Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen in den USA werden die sozialen Netzwerke für Donald Trump und seine Anhänger zu vermintem Gelände. In den Printmedien rollen sogar die Köpfe von Starjournalisten, wenn sie den Kampf gegen Rechts nicht ernst genug nehmen. Es folgen Auszüge aus einem Artikel, den Sie ungekürzt in COMPACT 08/2020 lesen können.

    _ von Federico Bischoff

    «Facebook hat im vierten Quartal 2018 und im ersten Quartal 2019 zusammen 3,39 Milliarden Facebook-Konten gelöscht», gab das Unternehmen im Mai 2019 stolz bekannt. Einer der Betroffenen war Martin Sellner, Gründer der Identitären Bewegung und Autor von COMPACT: Nicht nur, dass er selbst von Facebook endgültig gelöscht wurde, auch Posts anderer User werden von den Zensoren eliminiert, wenn nur der Name oder ein Foto des Verfemten darin auftaucht.

    Ein Sturm zieht auf

    Wer angesichts dieser Fakten immer gedacht hatte, Marc Zuckerberg sei ein treuer Diener des neuen Totalitarismus, muss sich in diesem Jahr eines Besseren belehren lassen: Der Facebook-Chef steht mittlerweile selbst unter Druck, weil er angeblich den bösen weißen Rassisten zu viel Raum biete. Dabei sprechen die Erfolgsmeldungen im sogenannten Kampf gegen Rechts, die Facebook hinausposaunt, eine andere Sprache. Zuckerbergs Unternehmensberater Nick Clegg verwies Anfang Juli auf einen Bericht der EU-Kommission, wonach «Facebook 95,7 Prozent der Hassrede-Meldungen innerhalb von 24 Stunden überprüft, mehr als Youtube und Twitter».

    Facebook hat nach eigenen Angaben 3,39 Milliarden Konten gelöscht.

    Aber all das hat die Plattform nicht vor einer Boykott-Kampagne bewahrt, die im Zuge der Krawalle von Black Lives Matter (BLM) von linken Aktivisten gestartet worden war, und mächtigen Rückenwind durch Großkonzerne bekam. 400 der feinsten Adressen des Großen Geldes drohen mit der Streichung ihrer Werbung auf Facebook, wenn die Plattform nicht noch energischer gegen sogenannte Hassrede vorgehe, in den USA unter anderem Unilever, Starbucks und Coca-Cola, in Deutschland Henkel, SAP, Adidas, Puma und VW.

    Verliererpresse: Die «New York Times» verkaufte Ende 2019 an Wochentagen 483.000 Exemplare. Drei Jahre zuvor waren es noch fast 90.000 Exemplare mehr gewesen. Foto: Osugi / Shutterstock.com

    Das zielt vor allem auf Donald Trump. Der US-Präsident hatte im Zuge der jüngsten Rassenkrawalle den kernigen Satz verbreitet: «Wenn Plünderungen beginnen, wird geschossen.» Während Twitter diesen und weitere Posts hinter einem Warnhinweis wegen «Gewaltverherrlichung» versteckte, wertete Zuckerberg ihn als wertfreie «Ankündigung staatlicher Gewalt» im Falle von schweren Gesetzesverstößen und ließ ihn anstandslos passieren.

    Der folgende Shitstorm von BLM-Lobby und Großkapital führte Anfang Juli in allen sozialen Netzwerken zu Einschränkungen der Meinungsfreiheit für das Trump-Lager. Das Manager Magazin fasst zusammen: «Die Online-Plattformen Youtube, Twitch und Reddit haben (…) zahlreiche Nutzer-Konten und Kanäle wegen der Verbreitung von Hassbotschaften gesperrt. Reddit schloss 2.000 Online-Foren, darunter eine große Gruppe von Unterstützern von US-Präsident Donald Trump . Die Spiele-Plattform Twitch sperrte den Kanal des Präsidenten.

    «Gibt es noch Raum für Debatten?» Andrew Sullivan

    Die Video-Plattform Youtube hatte bereits am Montag sechs rechtsextreme Kanäle wegen rassistischer Inhalte abgeschaltet.» Zu den Betroffenen gehörten US-Rechte wie Stefan Molyneux und Richard Spencer. Youtube gab gleichzeitig bekannt, seit Sommer 2019 mehr als 25.000 Kanäle gelöscht zu haben. Facebook schloss als Reaktion auf den Werbeboykott an einem Tag 320 Konten, mehr als 100 Gruppen und 28 Seiten.

    Beseitigung der Grauzonen

    Die Printmedien in den USA waren schon bisher klar links dominiert und dem Präsidenten in erbitterter Feindschaft verbunden. Trotzdem rollen auch dort im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen im November die Köpfe von Prominenten.

    Der linksliberale «Guardian» beklagte sich im Februar über die erfolgreiche Social-Media-Strategie von Trump. Foto: The Guardian

    Ein Beispiel ist Claudia Eller, die nach 20-jähriger Arbeit für die Los Angeles Times als Chefredakteurin zu Variety wechselte. Am 3. Juni klagte die weiße Autorin in einer Kolumne, dass sie und ihre Kolleginnen sich zu wenig für Diversität einsetzten – eine Selbstbezichtigung ganz im Sinne des Zeitgeistes. Die Journalistin Piya Sinha-Roy hielt dies jedoch für ein pures Lippenbekenntnis: Farbige, so erwiderte sie auf Twitter, würden trotz gegenteiliger Beteuerungen regelmäßig zurückgewiesen. Ellers Antwort – «Du klingst sehr verbittert» – war ihr Todesurteil. Ein gigantischer Shitstorm blies die Unsensible und Arrogante direkt in die «Freistellung» vom Job. Verleger Jay Penske akzeptierte keine Entschuldigung: Sie hätte zuhören, nicht streiten sollen.

    Im Klartext: Nicht nur diese, sondern jede Antwort von Eller wäre falsch gewesen. Das Problem soll nicht diskutiert werden, eine demokratische Konfrontation zweier Perspektiven ist gar nicht erwünscht. Ellers Rausschmiss wurde – gut stalinistisch – mit Selbstkritik gekrönt: Sie sei auf ihre Führungsrolle unzureichend vorbereitet gewesen.

    (…)

    Beim konservativen Kolumnisten Andrew Sullivan ging das New York Magazine erst gar kein Risiko ein: Seine Texte wurden schon bisher von Jungredakteuren regelmäßig auf «toxischen Gehalt» getestet, bevor man sie aufs betreute Publikum losließ. Kürzlich legte Sullivan eine freiwillige Pause ein, weil man ihm nicht gestattet habe, seine toxische Männlichkeit über die Protestbewegungen auszugießen. Dieser Verzicht war vielleicht seine Rettung vor dem Rausschmiss. In der kommenden Woche fragte er: «Gibt es noch Raum für Debatten?» Amerika stehe nicht nur für Rassismus, sondern auch für Freiheit. Die derzeitige Gesinngungsprüferei und die Anprangerungen gefährdeten diese Liberalität.

    «Die Zeit der Neutralität ist vorbei.» Spiegel-Redakteur

    Gemeinsam ist den erwähnten Journalisten, dass sie keine Personen direkt beleidigt, keine Gruppierung abgewertet, kein Leiden verharmlost haben. Es handelt um ungeschickte Wortwahl, Ironisierung oder Unachtsamkeit. All das lässt sich kritisieren, diskutieren, aber sollte kaum zum Rausschmiss führen.

    Es gibt keine Grauzonen, keine Verwarnung, kein Abwägen, keine zweite Chance mehr, sondern nur noch: totale Unschuld oder Tod. Schlimmer noch: Wer einmal unter Verdacht steht, kann tun, was er will – sein Vergehen abstreiten, sich argumentativ verteidigen oder entschuldigen. Es ist sinnlos. Verdacht und Anklage sind gleich Schuldspruch.

    Die Reduktion menschlichen Verhaltens auf diese zwei Alternativen ist Zeichen einer Diktatur. Demokratie beruht auf dem Eingeständnis, dass es zu jedem Sachverhalt mehr als eine Perspektive gibt. Dass sich ihre Vertreter im Dialog langsam einander annähern. Ein Prozess, der auch beiderseitige Nachsicht verlangt, indem man dem Gegner nicht ständig schlimmste Absichten unterstellt, ihm Subtexte unterschiebt, in seine Äußerungen hineininterpretiert. Eine Debatte, die einen der Teilnehmer zum puren «Zuhören» verdonnert – genau das verlangen PC-Anhänger vom «alten weißen Mann» –, ist keine mehr. (Ende der Auszüge)

    Vollständig können Sie diesen Artikel im COMPACT-Magazin 08/2020 lesen. Diese Ausgabe können Sie in digitaler oder gedruckter Form  hier bestellen.

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