Mit dem Namen Kampusch ist einer der aufsehenerregendsten Entführungsfälle aller Zeiten verbunden. Die Akte wurde geschlossen, obwohl zahlreiche Widersprüche offenkundig sind. Soll hier ein Netzwerk vertuscht werden? Es folgen Auszüge aus dem aktuellen COMPACT-Spezial «Geheimakte Kinderschänder – Die Netzwerke des Bösen».

    _ von Guido Grandt

    Am 2. März 1998 wird die damals 10-jährige Natascha Kampusch von dem arbeitslosen Nachrichtentechniker Wolfgang Priklopil in Wien entführt und mehr als acht Jahre lang im Kellerverlies seines Hauses im niederösterreichischen Strasshof gefangen gehalten. Am 23. August 2006 gelingt der inzwischen 18-Jährigen nach 3.096 Tagen Gefangenschaft die Flucht. Als der Entführer ihr Verschwinden bemerkt, wirft er sich in Selbstmordabsicht vor eine S-Bahn und stirbt sofort.

    Das ist die offizielle Geschichte dieses weltweit einzigartigen Entführungsfalls. Doch – sie stimmt so nicht! Denn bis heute werden viele Fakten verdreht, manipuliert und unterschlagen.

    Kein Einzeltäter?

    Täter Wolfgang Priklopil. | Foto: dpa

    Es fängt schon an bei der Einzeltätertheorie. Wolfgang Priklopil handelte nämlich offensichtlich nicht alleine. Immerhin hatte Kampusch in einer ihrer ersten Vernehmungen durch die Polizei auf die Frage nach Mittätern nicht etwa geantwortet, dass es keine gäbe. Nein, sie sagte, sie wisse keine Namen. Außerdem schilderte sie, Priklopil hätte versucht, telefonische Kontakte zu anderen Personen herzustellen. Diese misslangen jedoch, worauf der Entführer anscheinend meinte: «Die kommen nicht, die kommen nicht.»

    Uns liegen schriftliche Vernehmungen und Skizzen der einzigen Augenzeugin der Entführung sowie ein Polizeivideo vom 31. August 2006 vor. Darin wird die Rekonstruktion der Tat vor Ort gezeigt. Aus dem Material geht eindeutig hervor, dass an der Entführung zwei Täter beteiligt waren. Der erste, der draußen stand, zerrte das kleine Mädchen in den weißen Kleinbus mit getönten Scheiben. Der andere saß auf dem Fahrersitz.

    Im August 2006 gab diese Zeugin unter anderem zu Protokoll: «Auch wenn mir gesagt wird, dass Natascha Kampusch aussagt, dass nur eine Person die Entführung gemacht hat, bin ich mir sicher, dass in dem Bus, welchen ich gesehen habe, zwei Personen gesessen sind. Priklopil habe ich eindeutig erkannt, zur zweiten Person habe ich bereits eine Personenbeschreibung abgegeben . Dezidiert schließe ich aus, dass Priklopil alleine in dem von mir gesehenen Bus war.»

    Mit diesem Foto wurde 1998 nach Natascha Kampusch gefahndet. | Foto: dpa–International

    In insgesamt sechs Befragungen (1998–2006) blieb die Augenzeugin bei dieser Version, doch die Staatsanwaltschaft schenkte der detaillierten Aussage keine Beachtung und ließ immer wieder verlauten, dass es keinen Hinweis auf Tatkomplizen gäbe. Geglaubt wurde den Angaben von Kampusch…

    Widersprüche gibt es auch hinsichtlich des Verlieses, in dem das Mädchen laut offiziellem Narrativ über acht Jahre eingesperrt gewesen sein soll. In einem Polizeivideo von der Durchsuchung in Priklopils Haus machen die Kellerräume den Eindruck, als seien sie schon länger nicht bewohnt worden. Sie waren, so ein Fahnder, schlicht unbewohnbar. In den Wohnräumen des Entführers stießen die Ermittler jedoch auf Gegenstände (Büstenhalter, einer davon trägerlos; Reisetasche mit Kleidung, Zahnbürste und Bikini), die auf den längeren und gewohnheitsmäßigen Aufenthalt einer jungen Frau hindeuten. (…)

    Rätselhafte Selbstmorde

    Sofort nach der Flucht des Entführungsopfers soll Priklopil nach Wien gefahren sein und sich dort vor eine S-Bahn geworfen haben. Die stählernen Räder des Zuges trennten dabei seinen Kopf vom Rumpf. Der Entführer war auf der Stelle tot. Doch auch diese Version ist zweifelhaft.

    So gibt es ein Gutachten von einem Sachverständigen, das aufgrund der Auffindesituation des Leichnams Zweifel aufkommen lässt. Besonders auffällig: Kopf und Körper sind sauber voneinander getrennt. Obwohl das Herz noch einige Schläge hätte getan haben und so Blut aus der Halswunde herauspumpen müssen, ist wenig davon zu sehen. Für eine Bahnleiche ist das untypisch, was auch Chefermittler Kröll auffiel. Der Selbstmord wirkte inszeniert. Hinzu kommen weitere Verletzungen, etwa ein ausgestanzter ovaler Knochenbruch im rechten Scheitelbereich, der von einem Schlagwerkzeug herrühren könnte.

    Der ehemalige Präsident des Obersten Gerichtshofes in Wien, Johann Rzeszut, belegt dies eindeutig in seinem Buch Der Tod des Kampusch-Kidnappers: Wahrheitsfindung im Würgegriff (2016). Sollte Priklopil nicht Suizid begangen haben, sondern ermordet worden sein, würde dies den gesamten Fall Kampusch auf den Kopf stellen.

    Das Filmdrama «3096 Tage», das 2013 in die Kinos kam, beruhte auf Kampuschs Buch. | Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com

    Dazu passt, dass Chefermittler Franz Kröll bei seiner Arbeit ständig behindert wurde. Schließlich wurde ihm «unmissverständlich nahegelegt», die Fallakte zu schließen. Warum wollte man, dass der Polizeioberst und Soko-Leiter Ruhe gibt? Vielleicht, weil er 2009 in einem Telefonat feststellte, dass er hinter dem Entführungsfall ein Pädophilen- und Pornonetzwerk vermutete? Uns liegen dazu Auszüge eines Tonbandmitschnittes mit einem Journalisten vor, in dem von «sensiblen Personen» die Rede ist, die Verbindungen bis in die «höchsten Kreise» haben sollen.

    Kröll wörtlich: «Wenn solche Leute, die Sie uns genannt haben, in diese Sache involviert sein sollen – und wir machen einen Fehler –, dann können Sie sicher sein, dass das Netzwerk agiert, dann was passiert und dass alle Beweise, die existieren, dann alle verschwinden und wir laufen auf. (…) Das sind Kreise, das sind Leute, die Verbindungen bis in die höchsten Kreise haben.»

    Ein Jahr später begeht Franz Kröll angeblich Selbstmord. Er soll sich, «von Depressionen geplagt» (Kurier, 29.9.2011), auf die Terrasse seiner Wohnung gesetzt und sich mit links – obwohl er Rechtshänder war – mit seiner Dienstpistole in den Kopf geschossen haben. Eine der hanebüchenen Erklärungen im Abschlussbericht der Polizei: «Bemerkt wird, dass die Schussabgabe vom Suizidenten möglicherweise bewusst mit der linken Hand ausgeführt wurde, um so die dafür baulich geeignete westliche Begrenzungswand der Terrasse bei einem Durchschuss als ”Kugelfang” zu benutzen.» (…)

    Den kompletten Text können Sie im aktuellen COMPACT-Spezial «Geheimakte Kinderschänder – Die Netzwerke des Bösen». Dort erfahren Sie zum Fall Kampusch weiter:

    *Die verschwundenen Dateien: Polizeioberst Kröll ermittelte nach der offiziellen Schließung des Falls weiter. Dabei stieß er offenbar auch auf Filmaufnahmen Priklopils, die Kinderporno-Aufnahmen zeigen sollen. Diese sind nun unauffindbar. Wurde Natascha Kampusch für solche Filme missbraucht?

    *Die Pädo-Politiker: In Krölls Notizen, die unserem Autor Guido Grandt vorliegen, finden sich Hinweise auf einen Pädophilen-Ring in der österreichischen Polit-Szene. Wer gehört zu dem perversen Netzwerk?

    *Die Kinderschänder-Wohnung: Der Mitarbeiter der Opfer-Initiative hat ausgesagt: «Es gibt einen Jugendamtsakt, wo angeführt ist, dass Natascha Kampusch in einer Pädophilen-Wohnung (…) gemeinsam mit anderen Kindern war.» Warum wurde dies bei den Ermittlungen nicht berücksichtigt?

    *Die Sado-Maso-Connection: Außerdem sagte der Opfer-Betreuer: «Es gibt eine Sado-Maso-Szene, (…) wo es einen Keller gegeben hat mit Peitschen, Andreaskreuze, eine Folterkammer praktisch und wo die Kinder gefoltert wurden.» Welche Abgründe tun sich hinter dem vermeintlich abgeschlossenen Fall noch auf?


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    _ Guido Grandt (*1963) ist Journalist und Autor zahlreicher Bücher. Zudem hat er für öffentlich-rechtliche, private und ausländische TV-Sender über 300 Filmbeiträge recherchiert, gedreht und produziert. Seit 2009 ist er Inhaber des Gugra-Media-Verlags. Udo Schulze (*1962) arbeitet seit 1984 als Journalist und war für «Bild», B.Z. und RTL als Polizei- und Gerichtsreporter tätig. Von beiden Autoren erschien 2013 das Buch «Staatsaffäre Natascha Kampusch – Politskandal, Vertuschung, Opfer», das 2020 neu aufgelegt wird.

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