Gender-Gaga, Quote, Linke-Lila-Latzhosen-Lektüre, Radikalfeminismus, #metoo: Die lauthalse und streitsüchtige Einforderung von Frauenrechten lag den Frauen der Vergangenheit fern, obwohl sie beileibe unter Missachtung und Unterdrückung zu leiden hatten. Doch es gab sie, die Heldinnen der deutschen Geschichte, die sich ihre Rechte eroberten: durch Klugheit, Schönheit, Diplomatie, Taktik – und vielfach mehres Pflichtgefühl. Ihnen hat COMPACT mit seiner Geschichts-Ausgabe „Deutsche Frauen – Die klügsten und tapfersten aus 2000 Jahren“ ein Denkmal gesetzt.

    Anders als eine Kanzlerin, für die Fremde Vorrang vor den eigenen Bürgern haben, stellte sich Margarethe von Parma (1522 – 1586), die als Statthalterin von Flandern zwischen Krone und Volk stand, schützend vor ihre Landsleute. Ihr Credo, wie unser Autor Jan von Flocken schreibt, ist heute aktueller denn je: «Will ein Volk nicht lieber nach seiner Art und von den Seinigen regiert werden als von Fremden, die erst im Lande sich Besitztümer auf Unkosten aller zu erwerben suchen?» Denkbar, dass sie sich heute in der AfD engagieren und als „rechtsradikale Nationalistin“ verunglimpft werden würde…

    Obwohl eine Regentin, hat sie sich ihre Nähe zum Volk stets bewahrt, entstammte sie ihm doch. 1522 als uneheliches Kind einer Teppichweberstochter und des Habsburger Kaisers Karl V. (1500 – 1558) geboren, war ihr ein denkwürdiges Schicksal bestimmt: das der Statthalterin der habsburgischen Niederlande. Ihre sorfältige, eine einer Prinzessin würdige Erziehung bereitete sie auf diese Tätigkeit, der politische Heiraten vorausgingen, vor. Und im Unterschied zu etlichen seiner anderen illegitimen Kinder erkannte Karl V. im Juli 1529 Margarethe offiziell als „natürliche“ Tochter an. Sie lernte die deutsche, französische und italienische Sprache, bekam eine musische Ausbildung.

    Mit 14 Jahren ehelichte sie Alessandro de Medici, einen Raufbold und illegitimen Papstsohn, der schon zehn Monate später ermordet wurde. Die nächste Ehe musste Ende 1538 mit Ottavio Farnese, Herzog von Parma, geschlossen werden. Der Italiener war seiner Gemahlin intellektuell weit unterlegen, und Margarethe hasste ihn dafür. Sie schrieb über Ottavio an Karl V. mit Ausdrücken, «wie sie keine Christin, zumal eine Dame ihres Standes und Tochter eines Kaisers, anwenden dürfe und die ihr wohl der Teufel eingeflößt hat». Nachdem 1545 ein Sohn, der spätere Feldherr Alessandro Farnese, geboren wurde, trennten sich die Wege der Eheleute für immer.

    Nach der Abdankung Karl V. 1555 erbte sein Sohn Philipp II. zugleich die Spanischen Niederlande mit seinen heutigen Benelux-Staaten, wo der calvinistische Glaube vorherrschte, was der spanischen Politik widersprach. In den infolge dessen entstehenden Unruhen setzte Philipp im Sommer 1559 seine Halbschwester Margarethe als Generalstatthalterin ein, die zwischen der spanischen Besatzungsmacht und den Einheimischen zu vermitteln suchte.

    Doch tatsächlicher Machthaber im Land war der Leiter des niederländischen Staatsrates, Kardinal Antoine Perrenot de Granvelle. Dieser geistliche Herr betrieb eine starre Politik im Sinne des Madrider Zentralismus. Bald begannen im Land die Scheiterhaufen für Ketzer zu qualmen, die Folterkeller füllten sich. Die Statthalterin musste erkennen, dass sie sich in einer Stellung befand, die faktisch nicht so frei war, wie es äußerlich schien. Und sie selbst empfand schon nach kurzer Zeit das Beengende ihrer Lage. Also nahm sie erste Kontakte zur niederländischen Opposition auf, an deren Spitze Wilhelm von Oranien stand. Zwischen ihnen entwickelte sich eine rege persönliche Korrespondenz. Besonders herzlich gestaltete sich ihr Verhältnis zum schwerreichen Grafen Lamoral von Egmond. Der Hofklatsch sagte ihnen sogar ein intimes Verhältnis nach, wofür allerdings jeglicher Beweis fehlt. Margarethe war eine eher herbe Schönheit. «Ihr kantiges Gesicht wurde von einem Paar lebhafter dunkler Augen bestimmt, deren Glanz den Mangel an Liebreiz wettmachte», berichtet ein Zeitgenosse.

    (…) Philipp II., dessen Truppen gerade in einen Krieg mit den Türken verwickelt waren, ließ Granvelle im März 1564 entlassen. Margarethe versuchte nun, einen Modus Vivendi zwischen Katholiken und Protestanten zu erreichen. «Mit Bitten, Schmeicheleien und Drohungen wurde auf die Herren eingewirkt», wobei Margarethe mittels einer Mischung aus Kompromissbereitschaft und Zielstrebigkeit agierte. Sie appellierte an den König, «das Volk mit Freundlichkeit und väterlicher Liebe, nicht mit richterlicher Strenge zu ermahnen». So gelang es Anfang 1566 Oranien und Egmond nebst 400 calvinistischen Adligen, die Statthalterin zur sogenannten Adelsübereinkunft (Compromis des Nobles) zu veranlassen. Darin wurden die Abschaffung der Inquisition und der Strafen gegen Ketzerei verlangt sowie eine Einberufung des Parlaments der Generalstaaten gefordert, um eine tolerantere Gesetzgebung für alle religiösen Konflikte auszuarbeiten. So durften bei Aufrechterhaltung der staatlichen Ordnung an jenen Orten öffentlich protestantische Predigten abgehalten werden, wo sie schon früher stattgefunden hatten. Als Vorbild dienten die damals relativ toleranten Regelungen in Frankreich.

    Margarethe von Parma als Säugling mit Mutter Johanna und Vater Kaiser Karl V. | Foto: Théodore-Joseph Canneel – Paul Hermans, CCBY-SA 3.0, Wikimedia Commons

    «Madame, haben Ihre Hoheit etwa Angst vor solchen Bettlern?», spottete Graf Charles de Berlaymont, königstreues Mitglied des Staatsrates, als der Kompromiss geschlossen wurde. Margarethe entgegnete: «Nein. Wohl aber können manchmal auch Bettler recht haben.» Da man am Brüsseler Hof französisch sprach, wurde Berlaymonts Schimpfwort Bettler (gueux) bald zum Ehrennamen der Aufständischen umfunktioniert, die sich verballhornend Geusen nannten. Sie erwiesen sich bald als Schrecken der spanischen Besatzungsmacht. (…)

    Denn es blieb nicht lange Zeit friedlich. Nach Beendigung des Türkenkrieges besaß Philipp II. militärisch wieder freie Hand und schickte seinen bewährtesten Feldherren in die Niederlande. Fernando Alvarez de Toledo, Herzog von Alba, hatte in Frankreich, Italien, Portugal und Deutschland mit Feuer und Schwert gehaust und war für seine unerbittliche Strenge berüchtigt. Nun zog er mit 12.000 Bewaffneten in die Spanischen Niederlande. Seine Order lautete: Bestrafung der Aufständischen, Stärkung der königlichen Zentralgewalt und Verschärfung des Steuersystems.

    Nach seinem Einzug in Brüssel am 3. August 1567 ließ Alba ein willfähriges Gremium einrichten, den Conseil des troubles (Rat der Unruhen), vom Volk treffender als Blutrat bezeichnet. Er konnte jede Person vorladen und verurteilen, unabhängig vom Rang, Stand oder Privilegien. Seine Beratungen besaßen nur formellen Charakter, eine Berufung war nicht zulässig. Binnen weniger Wochen fällte der Rat tausende Todesurteile, von denen man fast 1.000 noch 1567 vollstreckte. 3.000 Adlige wurden enteignet. Egmond und Hoorn fielen im Juni 1568 unter dem Schwert des Henkers.

    Mit größtmöglichter Deutlichkeit zeigte Margarethe, wie unwillkommen Alba ihr war; er sah darüber hinweg und behandelte sie mit höflicher Kälte. Nach schweren Auseinandersetzungen verfasste Margarethe am 8. September 1567 «in rabiatem Ton» ein Abschiedsgesuch. Ihrem königlichen Halbbruder schrieb sie, «dass Ihr keine schlechtere Wahl als die des für seine eiserne Härte bekannten Herzogs hättet treffen können» und «dass dadurch die Spanier allesamt in den Niederlanden verhasst werden». Sie werde aus dem Land gehen «mit dem Bewusstsein, meine Pflicht vor Gott, vor der Welt und vor mir selbst erfüllt zu haben». Am vorletzten Tag des Jahres 1567 verließ sie Brüssel und ein Land, in dem ihr Andenken noch lange Zeit vom Volke geehrt und gefeiert wurde. Sie wählte schließlich ihren Wohnsitz in Piacenza und Aquila.
    1586 starb Margarethe 63-jährig. Hinter ihr lagen, so der Biograf Felix Rachfahl, «Jahre von Mühen und Sorgen, wie sie einer Frau wohl selten beschieden sind».

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