Seine autobiografisch geprägte Rückschau auf seine Zeit bei der Waffen-SS kostete den seinerzeitigen Star-Journalisten Franz Schönhuber die Medien-Karriere und ließ ihn erst zum Politiker werden. Wie der frühere Republikaner-Vorsitzende diente auch Herbert Kühl in der „Leibstandarte“. Seinen eindrucksvollen Bericht finden Sie in Band 3 von „Veteranen der Waffen-SS berichten. Unverfälscht und authentisch! Hier mehr erfahren.

    Wir schreiben den Dezember 1979. Franz Schönhuber, stellvertretender Chefredakteur beim Bayerischen Rundfunk, hat gerade einen achttägigen Skiurlaub  am Arlberg hinter sich gebracht. Als er an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt, erwartet ihn eine böse Überraschung.

    In mehreren Schreiben an Mitglieder des Rundfunkrates und an Tageszeitungen hatte ein Anonymus den Vorwurf erhoben, Schönhuber habe bei seiner Berufung auf seinen damaligen Posten verschwiegen, dass er im Zweiten Weltkrieg der Waffen-SS angehört habe. Schönhuber dementiert das und erklärt, er habe sowohl die Spitze des Bayerischen Rundfunks als auch seine Mitarbeiter „rückhaltlos aufgeklärt“.

    Schönhuber auf dem Titelbild. Foto: Der Spiegel

    „Unbeachtet im Abfalleimer belassen“

    Die CSU stellt sich zuerst rückhaltlos hinter Schönhuber. Der stellvertretende Pressesprecher Markus Schöneberger spricht von „dümmlichen Attacken“ ,von denen „völlig zu Recht bisher kein verantwortlicher Rundfunkpolitiker Bayerns ernsthaft Notiz genommen“ habe. Jeder sei gut beraten, „dieses Elaborat unbeachtet im Abfalleimer zu belassen, statt es jetzt aus völlig unerfindlichen Motiven durch eine Publikation krampfhaft aufzuwerten.“

    Doch innerlich gärt es zu dieser Zeit schon gewaltig in Schönhuber, der seinerzeit der vielleicht bekannteste bayrische Journalist ist und als Moderator von Jetzt red i eines der ersten Talkshow-Formate in Deutschland überhaupt geschaffen hat. Mit dem zunehmenden Alter kamen auch verstärkt Erinnerungen an seine Jugendzeit zurück.

    Als er Ende der 70er Jahre bei der Rückfahrt von einem Frankreich-Aufenthalt im Zug einem Angehörigen der französischen Waffen-SS-Einheit Charlemagne begegnet, der er als Dolmetscher und Ausbilder ebenfalls angehörte, gibt ihm das einen Stich. Er wirft sich vor, zu sehr auf seine Karriere geachtet und zu wenig um eine differenzierte Sichtweise auf seine alten Kameraden geworben zu haben.

    Gefährliche Versuchungen

    Schon lange treibt ihn die Idee um, ein autobiografisch geprägtes Buch zu schreiben und die anonyme Kampagne gegen ihn bringt ihn dazu, dieses Vorhaben auch umzusetzen. In ebenjenem Buch mit dem Titel „Ich war dabei“ schreibt Schönhuber über jene Zeit:

    „Ich bemühte mich, eine gefährliche Versuchung in mir niederzukämpfen, nämlich unreflektiert stolz auf das zu sein, was der Historiker Nolte über die europäischen Waffen-SS-Freiwilligen schrieb, zu denen auch ich einige Zeit gehörte: ,Sie waren die letzten echten Söhne des Kriegsgottes.ʽ

    Ich war zwar kein Heldensohn, aber ich gehörte nun einmal zu dieser Familie, wenn auch als Außenseiter, und sie manchmal hassend. Aber gegenüber diesen opportunistischen Kakerlaken, Politik-Windsurfern, war ich doch ein wahrer Steppenwolf. Ich steigerte mich in eine Euphorie, betrank mich, hatte am nächsten Tag Kopfweh und Katzenjammer.“

    Am Ende schreibt Schönhuber das Buch, das ein Stück bundesdeutscher Zeitgeschichte werden soll. In „Ich war dabei“ legt er eine schonungslos ehrliche Lebensbeichte ab. Den größten Teil des Buches nehmen seine Erinnerungen als blutjunger Soldat bei der Waffen-SS ein.

    Bretagne, Korsika, Prag

    Er schildert, wie er als Sohn eines oberbayerischen Viehhändlers den Ehrgeiz entwickelte, unbedingt einer militärischen Eliteeinheit angehören zu wollen. Ihm gelingt es, im Sommer 1942 endgültig in die „Leibstandarte SS Adolf Hitler“ einzutreten. Dort beeindruckt ihn das Fehlen von Klassenschranken, aber er muss auch miterleben, wie während seiner Ausbildung ein Kamerad von ihm wegen eines kleinen Lebensmitteldiebstahls zum Tode verurteilt und erschossen wird.

    Es erfolgt im Frühjahr 1943 die Verlegung in die Bretagne, wo er sich in eine Französin verliebt, und ein weiterer Einsatz in Korsika. Auf der Mittelmeerinsel wird er in schwere Gefechte mit den einstigen italienischen Verbündeten verwickelt, die gerade die Seite wechseln. Sein Einsatz wird mit der Verleihung des Eisernen Kreuz 2. Klasse belohnt.

    Dolmetscher bei der Charlemagne

    Eine Gelbsuchtattacke bewahrt ihn vor einem Einsatz zur Partisanenbekämpfung auf dem Balkan. Er wird stattdessen als Ausbilder und Dolmetscher zur französischen Waffen-SS-Einheit Charlemagne versetzt, die im Herbst 1944 auf dem Truppenübungsplatz Wildflecken in der Rhön zur Division aufgestockt wird.

    Hier kommt er in Kontakt mit den paneuropäischen und sozialistischen Vorstellungen seiner französischen Kameraden, die ihn für den Rest seines Lebens prägen. Weil die Gelbsucht zurückkehrt, wird er in ein Lazarett verlegt und kommt deshalb nicht mit seinen Kameraden an die Ostfront, wo nur eine kleine Minderheit diesen Einsatz überleben wird.

    Schönhuber wird auf die Junkerschule nach Prag geschickt und nimmt schließlich an der letzten großen Schlacht des Krieges an der Oder teil. Mit zurückflutenden Zivilisten und Soldaten kommt er über Mecklenburg schließlich nach Schleswig-Holstein, wo er in britische Kriegsgefangenschaft gerät.

    Als „Ich war dabei“ zum Jahreswechsel 1980/81im Langen Müller Verlag von Herbert Fleissner erscheint, ist die Presse in München – tz, Münchner Merkur und die Münchner Katholische Kirchenzeitung – begeistert. Einhellig wird die große Ehrlichkeit der Buches hoch gelobt. Erst als Haug von Kuenheim mehrere Monate später in der „Zeit“ von einem „stinkenden Rülpser“ spricht und Schönhuber als „Steppenwolf von Traunstein“ verhöhnt, geht die Hetzjagd los. Franz Josef Strauß und der BR-Intendant Reinhold Vöth lassen ihn nun relativ schnell fallen.

    In Acht und Bann

    In einem Gerichtsverfahren wird festgestellt, dass Schönhuber in „Ich war dabei“ den Nationalsozialismus nicht glorifiziert habe. Dennoch bleibt er für die Öffentlichkeit ein rotes Tuch. Als 2001 der frühere Arte-Chefredakteur Georg Schmolz in einem schon abgedrehten Kommentar für die Tagesthemen äußert, dass Schönhuber in „Ich war dabei“ mit Distanz auf das Dritte Reich geblickt habe, wird diese Stelle vor der Ausstrahlung einfach herausgeschnitten und Schmolz darüber hinaus dann auch noch öffentlich mit Vorwürfen überzogen.

    Das Außenseitertum hat für Schönhuber aber auch Vorteile: Weil er seine erste Karriere verliert, öffnet sich für ihn die Tür zu einer zweiten Karriere. Er wird 1985 Parteivorsitzender der Republikaner, für die er 1989 in das Europaparlament einzieht. Bei den Europawahlen im Juni 1989 schafft es mit den Republikanern damals erstmals eine patriotische Partei bundesweit über die Fünf-Prozent-Hürde.

    Tapfere Soldaten, keine Verbrecher: Wie Franz Schönhuber diente auch Herbert Kühl in der „Leibstandarte“. Seine eindrucksvollen Schilderungen finden Sie in Band 3 von „Veteranen der Waffen-SS berichten. Unverfälscht und authentisch! Hier mehr erfahren

    6 Kommentare

    1. Dass es ein Mann vom Format und Talent Schönhubers nicht schaffte, sich gegen die Verleumdung und Stigmatisierung, vor allem auch durch die CSU, zu wehren und unser Land zu retten, zeigt, wie perfide die Methoden des Regimes waren. Damals, in den 80ern und frühen 90ern, wäre es noch viel leichter gewesen, das Ruder herumzureissen. Sehr schade, dass er den Aufstieg der AfD nicht mehr miterleben konnte. Ich verneige mich vor ihm.

      • Professor_zh am

        Und dabei – so wirft Professor_zh ein – war Schönhubert nur ein kleines Licht im Vergleich zu einem Horst Mahler, wie deren gemeinsames Buch deutlich zeigt! Schönhuber war gewiß ein bemerkenswerter Rhetoriker, ein Volkstribun, aber Mahler war (beziehungsweise ist – man nimmt nur nichts mehr von ihm wahr…) der fundiertere Denker! Davon gab es in den ersten Jahren bei den Republikanern auch welche, aber sowie sich der erste Erfolg abzeichnete, kam auch heftiger Gegenwind auf (den man zum Teil schon fast als kriminiell bezeichnen könnte!). Da zogen sie alle die Köpfe ein und schritten auf Hasenfüßen fort.
        Die AfD war niemals so ,,radikal" (nicht zu verwechseln übrigens mit ,,extrem" oder ,,extremistisch", was sie auch nicht ansatzweise ist) wie die frühen Republikaner. Daß sie dennoch so vehement bekämpft wird, bedeutet nur, daß die Gegenseite die Schlinge um uns immer weiter zuzieht.
        ,,Rette, wer sich kann!"

    2. Michael Erren am

      Vielen Dank für den Bericht. Schönhuber hat daraufhin noch andere hochinteressante Bücher geschrieben, z.B. "Macht", eine Schilderung, wie es in den Funkhäusern zugeht. In einem persönlichen Gespräch mit mir äußerte er: "Weißt, Michel, wenn drei von der Partei zusammensitzen, ist ein V-Mann dabei …"

      • @Michael Erren. Sie schrieben: ""Weißt, Michel, wenn drei von der Partei zusammensitzen, ist ein V-Mann dabei …"". Dem kann ich nur zustimmen. Was mich stoert an den vielen intelligenten Leuten bei der AfD ist, dass sie nicht in der Lage sind Fallen zu stellen um herauszufinden wer die Verraeter in der Partei sind. In solche Fallen haben wir Diebe gelockt die aus Spinden Sachen entwendeten und wir haben "Kameradenschweine" in Fallen gelockt indem wir "Informationen" an bestimmten Stellen deponierten. Wenn wir dann 100 Ehrenrunden bei stroemendem Regen auf dem Sportplatz laufen mussten, wussten wir wer diese "Information" beim Chef ablieferte.

        • Horst Stein am

          Ganz so einfach ist das in der (partei)politischen Praxis oft nicht. Zudem fehlt oft der letzte Beweis, um den Verräter rechtssicher zu überführen. In dem von mir geschilderten Fall hatte Schönhuber durchaus einen konkreten Verdacht, nur konnte er den nicht beweisen. (Die Person, die er damals konkret verdächtigte, betrieb übrigens später unter einem inzwischen geänderten Namen erneut Sabotage gegen ein anderes patriotisches Projekt, wobei sie allerdings letztendlich scheiterte.)

      • Horst Stein am

        In kleinerer Runde berichtete Schönhuber einmal, dass ihn ein Beamter aus dem bayerischen Sicherheitsapparat, den er noch aus seiner BR-Zeit kannte, unter Berufung auf das Protokoll auf Äußerungen in einer REP-Präsidiumssitzung ansprach. Schönhuber hatte selbst als Parteivorsitzender zu diesem Zeitpunkt noch nicht das besagte Protokoll vorliegen … (Eine elektronische Abschöpfung war damals technisch noch nicht möglich.)

        An dieser Stelle vielen Dank an die COMPACT-Redaktion für die kompetenten und gut belegten Beiträge im Zusammenhang mit dem "Krah-SS-Skandal" in den letzten Tagen!