Ein Etappensieg folgt dem nächsten – Corona sei Dank: Nach Beschallung dieser Republik mit dem Muezzin-Aufruf zum Freitagsgebet in vielen Gemeinden hierzulande findet dieses gleich in einer christlichen Kirche statt. Angesichts knapper Räumlichkeiten aufgrund der Corona-Gebote stellte die Evangelische Martha-Gemeinde in Berlin Kreuzberg zum Ende des Ramadans ihr Gotteshaus für Muslime zur Verfügung.
Pfarrerin Monika Matthias freut sich darüber – einige Christen nicht so sehr. Auch nicht über die wegen der Corona-Krise eingeführte Sonderregelung, nach der in einer Vielzahl deutscher Städte Muezzine die Gläubigen zum Gebet rufen durften, das zum Fastenmonat Ramadan nicht wie gewohnt stattfinden konnte. Zwar stand dieser per Lautsprecher durch die Straßen hallende „Adhān“ teilweise massiv unter Kritik, da er anders als das christliche nonverbale und von daher neutrale Glockengeläut eine theologisch wertende Botschaft durch den Muezzin enthält. Doch da man sich nicht von Ausländerräten und Islamverbänden den Vorwurf „Intoleranz“, „Ungleichstellung von Christen und Muslimen“ oder „Islamophobie“ einhandeln wollte, wurde dem Wunsch vieler muslimischer Gemeinden stattgegeben.
Gut erinnerlich ist die Versammlung einer Menschenmenge von mehr als 300 Personen vor der Dar As-Salam-Moschee in Berlin, mehrheitlich Männer, die nach dem Muezzinaufruf zusammenkamen. Dies wurde in zahlreichen Kommentaren unter den in sozialen Medien geposteten Videoaufnahmen als Sieg über die Ungläubigen, die Unterdrücker der Muslime, aufgefasst. „Aus Spanien kamen gar Aufnahmen mit dem Hinweis, dass endlich nach 500 Jahren der Muezzin wieder zu hören und der Sieg der Muslime über die Ungläubigen nicht mehr fern sei. Die Muslime würden sich zurückholen, was ihnen einst genommen wurde“, schreibt Seyran Ates, Rechtsanwältin, Bürgerrechtlerin, Autorin und Mitbegründerin der liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee in Berlin – der einzigen, in der Frauen gleichberechtigt neben Männern beten dürfen…
Volker Münz, religionspolitischer Sprecher der AfD, sieht ebenfalls im Muezzin-Ruf einen „Machtanspruch“ des Islam, auch gegenüber dem christlichen Gott. Schließlich heißt „Allahu akbar“ – zumeist fälschlich mit „Allah ist groß“ übersetzt – korrekterweise: „Allah ist der Größte“. Und so befürchtet der Psychologe und Islamkritiker Ahmad Mansour gar weniger anstelle von mehr Solidarität, weitere gesellschaftliche Spannungen, denn der Tenor von Videos im Internet, die Gebetsrufe in Deutschland zeigen, sei: „Seht mal, Deutschland ist muslimisch.“ Für Verfassungsrechtler Kyrill-Alexander Schwarz hingegen gehören die Muezzinrufe „aus rechtlicher Perspektive zur Religionsfreiheit dazu“, wie er gegenüber der Tageszeitung Die Welt einräumte. Nur „zu häufig“ dürften sie nicht erschallen und nicht zu laut – und sie dürften nicht zur Missachtung der Infektionsschutzregeln führen.
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Die Grünen plädieren – auch über den Ramadan hinaus – für gleiche Maßstäbe wie bei anderen Religionsgemeinschaften. Nun ist der Islam gar in christlichen Gotteshäusern angekommen, weil bei inzwischen rund 2800 Moscheen hierzulande (auch) angesichts des Abstandsgebots der Platz nicht reiche, so das Argument.