Australien mutiert in der Corona-Krise zur offenen Hygiene-Diktatur. Grundrechte liegen auf Eis, Kritiker werden eingesperrt – obwohl die medizinischen Werte sogar noch weit unter den deutschen liegen.
Es folgen Auszüge aus dem Artikel „Insel der Verdammten: Lockdown-Terror in Australien“, den Sie vollständig in COMPACT 10/2020 lesen können.
_ von Johann Leonhard
Am 5. September 2020 bricht sich die Wut und Verzweiflung einiger hundert Australier endlich Bahn: In Sydney und Melbourne sind sie an diesem Samstag – trotz Versammlungsverbots – zusammengekommen, um gegen das Lockdown-Regime der Regierung zu demonstrieren. Beim Zugriff der Polizei spielen sich erschreckende Szenen ab: «Der Kopf des Mannes ist blutüberströmt, das Blut rinnt ihm in die Augen, verklebt seine Barthaare. Wegwischen kann er es nicht – zwei Polizisten halten ihn rechts und links an den Armen fest, die Hände sind offenbar auf seinem Rücken fixiert.» So beschreibt Der Spiegel das Bild, das sich dem Beobachter in Sydneys Hyde Park bietet.
Noch bevor der Widerstand sich formieren konnte, war die Staatsmacht aktiv geworden. 80 Personen stattete die Polizei vor dem Demo-Wochenende Hausbesuche ab, um sie vor einer Teilnahme zu «warnen». Verhaftungen folgten. Live miterleben konnten Facebook-Nutzer die Festnahme der 28-jährigen Mutter Zoe Buhler. Die schwangere Frau bricht in Tränen aus, als Polizeibeamte ihre PCs und Mobiltelefone konfiszieren und ihr vor den Augen ihrer Kinder Handschellen anlegen. Ihr Verbrechen: Sie hatte im Internet zur Teilnahme an einer regierungskritischen Demonstration eingeladen.
«Wir wollen, dass Ihr zu Hause bleibt.» Polizeikommissar
«Menschen präventiv für die Organisation friedlicher Proteste oder für Social-Media-Posts zu verhaften, ist etwas, das in autoritären Regimen nur allzu oft passiert, aber in einer Demokratie wie Australien nicht vorkommen sollte», kommentiert Elaine Pearson, Menschenrechtsaktivistin von Human Rights Watch, den Vorgang.
Operation Sentinel
Solche Szenen geschehen nicht zum ersten Mal: Ein Video auf Twitter zeigt Mitte August, wie eine junge Frau von einem Polizeibeamten brutal gewürgt und zu Boden gedrückt wird, weil sie keine Maske trägt – ihr Freund filmt die Szene fassungslos. Dutzende Mitschnitte ähnlicher Fälle kursieren im Netz. Dem Ex-Soldaten James Bartolo schlagen Beamte in Melbourne Anfang September die Haustür ein, bevor sie ihn abführen. Auch er hatte auf Facebook zum Protest aufgerufen.
Daniel Andrews, der linke Premierminister des australischen Bundesstaates Victoria, zeigt wenig Verständnis für Demonstrationen gegen seine Politik. «Jetzt ist nicht die Zeit, um gegen irgendetwas zu protestieren», wird er nach der Gewalteskalation in Melbourne zitiert. Und weiter: «Der einzige Kampf, den wir derzeit führen sollten, ist der gegen das Virus.»
Dass die Proteste berechtigt sind, meint selbst der ehemalige australische Premierminister Tony Abbott. Der liberale Politiker, der von 2013 bis 2015 an der Spitze der Regierung stand, bezeichnete das von Andrews geführte Regime in Victoria Anfang September als «Gesundheits-Diktatur». Tatsächlich kann die Polizei dort ohne richterlichen Beschluss Wohnungen, Fahrzeuge und Personen kontrollieren, um die Einhaltung von Lockdown-Vorschriften durchzusetzen. Grenzschließungen, militärische Straßensperren, Zwangsquarantäne, Reiseverbote, nächtliche Ausgangssperren, Maskenpflicht und horrende Bußgelder bei Zuwiderhandlung sind nur die Spitze des Eisbergs.
Auch Drohnen werden eingesetzt, etwa um Menschen aufzuspüren, die «keine Masken tragen» oder um Nummernschilder von Autos zu erfassen, die «zu weit von zu Hause entfernt» sind. Höchstens fünf Kilometer außerhalb ihres Wohnorts dürfen sich Bürger noch aufhalten, nur für Einkäufe oder Arztbesuche überhaupt das Haus verlassen. «Es gibt kein Entkommen angesichts dieser hoch entwickelten Luftüberwachung», erklärt eine Sprecherin des Senders 7News in Melbourne Mitte August.
Shane Patton, Victorias höchster Polizeikommissar, erläutert während einer Pressekonferenz am 3. August die neue Normalität: Die «allerwichtigste Aufgabe» der Polizei sei es derzeit, die «Richtlinien des Gesundheitsamtes durchzusetzen». 1.500 Polizeibeamte seien dazu im Einsatz, etwa im Rahmen der Operation Sentinel (deutsch: Wächter), um «öffentliche Plätze zu kontrollieren, an Türen zu klopfen» oder Fahrzeuge an Checkpoints anzuhalten.
In mehreren Fällen «mussten wir die Scheiben von Personen in Fahrzeugen einschlagen und sie da rausziehen», um deren Identität festzustellen, erklärt Patton. Und weiter: «Die Menschen müssen absolut verstehen, dass ihre Handlungen Konsequenzen haben. Und wenn sie nicht das Richtige tun, werden wir nicht zögern, Verstöße zu ahnden, sie zu verhaften, sie festzusetzen, wo es angebracht ist.»
Der Schwangeren wurden vor den Augen ihrer Kinder Handschellen angelegt.
(…)
Gewaltmarsch zum Nullpunkt
Wie konnte es nur so weit kommen? Am 27. Februar hatte Australiens Premierminister Scott Morrison erstmals den nationalen Notstand ausgerufen – ohne Grund: Zu diesem Zeitpunkt gibt es auf dem ganzen Kontinent erst 23 Infektionen und keinen einzigen Toten.
Morrison regiert sich in den folgenden Tagen in Rage, setzt ein nationales Krisenkabinett ein, ruft den «biologischen Sicherheitsnotstand» aus und bringt das öffentliche Leben durch zahllose Verordnungen zum Stillstand. Dies sei die «schlimmste Situation seit dem Zweiten Weltkrieg», erklärt er Ende März dem Sender 60 Minutes Australia.
Am 18. März verfügt Morrison ein Ausreiseverbot für alle Australier – ein Novum in der Geschichte des Landes. «Seit Mittwoch ist Australien wieder das, was es vor über 200 Jahren gewesen war: eine Insel von Gefangenen», fasst die Taz wenig später zusammen.
Die Bürger lassen immer schärfere Corona-Maßnahmen über sich ergehen. Dann, im April und Mai, gehen die Fallzahlen zurück. Es scheint, als sei die Pandemie besiegt. Die Infektionen sinken in fast allen Bundesstaaten auf null – gleichzeitig rutscht das Land zum ersten Mal seit 30 Jahren in die Rezession. Ist der Spuk nun endlich vorbei?
Im Gegenteil: Nachdem am 7. Juli 191 neue Infektionen in Victoria festgestellt werden, folgt die nächste Überreaktion – schon wieder verhängt Premier Andrews den Lockdown. Nun ist von einer zweiten Welle die Rede. Und trotz immer neuer Maßnahmen steigt die Zahl positiv Getesteter stetig (was wiederum zum Anlass für neue Verschärfungen genommen wird). Fast ironisch: Ihren Ausgang soll die zweite Welle von den Quarantäne-Hotels genommen haben, die Andrews eigens für die Einknastung von Covid-verdächtigen Urlaubern und Heimkehrern nutzte.
Am 24. Juli werden – trotz bereits bestehender Lockdown-Maßnahmen – 330 Neuinfektionen und ganze sieben (!) Todesfälle in Victoria registriert. Man spricht vom «tödlichsten Tag» seit Beginn der Pandemie. Nicht einer der Toten war unter 80, doch das schien niemanden zu interessieren. Am 2. August dann der vorläufige Höhepunkt des Dramas: Victoria ruft den Katastrophenfall aus. Sechs Wochen lang wird Melbourne in den Stufe-4-Lockdown geschickt, obwohl keine signifikante Steigerung der Opferzahlen erkennbar ist.
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Politiker wie Andrews, der seinen Bundesstaat seit 2014 regiert, genießen die diktatorischen Vollmachten. In seiner Formulierung «bitte bleibt ruhig, bitte bleibt nett, bitte bleibt geduldig» scheint die Fratze des Nanny-Staates durch. Zum Abschluss dann die Merkel’sche Losung: »Wir können – wir werden – das schaffen. Getrennt. Aber zusammen.» Getrennt ist zusammen? Das erinnert an Orwells 1984 : Freiheit ist Sklaverei. (Ende der Auszüge)
Dieser Artikel erschien vollständig im COMPACT-Magazin 10/2020. Diese Ausgabe können Sie in digitaler oder gedruckter Form hier bestellen.