Nicht nur Rambo, auch Rocky machte Sylvester Stallone zur Film-Legende. Von wegen Haudrauf-Kino: Die Streifen sind vielschichtiger als man denkt  – genau wie ihr Protagonist. Fortsetzung dieses Beitrags. Mit einem Abo von COMPACT sichern Sie sich Ihren Informationsvorsprung. Hier mehr erfahren.

    Bereits 1976, zwei Jahrzehnte vor Copland, hatte der am 6. Juli 1946 in New York geborene Michael Sylvester Gardenzio Stallone seinen Durchbruch. Er hatte zu Rocky nicht nur das Drehbuch geschrieben, sondern war auch unerschütterlich und – wie sich zeigen sollte – treffsicher davon überzeugt, dass ihm damit der große Wurf gelingen könnte.

    Deshalb pochte er darauf, die Hauptrolle selbst zu spielen – definitiv eine der schicksalsschwersten und besten Entscheidungen seines Lebens. Das Boxerdrama wurde nicht nur ein großer Erfolg an den Kinokassen, sondern auch unglaubliche zehn Mal für den Oscar nominiert.

    Traumpaar: Sylvester Stallone als Rocky Balboa und Talia Shire als Adrian in „Rocky“ (1976). Foto: MGM, IMDb

    Sympathischer Underdog

    Die Reihe ist eher Milieustudie als hirnloses Haudrauf-Kino, fasziniert durch Vielzahl und Komplexität menschlicher Beziehungen sowie mittels einiger Charaktere, die sich das glattgebügelte Hochglanz-Hollywood von heute nicht mehr leisten würde.

    Zwischen dem vernarbten Trainer und seinem Schützling fliegen die Fetzen, weil Rocky als Geldeintreiber sein Talent vergeudet; Paulie, sein angehender Schwager aus der Unterschicht, greift im Suff sogar frustriert zum Baseballschläger, muss immer wieder aufgefangen werden; und Apollo Creed, amtierender Weltmeister, will den Underdog vor der versammelten Presse als Vollidioten bloßstellen.

    Dermaßen in die Enge getrieben, macht Sly das, was er am besten kann – kämpfen, bis im wahrsten Sinne des Wortes der Arzt kommt. Der muss ihm spätestens im dritten Teil die Augen aufschneiden, denn Aufgeben kommt weder in der Genetik noch im Kosmos unseres Helden vor. Creed jedenfalls, technisch haushoch überlegen, ist am Ende überglücklich, einen umstrittenen Punktsieg einzufahren. Was er sich als Sonntagsspaziergang vorgestellt hatte, wird eine Ringschlacht, die ihn in die Notaufnahme zwingt.

    Erst Gegner, dann Freunde: Rocky im Ring mit Apollo Creed (Carl Weathers). Foto: Filmstill, IMDb

    Große Konstante und fester Halt wird für Rocky seine Frau Adrian – eine auffällig unattraktive, dafür umso sympathischere, natürliche Frau. Die fast naiv anmutende Liebesgeschichte rührt noch heute, auch wenn die Dialoge des Paares sicher keine cineastischen Highlights sind und der Kitsch bisweilen von der Leinwand trieft.

    In der Retrospektive erscheint es beinahe ironisch, dass der Boxer Rocky Balboa sich bereits im ersten Teil der Reihe im Herbst seiner Karriere befindet. Denn inzwischen gibt es insgesamt acht (8!) Episoden: Nachdem Stallone 2006 den aktiven Fighter im gleichnamigen sechsten Streifen hinter sich ließ, übernahm er in Creed die Rolle des Trainers – natürlich ausgerechnet als Coach des Sohnes seines früheren Gegners.

    Opernhafte Dimensionen

    Mit dicker Brille, weisen Ratschlägen und einem Bekenntnis zum Alter, das liebenswert mit den martialischen Auftritten in den letzten beiden Rambo-Teilen oder der Expendables-Reihe kontrastiert, spielt Stallone sich wieder einmal selbst – einen Mann, der von der Straße kommt und im Erfolg zwischenzeitlich die Bodenhaftung verloren hat, der letztlich aber alles im Leben erreicht und endlich Frieden gemacht hat, mit sich und der Welt. So hat die Rocky-Saga inzwischen opernhafte Dimensionen angenommen, sie begleitet uns seit über vier Jahrzehnten, und das halbe Hundert wird sicher noch vollgemacht.

    Dabei fing Stallone unten an. Für ganze 200 Dollar spielte er 1970, im Alter von 24 Jahren, in einem Erotikfilm mit, und zwar bereits im Titel ernsthaft als Stud (= Deckhengst) gebrandmarkt. (Original: The Party at Kitty and Stud’s). Ohnehin war er von Anfang an gehandikapt: Eine Geburtszange verursachte eine Nervenschädigung, die herunterhängenden Mundwinkel und eine eingeschränkte Mimik waren die Folge. Auch deshalb rieten ihm seine Lehrer von einer Schauspielkarriere ab.

    Söldnertrupp: Sylvester Stallone, Jason Statham und Randy Couture in „The Expendables“ (2010). Foto: Filmstill, IMDb

    Die Liste derer, die diese Laufbahn aktiv begleiteten, liest sich aber inzwischen wie ein Who is Who Hollywoods: Donald Sutherland, Michael Caine, Mickey Rourke, Rod Steiger, Rutger Hauer, Antonio Banderas, Jack Palance, Ray Liotta. Diese Granden sollen sich freiwillig neben einem tumben Muskelprotz präsentiert haben?

    Kreativ und sensibel

    Inzwischen ist der Mann mit einem IQ von sage und schreibe 160 in weiten Kreisen rehabilitiert. Dazu trug bei, dass Stallone seine Kreativität nicht nur beim Verfassen von Drehbüchern oder als Regisseur auslebte, sondern sich auch früh einer ganz anderen Kunst widmete: der Malerei.

    Jeder, der frei von ideologischer Verblendung und Allergien gegen den weißen, konservativen Mann ist, reibt sich beim Anblick der Werke die Augen – so stark und überzeugend packen sie den Kulturenthusiasten. Die Gemälde finden dementsprechend große Anerkennung, werden international vorgestellt, hängen in renommierten Museen, werden für sechsstellige Beträge gehandelt.

    Der, der sie erschaffen hat, ist gerade 75 Jahre alt geworden. Sein Sternzeichen ist der Krebs, ein Bild, das für Vielseitigkeit und Sensibilität steht. So wie Sylvester Stallone, einer der erfolgreichsten Schauspieler der Geschichte. Ob er noch einen Oscar bekommt (den Golden Globe hat er bereits), ist offen; dass er ihn mehr als verdient hat, keine Frage.


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