Wie kein zweiter verteidigte Max Stirner die Freiheit des Individuums gegenüber Staat und Gesellschaft. Seine Impulse reichen bis in die Gegenwart – und sind in Zeiten des Corona-Konformismus notwendiger denn je. Ein Auszug aus COMPACT 10/2021. Hier bestellen.

    Er war ein stiller Mann. Wenn er sprach, dann auffallend höflich. Seine Existenz verlief so bescheiden und zurückgezogen, dass man wenig über ihn weiß. Er wohnte in kleinen, spartanisch eingerichteten Wohnungen in Berlin. Wichtig waren ihm lediglich – und da gab es kein Pardon – gute Zigarren. Für die und ein paar Gläser Wein reichte das magere Einkommen.

    Magna Charta des – positiv gewendeten – Egoismus: Stirners Hauptwerk. Foto: Liwi-Verlag

    Es sind die einsamen Wanderer, die die Welt am nachhaltigsten umkrempeln. Noch ein Jahrhundert später empörte sich der Staatsrechtler Carl Schmitt über unseren Zigarrenfreund: «Ein verkommener Studiker» sei er gewesen, «ein Knote, ein Ich-Verrückter, offenbar ein schwerer Psychopath». Das war die späte Abrechnung mit einem Denker, den Schmitt als Primaner verehrt, dessen Wahrheit er aber später verdrängt hatte.

    Der Kritisierte war pures Dynamit, sein bürgerlicher Name jedoch ebenso unauffällig wie sein Auftreten: Johann Caspar Schmidt. Bekannt wurde er indes unter dem Pseudonym Max Stirner. Der Nachname verweist nicht auf geistigen Anspruch – er bekam ihn aufgrund seiner hohen Stirn von Schulkameraden verpasst.

    Das große Ich

    Geboren 1806 in Bayreuth, fällt Stirners Wirken in die Zeit des Vormärz. Die intellektuelle Szene wurde damals von Hegel-Schülern wie Bruno Bauer, Ludwig Feuerbach oder David Friedrich Strauß dominiert. Die hatten den religionskritischen Ansatz der Aufklärung radikalisiert: Die Existenz Jesu, so glaubte Bauer, lasse sich historisch nicht nachweisen. Mit diesem Abbruch der konfessionellen Fundamente wurde auch die staatliche Macht infrage gestellt.

    Anders als heute besaß der Atheismus revolutionären Sprengstoff. Den griff die Hegel‘sche Linke begierig auf und erhob ihn zum Ausgangspunkt ihrer Weltsicht. Stirner lernte Bauer im Berliner Zirkel Die Freien – einem Debattierclub in Hippels Weinstube am Gendarmenmarkt – persönlich kennen. Zu dem Kreis gehörte zeitweise auch Friedrich Engels, der eine Skizze unseres Protagonisten anfertigte – neben einem Jugendbildnis das einzig überlieferte Porträt des Denkers.

    «Offenbar ein schwerer Psychopath.» Carl Schmitt

    Seinen philosophischen Paukenschlag ließ Stirner mit Der Einzige und sein Eigentum  (1844) erschallen – eine radikale Selbstermächtigung des Individuums gegenüber den Forderungen von Herrschern und Gesellschaft. «Was soll nicht alles meine Sache sein! Vor allem die gute Sache, dann die Sache Gottes, die Sache der Menschheit, der Wahrheit, der Freiheit, der Humanität, der Gerechtigkeit», empörte er sich.

    Befreiung: Stirners Motivation war es, den Sklavenmenschen zu befähigen, sich seiner Unmündigkeit zu entledigen. Damit stand er in der Tradition Kants. Foto: Mopic/Shutterstock

    Der außergewöhnliche Denker, der demons­trativ Wörter wie «ich», «mich» oder «mein» groß schrieb, wies diese Forderungen zurück. Stattdessen «stelle Ich denn Meine Sache (…) auf Mich». Noch pointierter formuliert: «Mir geht nichts über Mich!» Damit ist kein rücksichtsloser Egoismus gemeint. Vielmehr geht es darum, die gesamten Entfremdungsprogramme, Ideologien, Moralismen, Vorschriften, die den Einzelnen im Laufe seines Lebens prägen, die er irrtümlich für sein eigenes Denken und Fühlen hält, zu erkennen, zu dekonstruieren und endgültig zu löschen.

    Erst nach Abwurf der Über-Ich-Fremdlast erkennt man, wer man eigentlich ist, was man ist. Man wird zum Schöpfer seiner selbst, realisiert sein Eigenes. Das praktische Resultat ist für Stirner keine Revolution gegen den Staat, sondern eine «Empörung» (im Sinne von emporwachsen), eine Emanzipation von ihm.

    Perspektiven der Freiheit: Dieser Band versammelt Aufsätze zeitgenössischer Experten in der Tradition Stirners und anderer Freiheitsdenker. Mit Beiträgen von Vaclav Klaus, Markus Krall, Carlos A. Gebauer und vielen anderen. Die ultimative Impfung gegen Corona-Diktatur und Klimawahn. Hier bestellen.

    Moderne Kritiker wie Peter Sloterdijk fragen, ob ein Ich mit solchen eigensten Wünschen jenseits der Prägungen überhaupt existiert. Oder ob die mentalen Bestandteile einer Person durch äußere Formung überhaupt erst entstehen. Mit anderen Worten: Gibt es überhaupt ein Ich jenseits der Programmierungen?

    Aber selbst wenn Stirners Radikalität zu weit ginge: Eine kritische Kontrolle der eigenen Programmierung bleibt unerlässliche Voraussetzung für die Befreiung aus dem Netz von Manipulationen. Aktuelles Beispiel: Bevor ein Mensch sich einen kaum getesteten Impfstoff injizieren lässt, weil Politiker dieses Risikospiel zur moralischen Pflicht erklären, sollte er vorab fragen, ob damit sein Wunsch nach Selbsterhaltung nicht leichtfertig übergangen würde. Ob die moralinsauren Appelle ihn nicht zum Opfer machten.

    «Mir geht nichts über Mich!» Stirner

    Stirner selbst hat sich von sämtlichen Standards und Forderungen seiner Zeit befreit, sogar die Festanstellung als Lehrer aufgegeben – um sein schöpferisches Potenzial als Autor zu entfalten. Nur einmal unternahm er den Versuch, einen Milchhandel in Berlin zu gründen. Als dies misslang, folgte kein weiteres Vorhaben mehr. Auch seine zweite Ehe mit Marie Dähnhardt ging rasch zu Bruch. Er lebte in jeder Hinsicht als Einzelner. (…)

    Stirner und Steiner

    Indirekt hatte der Bayreuther, der 1856 in seiner Wahlheimat Berlin verstarb, auch Einfluss auf die Anthroposophie. Das Hauptwerk des frühen Rudolf Steiner, Die Philosophie der Freiheit  (1894), ist in seiner zweiten Hälfte stark durch den Einzigen inspiriert. Dies ist umso bedeutender, weil Steiner die Freiheitsphilosophie als Grundstein seiner Lehre verstand. (…) Ende des Textauszugs.

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