In den deutschen Kinos läuft gerade die Fortsetzung der Dune-Saga von Denis Villeneuve. An die philosophische Tiefe der literarischen Vorlage reicht auch diese Adaption nicht heran. Hollywood entschlüsselt: In COMPACT-Spezial „Satan, Pop und Hollywood“ deuten wir die großen Blockbuster ganz neu. Hier mehr erfahren.  

    Wir schreiben das Jahr 10191: Auf dem Planeten Arrakis hat der herrschende Padischah dem Hause Harkonnen die Kontrolle über den Abbau von Spice entzogen und die Schürfrechte an die rivalisierende Adelsfamilie Atreides übergeben. Die Atreiden siedeln auf den Wüstenplaneten um, werden jedoch bald Zielscheibe von Anschlägen und Sabotageakten, hinter denen die Harkonnen stecken. Diese übernehmen durch Terror und Intrigen wieder die Kontrolle über Arrakis. Allerdings haben sie nicht mit Paul Atreides, einem Spross der verfeindeten Dynastie, gerechnet.

    Jener Adelssohn wird von merkwürdigen Visionen geplagt. Sie künden von einem aufziehenden Heiligen Krieg – und seiner zentralen Rolle in diesem Ringen. Während der Kämpfe auf Arrakis freundet sich Paul Atreides mit den Fremen an, einem Nomadenstamm. Dies ist der Beginn von Ereignissen, die nicht nur die Geschichte seiner Familie, sondern die des galaktischen Imperiums und der gesamten Menschheit für immer verändern werden.

    Vierter Anlauf

    Mit Dune 2  hat sich der kanadische Regisseur Denis Villeneuve – nach Blade Runner 2049  (2017) – erneut an einen herausragenden Stoff der Science-Fiction gewagt. Bei dem Streifen, der auf der gleichnamigen Romanreihe des US-Autors Frank Herbert (1920–1986) aus dem Jahr 1965 basiert und als erster Teil einer Trilogie konzipiert ist, handelt es sich bereits um die dritte Adaption der literarischen Vorlage. Vorausgegangen waren David Lynchs Der Wüstenplanet  (1984) und die Miniserie Dune – Der Wüstenplanet  (2000) von John Harrison.

    Der erste Versuch, Herberts philosophisch anspruchsvolle Saga auf Zelluloid zu bannen, endete in einem Desaster. 1975 begann der chilenische Regisseur Alejandro Jodorowsky, Dune als spirituelles Epos mit einer geplanten Länge von knapp zehn Stunden zu verfilmen und konnte für das Projekt unter anderem Orson Welles, Salvador Dali und Mick Jagger als Darsteller gewinnen. Für den Soundtrack wurde Pink Floyd verpflichtet. Wegen der extrem hohen Kosten, die die ausgefallenen Ideen des Regisseurs verursachten, zogen sich die Geldgeber bald zurück – der Film blieb Fragment.

    Sandwurm im Artwork der Lynch-Verfilmung (1984): Die riesigen Tiere haben Arrakis durch ihren Wasserdurst nach und nach in eine einzige Wüste verwandelt. Foto: imago images/Mary Evans

    Und dennoch prägte er die Kinogeschichte enorm: Jodorowsky holte den französischen Comiczeichner Jean Giraud und den Schweizer Surrealisten HR Giger nach Hollywood. Ersterer drückte später Tron  (1982) seinen ästhetischen Stempel auf, die Entwürfe außerirdischer Monster des Letzteren wurden später durch Ridley Scotts Alien (1979) weltberühmt. Außerdem ließ sich George Lucas bei der Konzeption seiner ersten Star Wars-Trilogie (1977–1983) von dem Chilenen inspirieren.

    Dino De Laurentiis kaufte 1976 die Filmrechte an Dune. Nach einem erfolglosen Versuch, bei dem Ridley Scott als Regisseur geplant war, wurde 1984 schließlich unter der Regie von David Lynch die bislang bekannteste Adaption produziert. Doch an den Kassen erwies sich der Film als Flop, weshalb man die Idee einer Fortsetzung verwarf. Kritiker empfanden Lynchs Regie und Schnitt als viel zu verwirrend, dessen allzu freier Umgang mit Herberts Romanvorlage stieß auf Ablehnung.

    Näher an den Büchern war die dreiteilige TV-Serie, die der von Isaac Asimov mitgegründete SciFi Channel produzierte. Doch auch diese Filme blieben nicht ohne Kritik. Manchen waren sie zu trashig, einige bemängelten, dass der Erklärung der Dune-Welt zu viel Raum gegeben wurde. Dennoch war die Reihe ein voller Erfolg. 2003 gab es eine Fortsetzung, die die anderen Teile von Herberts Reihe umsetzte.

    Komplexer Stoff

    Herberts Romane gehören zu den anspruchsvollsten und komplexesten Werken der Science-Fiction-Literatur – so wie Tolkiens Herr der Ringe im Fantasy-Genre. Entsprechend herausfordernd ist der Stoff für jeden Filmemacher. Seine Inspiration zog der Amerikaner aus seiner Arbeit als Journalist. So ist auch Dune entstanden. Als Reporter berichtete Herbert über Projekte zur Bewässerung von Wüstengegenden. Dies floss – neben dem Interesse an islamischen Kulturen und alten Legenden – in sein Opus magnum ein.

    Auf den ersten Blick ist Dune  eine seriösere und erwachsenere Variante von Planetary-Romance-Geschichten, wie die John-Carter-Reihe von Edgar Rice Burroughs. Im Gegensatz dazu ist Herberts Wüstenplanet nicht mit dem Mars identisch, sondern viel weiter von der Erde entfernt. Sein Protagonist Paul Atreides ist kein strahlender Held, sondern ein Mensch mit all seinen Schwächen – ein «Mängelwesen», um es mit Arnold Gehlen zu sagen. Darüber hinaus finden sich in Dune auch Einflüsse von Generationenepen wie Asimovs Foundation-Zyklus, griechischen Sagen wie der des Ödipus, aber auch von Shakespeare-Novellen und historischen Figuren wie Lawrence von Arabien.

    Inspiriert von Heideggers Philosophie, beschreibt Herbert eine menschliche Gesellschaft der Zukunft, die stark durch Technisierung und Künstliche Intelligenz (KI) geprägt ist. Dadurch verkümmert das Seelenleben der Menschen – sie passen ihr Denken den Maschinen an. Gegen diese Entwicklung wendet sich eine Revolution, der sogenannte Butlerianische Dschihad.

    An dessen Ende wird die Nutzung von Technologie massiv eingeschränkt, KI wird komplett verboten. Die Gesellschaft wird nach traditionellen Prinzipien und auf Grundlage einer neuen Religion, die Elemente des Buddhismus und Taoismus, des Islam und der antiken griechischen Philosophie vereint, neu aufgebaut.

    Daraus entsteht ein galaktisches Feudalimperium, das von einem Padischah (Persisch für Großkönig) geführt wird. In dem Reich ringen Adelshäuser, aber auch okkulte Vereinigungen wie Bene Gesserit um die Macht. Neben der Religion spielt das Kriegerethos eine große Rolle. Statt auf Computer zu vertrauen, versucht man, den menschlichen Verstand durch mentale Trainings weiterzuentwickeln. Das biologische Geschlecht wird als fundamentaler Bestandteil der geistigen Natur des Menschen angesehen: Frauen werden eher auf Diplomatie und Empathie getrimmt, während Männer zu Kämpfern oder Mathematikern ausgebildet werden. Händler und Raumfahrer sind in Gilden organisiert, einige Gruppen wie die Fremen werden zu religiösen Nomaden.

    Zentraler Rohstoff des Imperiums ist das Spice, das nur auf Arrakis vorkommt. Es dient zum einen als Rohstoff für die Raumfahrt, hat aber andererseits auch die Wirkung einer entheogenen Droge: Die Substanz kann sowohl religiöse Visionen als auch telepathische Fähigkeiten und Hellseherei fördern. Weil Spice das Überleben des Imperiums sichert, ist es das Wertvollste überhaupt und wird hart umkämpft.

    Mit der Zeit setzt ein Niedergang des galaktischen Reiches ein, doch Prophezeiungen sagen die baldige Ankunft eines Messias voraus, der die Menschheit retten kann. Er trägt verschiedene Namen: Muad‘Dib, Kwisatz, Haderach oder Imam al-Mahdi. Die Bene Gesserit versuchen, vor allem durch Heiratspolitik und Eugenik, diesen Messias quasi heranzuzüchten.

    Nie auf der Leinwand: Entwurf von HR Giger für die geplante Verfilmung von Jodorowsky. Foto: HR Giger

    Kotau vor dem Zeitgeist

    Paul Atreides wird Anführer der Fremen, und es stellt sich heraus, dass er der vorausgesagte Messias ist. Mithilfe der Nomaden und anderer Verbündeter wird er der neue Padischah und versucht, das Imperium zu reformieren. Er versteht aber mit der Zeit, dass er – um die Prophezeiung zu erfüllen – den Untergang des Reiches nicht aufhalten kann, sondern zu Ende führen muss, damit ein neuer Zeitzyklus beginnen und aus der Asche des Imperiums eine neue menschliche Zivilisation entstehen kann.

    Es liegt auf der Hand, warum rechte US-Webzines wie Counter Currents an Dune einen Narren gefressen haben. Neben den Bezügen zu Heidegger finden sich in Herberts Epos Parallelen zum Denken von Friedrich Nietzsche, Julius Evola oder Oswald Spengler.

    Das beginnt bei der Technikskepsis, geht über die zyklische Weltsicht und das Kriegerethos und reicht bis hin zur Wiederbelebung traditioneller Geschlechterrollen. Andere Themen wie Drogenkonsum und fernöstliche Spiritualität sorgten für Popularität bei der Hippie-Bewegung und in Teilen der Neuen Linken.

    Darüber hinaus spiegeln sich in Dune auch ökologische Fragen: Grund für den Niedergang des galaktischen Imperiums ist nicht nur Sittenverfall, sondern auch der Eingriff in die Natur durch den exzessiven Abbau von Spice. Auf solche Aspekte wollte Jodorowsky in seinem Film den Fokus legen und zeigen, dass die Menschheit der Zukunft quasi biologische Raumschiffe nutzen müsse, die mehr an Lebewesen als an Technologie erinnerten.

    Von solchen Reflexionen ist die neue Dune-Adaption weit entfernt. Villeneuves düster-dräuende Dystopie ist zwar ein opulentes und atmosphärisches Stimmungsstück, dessen Bilder kongenial von der orchestralen Musik Hans Zimmers begleitet werden, doch der philosophische Tiefgang bleibt auf der Strecke. Dafür gibt es den einen oder anderen Kotau vor dem Zeitgeist. Die Rollenbesetzung wirkt, als folge sie konsequent Kriterien wie ethnischer Diversität und Geschlechtergerechtigkeit, aus dem rebellischen Nomadenvolk werden Klima-Kämpfer: Fremen for Future! Und doch: Dune 2 ist durchaus sehenswert – und für Science-Fiction-Fans ohnehin ein Muss.

    Hollywood entschlüsselt: In COMPACT-Spezial „Satan, Pop und Hollywood“ deuten wir die großen Blockbuster ganz neu – und enthüllen die okkulte Agenda der Film- und Musikindustrie. Jede Wette: Sie werden viele Kinostreifen und Popsongs mit ganz anderen Augen sehen. Hier mehr erfahren.  

    Ein Kommentar

    1. @Michael Kumpmann
      "…David Lynch und mit dem Musiker Sting in der Hauptrolle …"

      Nein, Stinkie spielte nicht die Hauptrolle im "Reichsparteitag der Wüste" (Reichsparteitag nannte irgend so ein verlogenes Schmuddelmagazins den Film, wegen der vielen Statisten), denn das war des Protagonisten "Paul Atreides" und nicht seines Widersachers.

      "… Händler und Raumfahrer sind in Gilden organisiert, einige Gruppen wie die Fremen werden zu religiösen Nomaden. …"

      Wenn ich das richtig aus dem Roman in Erinnerung habe, entstand die Gruppe der "Fremen" aus denen auf der Welt Arrakis gestrandeten Siedlern und das war vor dem, ich nenne es mal "Maschinenaufstand", wo es noch keine Raumfahrergilde der Navigatoren gab. Kann mich aber auch irren, die Lektüre ist ewig her.

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      COMPACT: Sie haben recht. Sting war in der Rolle des Feyd-Rautha Harkonnen zu sehen. Wurde korrigiert.