Der Nachbar als potenzieller Seuchenträger, der Kontaktsuchende als Gesundheitsschädling, das keimfreie Internet als Rettung: Mit Corona wird die Atomisierung des Menschen auf die Spitze getrieben. Ungekürzter Erstabdruck in COMPACT 05/2020. Es folgen einige Auszüge.

    _ von Jonas Glaser

    Globalisierung tötet die Nähe und fördert Fernkontakte, in der Warenwelt wie zwischen den Menschen. Traditionelle Bindungen werden gegen flexible Kontakte ausgetauscht, alles ist der Exklusivbeziehung zwischen dem Einzelnen und dem übergroßen Du untergeordnet: dem globalen Markt. Als Ersatz für Ehe, Freundschaft, Zuhause und Religion bietet dieser Psychotherapie, Yoga-Workshops, Esoterik, Handy-Small-Talk sowie Parship, wo sich angeblich alle zehn Sekunden ein Single verliebt.

    Wem das zu stressig ist – Hollywood dreht kaum mehr Liebesmelodramen! –, der kann seine Dates auf wenige Tinder-Stunden reduzieren. Aber die digitale Schrumpfform von Menschlichkeit war bis vor Kurzem nur ein Trend, dem man sich auch entziehen konnte: Virtueller Kontakt konnte zur Verabredung im Alltag führen, zu echten Gesprächen und Berührungen. Seit Etablierung der Quarantäne-Gesellschaft ist damit Schluss. Die analoge Welt wurde zur Seuchenzone erklärt: Betreten verboten.

    Eremiten und Mönche ohne Gott

    Corona – oder besser: der mit Corona begründete Notstand – hat die Atomisierung auf die buchstäblich «einsame» Spitze getrieben. Mit Ausgangs- und Kontaktsperren wurde Isolation endgültig zum Ideal erhoben. #Stayhome lautet der ethische Imperativ auf Facebook & Co. Neuer Held ist, wer zu Hause bleibt. Introvertierte und Couch-Potatos sind die neuen Lebensretter. Sozial handelt, wer im Ausnahmezustand allein bleibt.

    Der Wohnungsflüchtige, der nach Sozialkontakt schreit, gilt dagegen paradoxerweise als Anti-Sozialer, der die Regierung zu verschärften Maßnahmen zwingt. Fast täglich wettern Promis gegen die «Disziplinlosigkeit» von Menschen, die ein zuvor unbekanntes Verbrechen begehen: Sie wollen andere Menschen treffen.

    Die Singles wurden zu Eremiten in einsamer Zelle.

    In Single-Metropolen wie Berlin wurden Bürger zu Eremiten in einsamer Zelle, zu Mönchen ohne Gott. Der Mitmensch gilt a priori als Infektionsträger, als potenzielle Todesgefahr. George A. Romeros The Crazies (1973) und seine Living Dead-Filme haben dieses Szenario antizipiert: Eine Seuche verwandelt Menschen in ansteckende Monster. Sentimentalität ist in solcher Situation tödlich. Egal, wie man früher zum Infizierten stand – ob als Nachbar, Partner, Familienmitglied: Jetzt helfen nur noch Distanz, Wegschubsen oder gleich der Schuss in den Schädel.  (…)

    Gespenstische Leere: Berliner Hauptbahnhof im März 2020.
    Foto: Mario Alexander Müller / COMPACT

    Covid-19 ist sogar hinterlistiger als Zombie-Erreger, denn Untote erkennt man sofort. Das Corona-Virus dagegen wird auch von scheinbar Gesunden, symptomfreien Menschen übertragen. Und weil mangelnde Identifizierbarkeit des Feindes die Paranoia erst richtig anheizt, erscheint der Mitbürger als potenzieller Geheimagent des Todes. Peter Sloterdijk glaubt sogar, dass der «symptomfreie Virenträger» als Figur in die Kulturgeschichte eingehen wird…

    Bereits nach zwei Wochen Corona-Politik hatten die Bürger sämtliche Distanzierungsbefehle verinnerlicht: Automatisch hält man Abstand. Als nach Ostern die Politiker zaghaft über eine Lockerung des Ausnahmezustandes diskutierten, sprach sich eine Mehrheit bei Umfragen dagegen aus.

    Sünder und Laborratten

    Selbst verbliebene Begegnungsstätten verwandelten sich in Hochsicherheitstrakts: In Läden schützen Plexiglas, zwei Meter Abstand und Mundschutz vor der Biologie der Kunden beziehungsweise des Verkäufers. Vermummung für alle. Am besten wäre jedoch, so lässt man wissen, man bestellt seinen Krempel gleich bei Amazon. Internethändler und Versanddienstleister sind Gewinner der Stunde: Online-Shopping, ohnehin auf dem Siegeszug, wird in den Krisenwochen derart eingeübt, dass eine Rückkehr zum analogen Einkauf wie in präcoronalen Zeiten nicht zu erwarten ist.

    Damit hat sich die Frage nach der Barzahlung ebenfalls erledigt – bei Online-Bestellungen geht das nicht. Aber selbst die wenigen offenen Läden bitten Kunden vermehrt um bargeldlosen Einkauf. Angeblich der Hygiene wegen, obwohl das Eintippen des PIN-Codes auf Lesegeräten kaum weniger Viren verbreiten dürfte als ein Geldschein. Wohl aber ist Kartenzahlung ein weiterer Schritt in Richtung totaler Kontrolle: Jeder Einkauf lässt sich damit rückverfolgen und aus dem Konsumverhalten ein Persönlichkeitsprofil erstellen:

    Frau Mustermann kauft Alkohol, Herr Jedermann futtert zu viel Süßes und raucht – und die Studentin, die Kondome kauft, hat mit Sicherheit gefährliche Triebe. Über diese Daten freuen sich Krankenkassen, Gesundheitsämter und die Seuchenpolizei – und ihre Sammelwut wird bestimmt nicht zu unserem Vorteil sein.

    Der Mitbürger erscheint als potenzieller Geheimagent des Todes.

    Gäbe es Corona nicht, die Machthaber würden es erfinden. Aber nicht jede Laborratte übersteht solch Isolationskur: Medien berichten über Vereinsamungen. Depressionen, Ess- und Verhaltensstörungen brechen durch. Ebenso schlimm: das Aufeinanderhocken miteinander Verkrachter. Jugendämter schlagen Alarm wegen vermehrter Misshandlungen. Zur Kompensation glühen die Drähte digitaler Medien. Die Kabel, von Marshall McLuhan als verlängerte Sinnesorgane oder Nervenbahnen gedeutet, sorgen via Telefon, Skype, Chat und Mail für keimfreien Kontakt zur Außenwelt.

    Politischer Widerstand, durch Demonstrations- und Versammlungssperre aus dem analogen Leben verbannt, findet sein Surrogat im Netz, völlig ungefährlich für die Staatsmacht. So entstanden beispielsweise Skype-Stammtische, weil Kneipen schließen mussten. Online aber lässt sich verbaler Austausch lückenlos überwachen.

    Corona-Sünder: Wer die Isolation durchbricht, gerät schnell ins Visier. Foto: picture alliance / SZ Photo

    Auch die Kultur stirbt ab, jedenfalls das Kulturerleben: Dass Spielfilme seltener im Kino als via Streamingdienst oder DVD gesehen werden, war bereits vor Corona im Trend. Covid-19 bot die Chance zur Atomisierung weiterer Kollektiv-Events. Wieso sollten geschlossene Theater, Opern und Konzertsäle die Künstlerverträge kündigen und Ausfallgebühren zahlen? Stattdessen werden die Oper, das Konzert, das Ballett vor leerem Saal gespielt und ins Netz übertragen. Schnell waren Online-Spielpläne für kostenpflichtige Streaming-Plattformen erstellt. Mit von der Partie: die Pariser Oper, die Berliner Staatsoper Unter den Linden, die Wiener Staatsoper und die New Yorker Metropolitan Opera. Weitere zogen nach. Die Münchener Kammerspiele setzen mit Yung Faust eine gegenderte Goethe-Inszenierung ins Netz.

    (…)

    Kriegszustand und Denunziation

    Seit der Jahrtausendwende hat der Staat bereits zahllose Bürgerrechte im Namen der Sicherheit oder des Vorgehens gegen sogenannte Hassrede ausgehebelt. Mittels der Corona-Hysterie wurden dann in wenigen Tagen rechtliche Hürden beiseite geräumt, für die man ansonsten Jahre gebraucht hätte. Die Schockstarre der demokratischen Öffentlichkeit war ebenso total wie die Allmacht der Exekutive. In Frankreich reichte das so weit, dass Präsident Emmanuel Macron den «Kriegszustand» ausrief, um extreme Ausgangssperren zu begründen.

    Gäbe es Corona nicht, die Machthaber würden es erfinden.

    Im Morgengrauen des neuen Totalitarismus erwacht das Denunziantentum. Die Selbstermächtigung mentaler Zwerge zu Blockwarten hat durch Corona-Gesetze neue Vorwände erhalten: Kann ich meinen ungeliebten Nachbarn als Gesundheitsschädling anzeigen? Feiern die jungen Leute in der WG über mir Party? Oder noch schlimmer: Schleicht sich da einer zum Arbeiten aus dem Haus?


    Martin Schallbruch, ehemaliger Abteilungsleiter für Digitalisierung im Bundesministerium des Innern, forderte als Gastautor im Tagesspiegel: «Lockdown ja – aber nur für Gefährder!» Menschen «mit Maske und App» dagegen «sollten raus dürfen»… Und da autoritäre Politik gehorsame Untertanen braucht, erklärte uns die gleiche Zeitung, «Warum wir Schröder und Merkel dankbar sein müssen». Richtig gelesen: dankbar sein. Wie guten Eltern gegenüber. (Ende der Auszüge)

    COMPACT-Gesundheit: Corona. Was uns der Staat verschweigt!Was uns der Staat verschweigt:
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    Der Staat verschweigt uns,
    * dass das Virus nur für Risikogruppen gefährlich ist. COMPACT lässt Top-Virologen, die der Panikmache widersprechen, unzensiert zu Wort kommen.
    * dass die Stilllegung des Wirtschaftslebens besonders den Mittelstand in seiner Existenz bedroht – und medizinisch unnötig ist. COMPACT zeigt die Alternativen zur Alternativlosigkeit der Regierung auf.
    * dass hinter der aktuellen Hysterie, ebenso wie früher bei der Vogel- und Schweinegrippe, die Profitinteressen der Pharmaindustrie stehen. Hier erhältlich.

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