Sechsmal wurde die pommersche Hafenstadt Kolberg belagert zum letzten Mal im März 1945 von der Roten Armee. Der Zeitzeuge und Chronist Dr. Johannes Voelker schildert in seinem Werk „Die letzten Tage von Kolberg“ die militärische Lage und das Schicksal der Stadt, bevor sie von Sowjettruppen erobert wurde. Hier mehr erfahren.

    Im März 1945 erlebte Kolberg seine schwersten Stunden. Die Rote Armee stand vor den Toren der pommerschen Hafenstadt, die mit Flüchtlingen überfüllt war und zu diesem Zeitpunkt rund 80.000 Menschen beherbergte. Dr. Johannes Voelker, Historiker und langjähriger Studienrat am Domgymnasium Kolberg, war einer von ihnen.

    Am 4. März 1945 floh er mit seiner Familie aus seiner Heimatstadt, wurde jedoch von den Sowjetsoldaten aufgehalten und im Dezember 1945 von den Polen ausgewiesen. Über Belgard, Stagard und Stettin gelangte die Familie nach Berlin, Westfalen und schließlich nach Stade in Niedersachsen. Dort gründete Voelker 1947 einen Verein der Kolberger.

    Verteidiger Kolbergs: Oberst Fritz Fullriede wurde am 20. April 1945 zum Generalmajor befördert. Foto: CC0, Wikimedia Commons
    Verteidiger Kolbergs: Oberst Fritz Fullriede wurde am 20. April 1945 zum Generalmajor befördert. Foto: CC0, Wikimedia Commons

    Eine schier aussichtslose Lage

    Für die Reihe „Ostdeutsche Beiträge des Göttinger Arbeitskreises“ verfasste er in den 1950er Jahren eine Chronik über den Untergang Kolbergs 1945, die unter dem Titel „Die letzten Tage von Kolberg. Kampf und Untergang einer deutschen Stadt im März 1945“ neu erschienen ist. Darin stellt der Verfasser auch die militärische Lage der Stadt Anfang 1945 dar.

    Den großen Teil des Buches nehmen Tagebucheinträge zu den Kämpfen um die Stadt vom 4. März bis zum 18. März, was die damaligen Geschehnisse auf besonders eindringliche Weise vermittelt.

    Über den ersten Tag der Belagerung ist in „Die letzten Tage von Kolberg“ zu lesen:

    „Die Parteileitung hatte die Kolberger, um sie zu beruhigen, mit Vorspiegelungen über die wahre Lage getäuscht. Nur zu lange hatte sie voller Vertrauen auf die Haltbarkeit der Front geblickt. Im Allgemeinen hatte die Mehrzahl der Einwohner die ihnen drohende Gefahr noch nicht in ihrer ganzen Größe erkannt, obwohl der Russe immer weiter in die pommersche Heimat eindrang.“

    Noch am 3. März setzten die Kolberger Schulen ihren Unterricht fort. Voelker beschreibt in seinem Buch die Ahnungslosigkeit der überraschten Bevölkerung, als in der Nacht auf den 4. März, gegen zwei Uhr morgens, die Rote Armee an der Hohenbergschanze Stellung bezog: Meist völlig unvorbereitet seien die Kolberger „in eine namenlose Katastrophe gestürzt“ worden, so der Autor.

    Dann spitzte sich die Lage weiter zu. Voelker schreibt dazu in „Die letzten Tage von Kolberg“: „Der Russe erschien mit drei Divisionen vor Kolberg. Ihnen hatte der Kommandant (Oberst Fritz Fullriede) anfangs an Truppen 3.300 Mann entgegenzustellen, davon 2.200 Mann für den Infanterieeinsatz. Hinzu kamen 373 Marinesoldaten mit sieben Offizieren, Luftwaffen- und Volkssturm-Einheiten (der Volkssturm mit rund 700 Mann).“

    Und weiter:

    „Es schien unmöglich, die Stadt mit diesen wenigen Truppen gegen einen Gegner zu verteidigen, der mit schweren Panzerverbänden am 7.3. beiderseits Kolbergs zur Ostsee durchstieß, die Stadt einschloss und in den Tagen danach 20 schwere Batterien, zahlreiche Werferbatterien, Granatwerfer schweren Kalibers, Stalinorgeln und Teile polnischer Divisionen heranführte.“

    In dieser aussichtslosen Situation war Oberst Fullriede der Ansicht, „dass jeder diensttaugliche Mann sich dem Volkssturm zur Verfügung zu stellen habe, da es um das Leben der Frauen und Kinder ging, und dass jeder Kolberger die Pflicht hätte, nicht eher als nach deren Rettung an Bord zu gehen“, wie es in „Die letzten Tage von Kolberg“ heißt.

    Die Bevölkerung, vor allem Frauen und Kinder, sollte sich am 4. März um 19 Uhr am Bahnhof sammeln, um über See in Sicherheit gebracht zu werden. Unmittelbar nach dem Auslaufen der ersten Flüchtlingsschiffe fielen auch schon die ersten Bomben auf Kolberg.

    Einige der Schiffe steuerten Swinemünde an, das wenige Tage später, am 12. März, von Terrorbombern der US Air-Force dem Erdboden gleich gemacht wurde und mehrere tausend Tote zu beklagen hatte.

    Ohne politisch korrekte Verrenkungen

    Auch Kolberg hatte einen weiteren Leidensweg vor sich, den Chronist Voelker in seinem aufrüttelnden Werk schildert. Der Autor hält sich dabei nicht an später verordnete Sprechverbote und stellt die Lage ebenso dramatisch wie schonungslos dar. Aber stets in Treue zur alten Heimat und ohne politisch korrekte Verrenkungen.

    Er macht dabei deutlich: Nur eine zähe und aufopferungsvolle militärische Verteidigung von Stadt und Hafen bot den Bewohnern, Flüchtlingen, Verwundeten und Soldaten die Aussicht, über See zu entkommen und dem Schicksal von Gefangenschaft, Deportation und der Willkür unbarmherziger Sieger zu entgehen.

    Viele konnten gerettet werden – auch durch die überragende Organisation der Evakuierungen von Großadmiral Dönitz. Ihm setzt Johannes Voelker mit seinem Buch „Die letzten Tage von Kolberg“ letztendlich ein Denkmal.

    Einzigartig: Das Buch „Die letzten Tage von Kolberg“ zählt zu den wichtigsten Dokumenten über Verteidigung, Flucht und Vertreibung im deutschen Osten. 14 Tage lang konnte die Wehrmacht der Belagerung standhalten, dann wurde ihr Schicksal besiegelt. Johannes Voelker schildert ihren Todeskampf in eindringlichen Worten. Hier bestellen.

    9 Kommentare

    1. 12 Millionen deutsche Zivilisten wurden aus Osteuropa vertrieben – gewaltsam ihrer Häuser, ihres Eigentums und ihrer Staatsbürgerschaft beraubt. Über 2 Millionen Frauen und Kinder wurden am Kriegsende vergewaltigt. Viele von ihnen starben oder nahmen sich selbst das Leben. Hunderttausende verhungerten. Diese ethnische Vertreibung war die größte in der Menschheitsgeschichte.
      https://www.dailymotion.com/video/x7uflp0

      • "12 Millionen …."

        Nein. Ich lag am nächsten mit der Zahl 13 dran, doch es waren sogar 14.

    2. @Compact

      Ich möchte an dieser Stelle einmal "DANKE" sagen für Ihre guten Beiträge über die wunderbare und auch traurige Geschichte Deutschlands. Auch dieser Artikel und das darin erwähnte Buch sind wieder ein wichtiger Beitrag gegen das " große Vergessen" . Mir und auch meinen Kindern hat man nur die Verbrechen der Nazis gelehrt, kritische Fragen wurden nicht geduldet. Die abscheulichen Greueltaten der Alliierten waren entweder in keinem geschichtlichen Lehrbuch zu finden oder minimierten sich auf wundersame Weise, je größer die zeitliche Distanz zu besagten Verbrechen wurde. Man muß sich schon selbst auf die Suche nach der Wahrheit machen, oder man bleibt ein Leben lang auf den verlogenen Dreck der Alliierten angewiesen. 15 Millionen Deutsche wurden nach der Kapitulation von den Alliierten ermordet, Millionen aus ihrer Heimat vertrieben. Erinnert sich noch jemand an das Lied "Revolution" von Chris de Burgh , das mit den Worten endet :
      NEVER FORGET !!?

    3. Würde gerne einige Tippfehler in meinem Kommentar verbessern und den Beitrag zeilengerecht konfigurieren, geht das nicht?

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      COMPACT: Im Nachhinein geht das leider nicht. Sie können aber eine Korrekturnotiz druntersetzen.

    4. Hinsichtlich der Fahrt der Schiffe nach der Lazarettstadt Swinemünde entstand eine kleine Ungenauigkeit: der verheerende Angriff der amerikanischen Bomberflotte am 12.3.45 "erreichte" etwa 25000 Einwohner und etwa 25000
      Flüchtlinge, hauptsächlich aus Ostpreußen, Verwundete und kranke Soldaten, mithin wurden tatsächlich etwa 25000,
      also die Hälfte der damaligen Bewohner v. Swinemünde einen schrecklichen Tod, auch auf den überfüllten Schiffen
      im Hafen, die keine Behausung in der Hafenstadt finden konnten. Ihre Beschreibung §einige tausend" ist also stark
      untertrieben, wenn die Hälfte der Einwohner ums Leben gebracht wurden! Dabei bleibt auch unberücksichtigt, daß zahlreiche Bauten als Krankenhäuser oder Heime mit Rot-Kreuz-Flaggen gekennzeichnet waren, was die Piloten na=
      türlich erkennen konnten. Die Zahlen für die Bombentonnage sind mir momentan nicht erinnerlich, aber sie sind auch
      wieder einen Vergleich mit der über Dresden bei 3 Angriffen am 13. u. 14.2.45 und der dort angeblichen nur höchstens
      25000 Todesopfer wert, die in Dresden mit einer ungleich höheren Tonnenlast "erzielt" wurden.

    5. "Deutsche" von heute träumen nicht von Kolberg, sondern von New York. Oder von Kanada oder Australien oder … – ich hatte gerade am Wochenende wieder eine absolut ernüchternde Begegnung mit einer in NRW lebenden Schwester. Die merken nichts mehr. Die weckt auch keiner mehr auf. Die sind so absolut zufrieden in ihrem amerikanischen Traum … – die Menschen, die im Film ‚Matrrix‘ vernutzt werden … sind ein Dreck dagegen…

      • Otto

        Ich lebe in NRW und kann Ihnen nur zustimmen. Die weckt wirklich niemand mehr auf. Die sind so gehirngewaschen und dämlich, da ist Hopfen und Malz schon lange verloren.

    6. Ja, sucht mal in dem Buch nach einem Hinweis, daß die Menschen damals nur wegen der "verleumderischen Propaganda" vor den lieben ,guten Russen nach Westen geflohen sind.

      ————-

      COMPACT: Hat nie jemand behauptet.

    7. Walter Bornholdt am

      Am Tag als Kolberg fiel, wurde im ‚Restdeutschland‘ der Farbfilm KOLBERG uraufgeführt!
      Einige Motive daraus wurden später von der DEFA im 5-teiligen Spielfilm SCHARNHORST verwendet.