Polizeibeamte, die exzessive Gewalt anwenden, müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Belege für grassierende, rassistische Vorurteile gibt es jedoch nicht.

    Lesen Sie mehr zu diesem Themenkreis in der aktuellen COMPACT 7/2020, die ihm ein komplettes Dossier gewidmet hat.

    _von Heather Mac Donald

    George Floyds Tod in Minneapolis hat das Narrativ aus der Obama-Ära wiederbelebt, dass Rassismus integraler Bestandteil der Strafverfolgungsbehörden sei. Am Freitag twitterte Barack Obama, dass es für Millionen schwarzer Amerikaner „tragisch, schmerzhaft, unerträglich normal“ sei, von der Strafjustiz aufgrund der Rassenzugehörigkeit unterschiedlich behandelt zu werden. Obama rief die Polizei und die Öffentlichkeit dazu auf, eine „neue Normalität“ zu schaffen, in der Scheinheiligkeit nicht länger „unsere Institutionen und unsere Herzen vergiftet“.

    Joe Biden veröffentlichte am selben Tag ein Video, in dem er unterstrich, dass alle Afroamerikaner wegen der „schlimmen Polizei“ um ihre Sicherheit fürchteten und ihren Kinder das Erdulden von Polizeigewalt nahelegten, damit sie es überhaupt „nach Hause schaffen“. Damit griff er Herrn Obamas Behauptung nach der heimtückischen Ermordung von fünf Polizeibeamten im Juli 2016 in Dallas auf. Während des Gedenkgottesdienstes sagte der Präsident, dass afroamerikanische Eltern zu Recht Angst davor hätten, dass ihre Kinder von Polizeibeamten ermordet werden könnten, sobald sie das Haus verließen.

    Der Gouverneur von Minnesota, Tim Walz, prangerte auf einer Freitäglichen Pressekonferenz den „Schandfleck … des alles durchdringenden, institutionellen Rassismus‘“ bei den Strafverfolgungsbehörden an. Er behauptete, Schwarze hätten Recht, wenn sie versprochene Polizeireformen als leeres Geschwätz abtäten.

    Dieser Vorwurf der systemimmanenten Vorurteile der Polizei war schon während Obamas Präsidentschaft falsch und ist es auch heute noch. So entsetzlich das Video von Floyds Verhaftung auch sein mag, ist es dennoch nicht repräsentativ für die 375 Millionen jährlichen Kontakte, die Polizeibeamte mit der Zivilbevölkerung haben. Eine solide Beweislage zeigt, dass sich die Strafjustiz bei Verhaftungen, Strafverfolgung oder Urteilen nicht von strukturimmanenten Vorurteile leiten läßt. Statt dessen werden die meisten polizeilichen Maßnahmen wegen strafbarer Handlungen und verdächtigen Verhaltens ergriffen – und nicht wegen der Rassenzugehörigkeit.

    Im Jahr 2019 erschossen Polizeibeamte 1.004 Menschen, von denen die meisten bewaffnet oder anderweitig gefährlich waren. Afroamerikaner machten etwa ein Viertel der Personen aus, die letztes Jahr von der Polizei getötet wurden (235) – dieses Verhältnis ist seit 2015 stabil geblieben. Dieser Anteil schwarzer Opfer liegt unter dem, was man von der Kriminalitätsrate Schwarzer erwarten würde, da der Schußwaffengebrauch bei der Polizei davon abhängt, wie oft Beamte auf bewaffnete und gewalttätige Verdächtige treffen.

    Entsprechende Daten dieser Art wurden das letzte Mal im Jahr 2018 veröffentlicht: Damals wurden 53% der bekannten Tötungsdelikte und etwa 60% der Raubüberfälle in den USA von Afroamerikanern verübt, obwohl Afroamerikaner 13% der Bevölkerung stellen.

    Laut einer Datenbank der Washington Post hat die Polizei im Jahr 2019 neun unbewaffnete Schwarze und 19 unbewaffnete Weiße erschossen. Dem gegenüber stehen jeweils 38 Schwarze und 32 Weiße im Jahr 2015. Die Post definiert „unbewaffnet“ sehr weit, um Fälle wie einen Verdächtigen in Newark, New Jersey, miteinzubeziehen, der während einer Verfolgungsjagd mit der Polizei eine geladene Faustfeuerwaffe in seinem Auto hatte. Im Jahr 2018 wurden 7.407 Schwarze Opfer eines Mordes.

    Geht man für das letzte Jahr von einer vergleichbaren Opferzahl aus, so stellen die genannten neun unbewaffneten, schwarzen Opfer, die von der Polizei erschossen wurden, 0.1% aller 2019 getöteten Afroamerikaner dar. Es ist daher 18,5 mal wahrscheinlicher, dass ein Polizeibeamter von einem Schwarzen getötet wird, als dass ein unbewaffneter Schwarzer von einem Polizeibeamten getötet wird.

    Allein am Wochenende des Memorial Day2 wurden in Chicago 10 Afroamerikaner bei sogenannten „Drive-by-Shootings“ durch Schüsse aus vorbeifahrenden Fahrzeugen getötet. Die Gewalt setzte sich nach altbekannter Manier fort: Ein Schütze feuerte ungefähr ein Dutzend Schüsse in ein Wohnhaus ab und traf dabei einen 72-jährigen Mann im Gesicht; ein paar Stunden davor wurden zwei 19-jährige Frauen auf der South Side in einem geparkten Auto erschossen; ein 16-jähriger Junge wurde am selben Tag mit seinem eigenen Messer erstochen.

    Letztes Wochenende feuerten Schützen in vorbeifahrenden Fahrzeugen auf 80 Chicagoer, 21 von ihnen starben, bei fast allen Opfern handelte es sich um Schwarze. Dass Schwarze achtmal so häufig wie Weiße und Hispanier zusammengenommen ermordet werden, liegt nicht am Schußwaffengebrauch der Polizei, sondern an Straftaten unter Gewaltanwendung.

    Neueste Erkenntnisse einer Studienreihe, die im August 2019 in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlicht wurden, widerlegen die Behauptung, dass Vorurteile tief bei Polizeibehörden verwurzelt seien. Die Wissenschaftler stellten folgendes fest: Je häufiger Polizeibeamte auf gewaltbereite Verdächtige einer bestimmten Ethnie treffen, desto wahrscheinlicher wird ein Mitglied dieser Ethnie von einem Polizeibeamten erschossen. Es gibt „keinen signifikanten Hinweis darauf, dass bei Personen, die von Polizeibeamten tödlich getroffen werden, Schwarze überwiegen würden,“ schlussfolgerten sie.

    Eine vom Justizministerium 2015 bei der Polizeibehörde in Philadelphia durchgeführte Untersuchung ergab, dass weiße Polizeibeamte weniger dazu neigen auf unbewaffnete, schwarze Verdächtige zu schießen als ihre schwarzen oder hispanischen Kollegen. Auch der Harvard-Wirtschaftswissenschaftlers Roland G. Fryer Jr. konnte in seiner Untersuchung keine Rassendiskriminierung beim Schusswaffengebrauch durch Polizeibeamte nachweisen. Etwaige Gegenbeweise berücksichtigen weder die Kriminalitätsraten noch das Verhalten von Zivilisten vor und während der Interaktion mit der Polizei.

    Das falsche Narrativ strukturell begründeter Vorurteile bei der Polizei führte während Obamas Präsidentschaft zu gezielten Ermordungen von Polizeibeamten. Womöglich wiederholt sich nun dieses Muster. Polizeibeamte werden bei dem Versuch, Verdächtige wegen unerlaubten Waffenbesitzes festzunehmen oder die wachsenden Unruhen einzudämmen, angegriffen und beschossen.

    Polizeireviere und Gerichtsgebäude wurden zerstört, ohne dass irgendjemand dafür zur Rechenschaft gezogen wurde, was die destruktive Gewalt in der Gesellschaft noch weiter anheizen wird. Wenn der Ferguson-Effekt3, bei dem Polizeibeamte in Stadtteilen mit Minderheiten auf das Durchsetzen von Recht und Ordnung verzichten, diesmal als Minneapolis-Effekt wiederauftritt, werden Tausende gesetzestreuer Afroamerikaner, die sich auf die Polizei als Schutzmacht verlassen, wieder einmal die Opfer sein.

    Die Polizeibeamten in Minneapolis, die George Floyd verhaftet hatten, müssen für ihre exzessive Gewaltanwendung und herzlose Gleichgültigkeit, die sie angesichts seiner Notlage gezeigt haben, zur Rechenschaft gezogen werden. Die Polizeiausbilder müssen ihre Bemühungen bei der Vermittlung von Deeskalationstaktiken verdoppeln. Dennoch sollte Floyds Tod nicht dazu führen, dass die Autorität der amerikanischen Strafverfolgungsbehörden untergraben wird, da wir uns sonst unseren Weg ins Chaos fortsetzen werden.

    Die Autorin Heather Mac Donald ist Fellow am Manhattan Institute und Autorin von „The War on Cops“ (Krieg den Polizisten) (Encounter Books, 2016). Erstveröffentlichung des Artikels in The Wall Street Journal, 2. Juni 2020, „The Myth of Systemic Police Racism“, von Heather Mac Donald (Übersetzung und Hervorhebungen von Maria Schneider mit freundlicher Genehmigung des Manhattan Institute, in dem Heather Mac Donald Mitglied ist).

    Lesen Sie mehr zu diesem Themenkreis in der aktuellen COMPACT 7/2020, die ihm ein komplettes Dossier gewidmet hat. Darin finden Sie auch Berichte über die Auswirkung der Black Live Matter-Bewegung in Deutschland und deren Verbindung zur Antifa. Mehr Infos und Bestelloption hier

     

     

     

     

    1 Anmerkung der Übersetzerin (AdÜ): Die fünf Polizisten wurden vom afroamerikanischen Veteranen Micah Xavier Johnson in einen Hinterhalt gelockt und erschossen. Neun weitere Polizisten wurden verletzt. Als Motiv gab Johnson an, dass er „Weiße töten wolle“ weil es ihn rasend gemacht hätte, dass schwarze Männer durch die Polizei getötet worden seien.

    2 AdÜ: Am letzten Maimontag wird jährlich der gefallenen Soldaten gedacht. Außerdem werden alle Uniformierten (Polizisten, Feuerwehrmänner etc.) und ihre Familien gewürdigt.

    3 AdÜ: Ferguson-Effekt: Nachdem der 18-jährige Michael Brown 2014 von einem weißen Polizeibeamten in Ferguson, Missouri, erschossen worden war, nahm das Misstrauen gegenüber der Polizei zu. Dies soll zu einer erhöhten Kriminalitätsrate in US-amerikanischen Großstädten geführt haben, weil die Polizei – laut einer Theorie – bei bestimmten Situationen aus Angst vor negativen Reaktionen (Anzeigen, Klagen etc.) weniger konsequent vorgeht, als sie es normalerweise täte.

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