Ernst Jünger, dessen 125. Geburtstag sich vor wenigen Tagen ereignete, ist zweifellos ein Popstar der Rechten. Doch auch manch Linker fand Gefallen an dem Schriftsteller, der mit seinem Werk In Stahlgewittern den Frontsoldaten des Ersten Weltkriegs ein literarisches Denkmal setzte. Unser Jünger-Angebot zum Jubiläum finden Sie HIER.

    Ein absoluter Jünger-Fan ist COMPACT-Kolumnist Martin Sellner. In seiner Hommage an den Abenteurer und feinsinnigen Zeitdiagnostiker in unserem Jünger-Dossier in COMPACT 3/2020 („Jüngers Botschaft: „Was wir lernen können“) schreibt der Österreicher:

    Jünger-Porträt von Rudolf Schlichter (1929). Der Künstler war lange Zeit Kommunist. Foto: Repro Kunstdruckpostkarte

    „Begeistert und idealistisch war Jünger bereit, sich für das Reich an der Front erschießen, aufspießen oder in die Luft sprengen zu lassen. Ebenso begeistert betrieb er nach dem Ersten Weltkrieg mit seinem Bruder Friedrich Georg politische Agitation und wurde zum elitären Vordenker der Nationalrevolutionäre. Vom hochdekorierten Kriegshelden zum – von der Polizei bespitzelten – Autor umstürzlerischer Schriften folgte Jünger ebenso seinem rebellischen Herzen wie Jahrzehnte später der Franzose Dominique Venner. ‚Konservativ waren sie aus Sehnsucht, revolutionär aus Verzweiflung. Einen Kompromiss gab es für sie nicht‘, so bringt Fritz Stern das Lebensgefühl der Konservativen Revolution und der Jünger-Jugend auf den Punkt.“

    Jüngers gesamtes Werk, so Sellner weiter, „ist eine philosophische Auseinandersetzung mit dem Nihilismus, der Moderne und der modernen Technik. Wenn er auch seine Haltung zu diesen Phänomenen änderte, so blieb ein roter Faden bestehen: die Suche nach einem echten, sinnerfüllten Leben und der Ekel vor der oberflächlichen Einrichtung in dem noch Bestehenden.

    Dies sind die Leitmotive, die sich vom Frontsoldaten über den Arbeiter und Anarchen bis hin zum Waldgänger in allen Figuren seines Denkens niederschlagen. Seine Romane wie auch seine philosophischen Schriften sind ein Aufbegehren gegen Mittelmaß und Massengesellschaft. Er will den Leser nicht nur unterhalten, sondern stellt ihm stets die Frage nach einem ‚richtigen Leben im Falschen‘. Für ihn ist klar: Ohne ein klares Ziel und ein Ideal ist das Leben unerträglich. Nur wer ein Wozu hat, erträgt jedes Wie.“


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    Weiten Teilen des Justemilieu galt der Jahrhundertliterat als anrüchig, einige Linksintellektuelle schienen es sogar als ihre Lebensaufgabe zu betrachten, Jünger beharrlich nachzustellen und sich unablässig an ihm abzuarbeiten. Doch der Weise aus Wilflingen hatte im linken Spektrum auch einige Fans.

    Joschka Fischer 1973 in der Frankfurter Uni bei einem Teach-in zum Häuserkampf im Westend. Foto: Screenshot Youtube

    So vertraute Joschka Fischer dem Journalisten Matthias Matussek einmal an, er habe während seiner militanten Phase Jüngers Drogenbuch Annäherungen  gelesen wie die Bibel. Als Jünger 1982 den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt am Main erhielt, nahm Fischer den Geehrten in der Sponti-Zeitschrift Pflasterstrand  in Schutz und gab zu bedenken, politische Anklageschriften gegenüber Literaten verbreiteten „ein penetrantes Düftchen von Zensur“.

    Die Satirezeitschrift Titanic widmete Jünger zum 100. Geburtstag sogar ein eigenes, in psychedelisch-bunten Farben leuchtendes Cover, der Aufmacher lautete „Drogengott Ernst Jünger feiert 100 Jahre Ecstasy“. Ein weiterer Linker, der sich zu Jünger bekannte, war der Sozialdemokrat und gelernte Buchhändler Martin Schulz. Auf der Leipziger Buchmesse vor drei Jahren lobte der damalige SPD-Kanzlerkandidat insbesondere Jüngers Alterstagebücher Siebzig verweht.

    Bei der Berliner Zeitschrift Tip, die in den 1980er Jahren ein wichtiges Organ der linksalternativen Szene war, hatte der Underground-Schriftsteller Jörg Fauser (Der Schneemann) längere Zeit eine feste Kolumne. Fauser löste 1982 eine wahre Flut an Leserbriefen aus, als er Jünger 1982 in der Debatte um die Verleihung des Goethe-Preises vehement verteidigte.


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    In seinem Text „Das Risiko der Erkenntnis“ warf er jenen, die Jünger den Preis damals verweigern wollten, vor „genau jenen miesen Blockwartsmief, jenen unerträglichen Ruch geistigen Schnüffelantentums und politischer Verhetzung und Verleumdung“ zu verbreiten, „der so unverwechselbar zur Struktur des Totalitarismus gehört wie Massenaufmärsche und Massentransporte – ja diese erst ermöglicht.“ Fauser stellte weiter fest: „Gesinnungsdiktaturen haben Tradition in diesem Land; ihren Anfängen ist auch dann zu wehren, wenn sie unter so blühenden Decknamen wie jenem der Ökologie und auf Umweltpapier auftreten.“ Ein Seitenhieb gegen die damals aufkommenden Grünen!

    Was Jünger für den Kult-Schriftsteller und Tip-Kolumnisten so interessant machte, das war der Impuls des Autors der Stahlgewitter, „das Risiko der Erkenntnis auch gegen die Logik von Masse und Macht und die Tugendwächter öffentlicher Moral zu suchen.“ Deshalb hätte, so Fauser, „die Jury, die den Goethe-Preis verliehen hat, einen bequemeren Preisträger finden können – einen würdigeren nicht.“


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