Der Ausverkauf der deutschen Pharmaindustrie setzt sich bis heute fort. Vergessen ist schon fast die Erfolgsgeschichte des Medikaments Aspirin, die sogar bis zu den Germanen zurückreicht. In diese Welt entführt Sie unsere Schmuckausgabe Mythisches Deutschland: Die historischen Stätten unseres Volkes, die Sie hier bestellen können.

    Lesen Sie auch Teil 1 und Teil 2 dieses Beitrags.

    4. Der Ausverkauf der deutschen Pharmaindustrie

    Nicht nur frühere IG-Farben-Unternehmen, auch andere deutsche Firmen der Chemie- und Pharmabranche sind in den vergangenen Jahren ganz oder teilweise an ausländische Konzerne verschachert worden. Nachfolgend einige besonders prominente Beispiele:

    Behring: Der Betrieb am alten Standort der Behringwerke in Marburg wurde 2005 durch den Hoechst-Nachfolger an den französischen Pharmariesen Sanofi-Aventis im Rahmen eines Management-Buy-outs  verkauft, wobei sich der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) und die schweizerische Novartis sich große Anteile gesichert hatten.

    Biontech hat zur Produktion seines neuen mRNA-Impfstoffs Comirnaty in Marburg den Platz von Novartis übernommen, da die EU für 2021 bereits Aufträge im Umfang von über einer Milliarde Impfdosen erteilt hat. Kürzlich wurde ein Anschlussvertrag über 1,8 Milliarden Impfdosen für 2022 und 2023 geschlossen.

    CSL Behring, spezialisiert auf Blutplasmaprodukte, hat mit den alten Behringwerken nur noch den Namen gemein, denn dieser Konzern mit Sitz in King of Prussia im US-Bundesstaat Pennsylvania gehört zum australischen Biopharma-Konzern CSL (Commonwealth Serum Laboratories).

    Die Gewinnung des Diphtherieserums aus Pferdeblut im Behringwerk zu Marburg. Illustration von Fritz Gehrke (1895). Foto: CC0, Wikimedia Commons

    GSK boomt, da der britische Konzern das Portfolio der alten Behringwerke übernommen hat – also die Herstellung von klassischen Impfstoffen gegen Masern, Mumps, Röteln, Windpocken und so weiter, die einst Emil von Behring entwickelt hat, Davon profitiert nun vor allem das Vereinigte Königreich.

    Im Januar 2021 verkaufte GSK Teile seiner Forschungsabteilung mit 80 Mitarbeitern an den Entwicklungsdienstleister Nexelis, ein kanadisches Unternehmen, das Teil von Ampersand Capital Partners ist, die sich auf Finanzdienstleistungen im Gesundheitssektor spezialisiert haben und Anleger, besonders in den USA, bedienen.

    GSK wird seinen Bereich an einem weiteren Marburg-Standort (Görzhausen I und II) weiter ausbauen, zumal der Pharmakonzern nicht nur die Herstellung klassischer Impfstoffe betreibt, sondern auch von Adjuvantien (Zusatzstoffe, Impfverstärker) wie Aluminiumhydroxid, die der Konzern nicht nur für seine selbst produzierten Vakzine nutzt, sondern auch an andere Pharmafirmen verkauft. GSK hat sich außerdem vor wenigen Monaten vorsorglich bei CureVac (Tübingen) eingekauft. Deren Corona-Impfstoff soll voraussichtlich im Juni 2021 zugelassen werden.

    Ratiopharm: Die bekannte Pharmafirma aus Ulm wurde 2010 an Teva Pharmaceutical Industries (weltweiter Marktführer für Generika) mit Sitz in Petach Tikwa (Israel) für 3,6 Milliarden Euro verkauft, nachdem der deutsche Gründer Adolf Merckle wegen finanzieller Probleme Selbstmord begangen hatte. Dieser gründete die Ratiopharm GmbH 1973 in Blaubeuren als 100-prozentige Tochter der Adolf Merckle GmbH gegründet. Meriten hatte sich die Firma durch die Verbesserung der großtechnischen Herstellung von Penicillin und anderen Antibiotika erworben.

    Davon ist nicht viel übrig geblieben. Zwar stellt Ratiopharm immer noch Penicillin her, aber als ein Anbieter unter vielen, auch ausländischen Produzenten. Die Hauptproduktion liegt nun im Bereich der Generika, also Nachahmungsprodukten von Arzneimitteln, deren Patentschutz abgelaufen ist.

    5. Aspirin und Paracetamol

    Von den klassischen, einst in Deutschland entwickelten Arzneimitteln hat sich lediglich das bekannte Schmerzmedikament Aspirin (1899) von Bayer unter seinem alten Markennamen halten können, auch wenn der Grundstoff Acetylsalicylsäure heute von vielen anderen Firmen genutzt wird, da der Patentschutz abgelaufen ist.

    Das Mittel ist gut verträglich, der Grundstoff wurde einst aus der Weide (Salix) gewonnen und war vor der großindustriellen Fertigung bereits seit Jahrhunderten in schwächerer Konzentration im Hausgebrauch, da er nicht nur schmerzstillend, sondern auch entzündungshemmend und fiebersenkend wirkt. Schon von den Germanen und Kelten ist überliefert, dass sie abgeschälte Weidenrinde auskochten und den Sud als Heilmittel verwendeten. Und auch der griechische Arzt Hippokrates von Kos (gestorben 370 v. Chr.), nach dem der Hippokratische Eid benannt ist, kannte Weidenrinde als Medizin.

    Aspririn-Packung Verpackung, um 1940. Foto: ANKAWÜ, CC BY-SA 3.0, Wikimedia Commons

    Reine Acetylsalicylsäure wurde erstmals 1897 von Felix Hoffmann in Zusammenarbeit mit Arthur Eichengrün bei der Friedrich Bayer & Co., damals integriert in die IG Farben, synthetisiert und dann unter dem Markennamen Aspirin verkauft. Geprägt wurde der Name durch Kurt Wittauer, Oberarzt am Diakonissenkrankenhaus Halle an der Saale, der im April 1899 die erste klinische Studie über die Anwendung von Acetylsalicylsäure publizierte.

    Die beiden anderen alten Mittel von Bayer beziehungsweise Merck – Veronal (1903) und Phenacetin (1888) – konnten sich auf dem Markt nicht halten. Veronal war das erste Barbiturat (Schlafmittel) überhaupt, galt als wirksam und gut verträglich, wurde aber später trotzdem verboten, weil manche damit durch eigenmächtige Erhöhung der Dosis Suizid verübten.

    Phenacetin wurde aufgrund festgestellter Nierenschädigungen später durch Paracetamol ersetzt. Das Mittel wurde 1959 vom Münchener Unternehmen Bene-Arzneimittel als erstes Monopräparat unter dem Markennamen Ben-u-ron auf dem deutschen Markt eingeführt.

    Wird fortgesetzt.


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