Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Polizei und Querdenkern am Pfingstwochenende in Berlin war kräftezehrend – und zeigt vor allem eines: wie die neue Demo-Realität nach dem Bevölkerungsschutzgesetz aussieht. Das Heft zu den Protesten: In COMPACT-Spezial Die Querdenker – Liebe und Revolution haben wir den Corona-Rebellen ein Denkmal gesetzt. Hier mehr erfahren.

    Wie die Zahnstümpfe eines Obdachlosen ragt die Berliner Gedächtniskirche über dem Großstadtgewirr auf. Zu ihren Füßen bot sich am vergangenen Samstag zur Nachmittagszeit ein bizarres Bild: Circa 200 Menschen, umzingelt von der Polizei, in ihrer Mitte tanzende Frauen und ein weißhaariger Mann mit Hut, der auf einem Steinsockel stehend das Grundgesetz verliest. Rundherum ein Schwarm von Live-Streamern und Antifa-Fotografen. Warum die Linksextremisten die Querdenker ins Visier nehmen, erfahren Sie in COMPACT-Spezial Antifa: Die linke Macht im Untergrund.

    Die Sonne brennt in den Kessel, eine alte Frau ist im Schatten eines Baumes erschöpft zusammengesackt. Vor über einer Stunde haben die Beamten angekündigt, die Personalien der nach Ansicht der Polizei illegal Versammelten feststellen zu wollen. Seitdem ist aber nichts passiert. Neben den apokalyptischen Tänzerinnen gibt es solche, die wie eingesperrte Raubtiere unruhig an den aufgereihten Polizisten vorbeihasten und wütend ihre Freilassung fordern. 

    Völlig erschöpft. Foto: Paul Klemm

    Jagd durch Berlin

    Die Eingekesselten gehörten zu einer von vielen Spontan-Demos, die am vergangenen Wochenende im ganzen Stadtgebiet aufgeflammt sind. So schnell wie sie sich bildeten, wurden sie aber auch wieder aufgelöst oder umstellt. Denn mit Berufung auf den Infektionsschutz waren sämtliche Kundgebungen im Vorhinein verboten worden.

    Wie die Corona-Dissidenten trotzdem versuchten, gegen die neuen Verhältnisse zu protestieren, glich einem Guerillakampf: Den Häschern entkommen, neue Demo-Möglichkeiten ausloten, klandestin über Telegram die nächsten Treffpunkte vereinbaren. 

    Weiße Taube im Kessel. Foto: Paul Klemm

    Dafür nahmen die aus ganz Deutschland angereisten Querdenker irrsinnige Fußmärsche in Kauf. Denn bei einem Aufgebot von über 3.000 Polizisten samt Reiterstaffel und Wasserwerfern war es nicht leicht, einen Platz zu finden, an dem noch irgendetwas ging. Teilweise kam es zu regelrechten Jagd-Szenen durch die Hauptstadt.

    So zum Beispiel am Freitagabend, als sich circa 50 Versprengte um den in der Szene bekannten Stimmungssänger Björn Banane scharten und augenblicklich von zwei Polizeibussen verfolgt wurden. Banane und seine Anhänger rannten in eine Straßenbahnstation, die Beamten zu Fuß hinterher. Über Treppen und Tunnel stolperten die Lockdown-Gegner, unter ihnen auch über 60-Jährige, in ein Wohngebiet, wo sie am Ende von den Einsatzkräften eingeholt wurden und einen Platzverweis erteilt bekamen. 

    Kein Durchkommen. Foto: Paul Klemm

    Wahnsinnig witzige Polizisten

    Während sie auf der Straße gegenüber Großmüttern im Batikkleid Härte demonstrierte, gab sich die Polizei Berlin auf Social Media bemüht komödiantisch. So twitterte sie über eine Festnahme von Straßenmusikern:

    Am Brandenburger Tor steht eine schunkelnde Personengruppe mit Gitarren, Trommeln & anderen Musikinstrumenten. Was fehlt: Mund-Nase-Bedeckung & Abstand. Was nicht fehlt: Der Wille unseres Einsatzleiters, das schnell zu beenden. „Time to say goodbye“

    Auf Telegram kursiert zudem ein Bild, auf dem ein Beamter einem Querdenker ganz unverblümt den Stinkefinger zeigt. Im Gegensatz zu der Stuttgarter Polizistin, die bei einer Demo mit ihren Händen ein Herz geformt hat, zog diese Geste allerdings kein großes Medienecho nach sich. 

    Alles im Blick: Der sogenannte Rechtsextremismusexperte Olaf Sundermeyer am Stromkasten. Foto: Paul Klemm

    Nach gut zwei Stunden Wartezeit wurde der Polizeikessel vor der Gedächtniskirche Person für Person geleert. Greiftrupps rückten vor und führten die vermeintlichen Regelbrecher einzeln ab. Nun erwartet sie wegen illegaler Versammlung eine Geldstrafe von bis zu 1.000 Euro.

    Dass es auch anders gehen kann, bewies eine Gruppe von Lukaschenko-Gegenern, die sich am Sonntagabend Unter den Linden versammelte. Unter den Augen der Polizei durften sie ganz ohne Abstand für ihre Sache Parolen schreien. Es war wohl die vermeintlich richtige Sache. 

    Die weiße Rose – ein Symbol der Widerstandsbewegung. Foto: Paul Klemm

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