor der Haustür gibt. Und dies erst recht, da Gazprom bereit wäre, das CO2 gleich durch ein pyrotechnisches Verfahren abzutrennen und als reines Kohlenstoffpulver abzuscheiden, das gelagert oder weiterverarbeitet werden kann. Umweltfreundlicher geht es nicht.

    Merkel spielt auf Zeit

    Vormals stand der Bundestag hinter dem Projekt und versuchte, Washington durch Zusagen für neue LNG-Hafenterminals, deren Bau den deutschen Steuerzahler Milliarden Euro kosten würden, gnädig zu stimmen. Das hat nicht funktioniert, denn die USA wollen alles. In diesem Licht ist auch die Nawalny-Affäre zu sehen, die es immerhin geschafft hat, den Bundestag zu spalten, sodass aktuell nur noch die AfD, die SPD und die Linken den Weiterbau von Nord Stream 2 befürworten. Was an dieser Affäre lanciert war, wird dereinst bei einer Rückschau sichtbar werden.


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    Bundeskanzlerin Angela Merkel sitzt wie üblich die Sache aus, anstatt konsequent deutsche Interessen zu vertreten, und spielt bis zur Bundestagswahl auf Zeit: Sollten sich auf weitere US-amerikanische Drohungen hin die europäischen Investoren zurückziehen, könnte das Projekt von alleine platzen, und sie bräuchte sich die Hände nicht schmutzig zu machen. Gazprom darf die Pipeline nicht auf eigene Rechnung fertig bauen, obwohl inzwischen ein russisches Spezialschiff samt Arbeitermannschaft vor Ort ist und die Rohre verlegungsbereit aufgearbeitet am deutschen Hafen liegen. Neue juristische EU-Blockaden sind bereits in Vorbereitung, um den Weiterbau zu verhindern.

    Die erhöhten Energiepreise für das teurere verflüssigte LNG darf natürlich wieder der deutsche Steuerzahler schultern, obwohl wir schon die höchsten Energiepreise in Europa haben und neue Steuererhöhungen bereits angekündigt sind.

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