Meike Büttner arbeitete viele Jahre im etablierten Medienbetrieb und war «ultralinks», wie sie selbst sagt. In einem Youtube-Video hat sie nun ein dunkles Geheimnis gelüftet – und will damit den Scheinwerfer auf Täter richten, die im Verborgenen agieren. Es folgen Auszüge aus dem Interview. Vollständiger Erstabdruck in COMPACT 07/2020.

    _ Meike Büttner im Gespräch mit Daniell Pföhringer

    Frau Büttner, Sie sind mit einem Video an die Öffentlichkeit gegangen, in dem Sie davon berichten, dass Sie in frühester Kindheit sexuell missbraucht wurden. Warum haben Sie so lange geschwiegen?

    Ich habe mich lange Zeit nicht an die ersten acht Jahre meines Lebens erinnern können. Das kommt erst jetzt zurück, in Flashbacks, also Stück für Stück. Inzwischen ist mir klar, dass ich – wie auch andere Kinder – systematisch sexuell missbraucht wurde, und zwar innerhalb eines Netzwerks, aus dem ich mit etwa achteinhalb Jahren in irgendeiner Form befreit wurde. Wie genau das alles vonstattenging und wer da welche Rolle spielte, ist für mich noch nicht gänzlich klar.

    Wie gehen Sie damit um, wenn solche Erinnerungen als Einbildung abgetan werden?

    Diese Behauptung wurde ja hauptsächlich von der US-amerikanischen False Memory Syndrome Foundation aufgestellt, die sich Ende letzten Jahres aufgelöst hat. Deren Gründer ist ein Mathematiker, der von seiner Tochter wegen sexuellen Missbrauchs angeklagt worden war und daraufhin das Falsche-Erinnerungs-Syndrom erfunden hat. In der Psychologie ist das nie anerkannt worden.

    Die Erinnerungen kommen Stück für Stück zurück.

    Aus Ihren Schilderungen könnte man schließen, dass auch Ihr Elternhaus involviert gewesen ist.

    Ich war in meiner Kindheit immer irgendwo unterwegs: Reiten, Tennis, Voltigieren, Ballett, Klavierunterricht und so weiter. Sagen wir es mal so: Dadurch, dass ich so viel herumgereicht wurde, sind auch viele Menschen involviert.

    Nun weichen Sie aus…

    Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich die Namen der Verantwortlichen nicht öffentlich nennen kann – jedenfalls nicht zum jetzigen Zeitpunkt.

    Es stellt sich aber automatisch die Frage nach dem familiären Umfeld.

    Das finde ich auch gut. Ich möchte die Menschen zum Selberdenken anregen. Und manchmal sagt nichts zu sagen auch mehr aus, als etwas zu sagen. Vielleicht noch dies: Ich möchte unbedingt meinen Vater schützen, weil ich überzeugt bin, dass er von allem nie etwas wusste. Ansonsten überlasse ich es dem fleißigen Geist eines jeden, selber mal ein bisschen darüber nachzudenken.

    Das lasse ich mal so stehen.

    Wir sprechen über ein Netzwerk. Es gibt keine Einzeltäter. Wenn ich jetzt sage, dieser oder jener hat mir was angetan, dann ist das nur einer von vielen hundert Tätern. Und diese Menschen haben in ihrer Kindheit oft selbst so etwas erlebt, sind also gefangen in diesem System.

    Maike Büttner: Unsere Interviewpartnerin ist auch eine talentierte Musikerin. 2010 schrieb sie für die B.Z. über ihre Erfahrungen bei der Casting-Show DSDS. Foto: picture alliance / dpa

    Warum setzt sich das fort?

    Man muss verstehen, dass das ein sehr großes Netzwerk ist – viel größer, als man es sich vorstellt. Viele Menschen sind eingespannt und werden dadurch erpressbar gemacht. Es geht nicht nur um Triebbefriedigung, man möchte auch, dass die durch Missbrauch traumatisierten Kinder Teile ihrer Psyche abspalten und neue Persönlichkeitsanteile herausbilden, also eine dissoziative Identitätsstörung entwickeln. Sie lassen sich dann besser kontrollieren. Darüber hinaus gibt es einen, wenn man so will, spirituellen Aspekt.

    Also ritueller Missbrauch?

    Es sind nicht nur diese satanischen Rituale, die man jetzt vielleicht im Kopf hat. Der Missbrauch geschieht tagtäglich. Ich sagte ja, dass ich als Kind in vielen Vereinen war und da mit unterschiedlichen Erwachsenen zu tun hatte. Es ist also schon auch so etwas wie ein Herumreichen im Alltag, wo man mal hier und mal da befummelt, fotografiert oder missbraucht wird. Dieses Netzwerk ist sehr gut organisiert – und diese Leute sind sehr erfolgreich beim Verdecken ihrer Aktivitäten.

    Warum das so ist, wurde mal in einer Tatort-Folge angedeutet. Die Täter kamen aus Justiz und Politik. Entspricht das der Realität?

    Ja, solche Leute sind dabei, aber auch Ärzte oder Wissenschaftler. Ich erinnere mich an Veranstaltungen, wo ich als Kind ganz allein inmitten solcher Menschen war.

    Das Netzwerk ist größer, als man es sich vorstellt.

    In Fällen wie in Lügde, Bergisch Gladbach oder jetzt Münster haben wir es aber nicht mit Leuten in gehobenen gesellschaftlichen Positionen zu tun – ganz im Gegenteil.

    Das sind dann sozusagen die Opferlämmer.

    Handlanger wie Dutroux?

    Natürlich auch selbst Täter, aber nur am untersten Ende. Und vielfach vorher ebenfalls Opfer. In Netzwerken dieser Art gibt es das sogenannte Grooming: Man sucht sich gezielt Menschen aus, die in irgendeiner Form bedürftig sind. Die lassen sich leicht kontrollieren. Wenn jemand einsam und arm ist, und ich beschäftige mich mit ihm, biete ihm Geld, dann tut er mir natürlich auch gerne den einen oder anderen Gefallen.

    Wozu solche Strukturen?

    Es geht um Kontrolle. Alles, was in diesem Umfeld passiert, läuft immer darauf hinaus. Überwachung, Kontrolle, Strafen.

    Unendliches Leid: 2019 wurden in Deutschland 15.701 Kinder polizeilich erfasst, die Opfer von sexuellem Missbrauch wurden. Die geschätzte Dunkelziffer liegt zwischen 1:15 (BKA) und 1:20 (Opferberatung). Foto: ESB Professional / Shutterstock.com

    Und der spirituelle Aspekt? Welchen höheren Sinn soll das Quälen von Kindern haben?

    Alle anderen Überlebenden, die ich bisher kennengelernt habe, sind, wie ich, sehr spirituell. Im Grunde haben wir unsere Erlösung durch Spiritualität gefunden. Für die breite Masse mag das keine Relevanz mehr haben, aber auch die Kreise, über die wir hier sprechen, glauben an höhere Mächte.

    In einer Welt der Dualität kann man das – auch wenn das für moderne Ohren jetzt seltsam oder naiv klingen mag – auf «helle Macht» versus «dunkle Macht», Licht und Schatten oder Gut gegen Böse herunterbrechen. Ob man selbst daran glaubt, spielt gar keine Rolle. Wichtig zu wissen ist, dass es Leute gibt, die daran glauben und die versuchen, die dunkle Form davon anzuzapfen, sich also Kräfte zunutze zu machen, die sie als gegeben annehmen.

    Ein Tatort war Ihren Erinnerungen zufolge die Wewelsburg, die früher von der SS genutzt wurde. Räumlichkeiten im Nordturm lassen vermuten, dass dort auch rituelle Feiern stattfanden. Ließen sich Ihre Peiniger dadurch inspirieren?

    Eine meiner prägnantesten Erinnerungen ist die von blonden Kindern in Käfigen, die ich dort gesehen habe. Blond und blauäugig wie ich. Das macht mich schon stutzig, denn genau so sollten deutsche Kinder nach Vorstellung der Nazis ja möglichst aussehen. Andererseits gucken die Leute immer nur auf den Nordturm mit dieser Kultstätte. Ich erinnere mich mindestens an ein Mal, wo ich gemeinsam mit Menschen in Kutten eben genau den anderen Turm betrat.

    Man sollte sich auch mal mit dem Südturm beschäftigen, der permanent renoviert wurde und wo in den letzten Jahren auch unterirdisch gebaut wurde. Nicht außer Acht lassen sollte man, dass die Kirche in der Region eine große Rolle spielt. Ich war als Kind mehrere Male auf der Wewelsburg, davon mindestens zweimal im Rahmen von Kirchenfreizeiten. Ich erinnere mich auch ganz konkret an einen Kirchenmann, der mich dort gejagt hat. Mich und andere Kinder.

    Solche Leute können aber nur zur Rechenschaft gezogen werden, wenn Sie benannt werden.

    Klar, wir brauchen irgendwann einmal faire Gerichtsverfahren mit Verurteilungen. Nur ist es dafür noch viel zu früh. Man muss sich nur mal den Fall Sachsensumpf anschauen. Die Verantwortlichen werden nie zur Rechenschaft gezogen, weil diejenigen, die dafür sorgen könnten, mit im System stecken.  (Ende des Auszugs)

    _ Meike Büttner (*1982) ist freie Journalistin und arbeitete unter anderem für den «Tagesspiegel», die «Süddeutsche Zeitung» und «The European». 2013 veröffentlichte sie unter dem Pseudonym Maike von Wegen bei Droemer Knaur ihr Buch «Mutterseelenalleinerziehend», in dem sie von ihrem Alltag als alleinstehende Mutter berichtet. Auf ihrem Youtube-Kanal «Bämm» beleuchtet sie seit einigen Wochen die Methoden des Kinderschänder-Netzwerks.

    COMPACT ist mit seiner neuen Ausgabe tief in den Kaninchenbau der Pädokriminalität vorgedrungen – und zwar dort, wo er verführerisch glitzert: in die Traumfabrik Hollywood. Dort, wo sich der als Vergewaltiger verurteilte Produzent Harvey Weinstein mit Jeffrey Epstein traf, dem „erselbstmordeten“ Chef des High-Society-Lolita-Schänderrings; dort, wo Lady Gaga und der einstige Teenie-Star Katy Perry dem Teufel ihre Treue schworen; dort, wohin die postmoderne Okkultisten Marina Abramovic ihre Fangstricke auswarf. „Satan in Hollywood. Das dunkle Geheimnis der Reichen und Schönen“, können Sie hier bestellen

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