Egal, wer bei der US-Wahl am Ende das Rennen macht, das Phänomen Trump wird die USA noch lange verfolgen.

    Nun ist es also doch passiert: Die vor einem Jahr noch sicher scheinende Wiederwahl Donald Trumps wird zur Hängepartie. Zu stark war die polarisierende Anti-Trump-Rhetorik der erklärten Feinde des Präsidenten aus dem linken Establishment, der ein Virus unverhofft Durchschlagskraft verlieh. Doch egal, wer am Ende das Rennen macht, eines ist jetzt schon klar: Ein Zurück zum Status quo ante wird es nicht geben. Experten sind sich einig, dass Joe Biden als Präsident die »America first«-Doktrin in der Wirtschaftspolitik fortführen würde. Hat sich bewährt. Trump hat Spuren hinterlassen. Er hat Amerika gezeigt, dass es zu dem, was bisher als alternativlos ausgegeben wurde, eine Alternative gibt.

    Es waren wenige, die glaubten, dass Donald Trump es erneut schaffen könnte, das Weiße Haus zu erobern. Jetzt ist er nur noch wenige Wahlmännerstimmen davon entfernt. Einer, der den kolossalen Wandel der US-Gesellschaft bereits vor Jahrzehnten voraussagte und von einem erneuten Wahlsieg Trumps kaum überrascht wäre, war der Harvard-Politologe Samuel P. Huntington. Der berühmte Autor von »Kampf der Kulturen« beschrieb bereits 2004 in seinem Buch »Who Are We?« den Gegensatz zwischen einer Mehrheit von Amerikanern mit einer »nationalen Identität« und einer Minderheit mit einer »transnationalen Identität«. Letztere besäßen – und das birgt sozialen Sprengstoff – »die Kontrolle über Macht, Reichtum und Wissen«.

    Fast prophetisch mutet Huntingtons Prognose an, dass die USA im Jahr 2025 »ein ganz anderes Land mit einer ganz anderen Selbstwahrnehmung und Identität« sein dürften als 25 Jahre vorher. Vor allem »die von Geburt weißen Amerikaner«, schreibt Huntington, könnten »zu einer Wiederbelebung des eigentlich verworfenen und diskreditierten rassischen und ethnischen Konzepts der amerikanischen Identität und zur Schaffung einer amerikanischen Gesellschaft provoziert werden, die Menschen aus anderen rassischen und ethnischen Gruppen« von gleichberechtigter Teilhabe ausgeschlossen sehen will.

    Huntingtons Vorhersage ist nun bereits ein paar Jahre früher wahr geworden: Der Konflikt zwischen national und transnational empfindenden Amerikanern prägte die erste Amtszeit Donald Trumps. Auch der Philosoph Michael Sandel, ebenfalls Professor in Harvard, macht in seinem Buch »Vom Ende der Gemeinsamkeit« das linksliberale Establishment für die sogenannten Spaltungen in den Gesellschaften des Westens verantwortlich.

    Er kritisiert die für diese Kreise charakteristische »Arroganz« der Demokraten gegenüber klassischen Trump-Wählern: Weißen mit mittlerem Bildungsniveau. »Sie fühlen sich gedemütigt im moralischen, im kulturellen Sinne durch einen Mangel an Wertschätzung«, so Sandel in einem Spiegel-Interview. Mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten vor vier Jahren ist Sprengstoff, dessen Lunte lange zuvor schon brannte, explodiert. (Fortsetzung des Artikels unter dem Werbebanner)

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    Sicherlich ist es zutreffend, dass Dichtung und Wahrheit bei ihm, wie auch jetzt beim vorzeitigen »Ich habe die Wahl gewonnen«, in selten zuvor da gewesener Art und Weise zu etwas verschwimmen, was zwar kein »Geprüft und für wahr befunden«-Echtheitszertifikat verdient, aber, da es stattdessen das Siegel »Donald Trump« trägt, für die meisten seiner Wähler trotzdem akzeptabel ist. Das liegt, wie jeder Wahlbeobachter der letzten Tage und Wochen bestätigen kann, daran, dass Trump verehrt, ja geliebt wird, geliebt für eine Entschlossenheit, mit der sein potenzieller Nachfolger nie wird konkurrieren können, woran er in den vor ihm liegenden vier Jahren aber von den Anhängern der Republikaner mehr gemessen werden würde als jeder demokratische Präsident vor ihm.

    Trump hat Ungeheures gewagt: Er hat das linke Establishment mit einer Entschlossenheit herausgefordert, die ihresgleichen sucht; er hat reihenweise heilige Kühe geschlachtet und damit den Nachweis erbracht, dass sie gar nicht heilig sind. Es haben nur alle daran geglaubt. Trumps Problem waren deshalb auch nie seine Lügen. Sie boten nur die günstigste Angriffsfläche. Fairerweise müssten seine Kritiker sie der ungewöhnlichen Zuverlässigkeit gegenüberstellen, mit der er, sofern nicht Etatfragen oder Richtersprüche dem im Weg standen, seine Wahlversprechen einlöste. In dieser Disziplin stellt er zahlreiche andere gewählte Staatenlenker brutal in den Schatten.

    Außerdem richteten die meisten von Trumps falschen Behauptungen keinen großen politischen Schaden an, weil sie so leicht zu entlarven waren wie eine falsche Wetterprognose. Am nächsten Tag wusste man, dank linksliberalen Flaggschiffen wie Washington Post und New York Times bereits, wie es wirklich war. Aber dann war es eigentlich auch schon egal.

    Nicht die Lügen waren also das Problem, auch wenn der Präsident seinen Gegnern damit immer wieder Waffen in die Hand drückte, die sich bestens gegen ihn verwenden ließen; das Problem waren die geschlachteten heiligen Kühe: Wahrheiten, die Menschen wie Kamala Harris, Lady Gaga oder George und Amal Clooney aus der Liga der privilegierten Transnationalen für unhinterfragbar halten.

    Für sie ist Trump eine Art Darth Vader: Wer sich einmal auf die dunkle Seite der Macht begeben hat, kommt aus der Nummer nicht mehr raus. Heilige Kühe haben einen religiösen Aspekt. Man könnte den US-Präsidenten also auch einen modernen Häretiker nennen, der gegen die klassischen Dogmen des linken Amerika rebellierte:

    1) Einwanderung ist gut und Nationalismus böse und Kosmopoliten sind die besseren Menschen.
    2) Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze sind im Verhältnis zu Umwelt- und »Klimaschutz« nachrangige Politikziele.
    3) Abtreibung ist nicht die Vernichtung von werdendem Leben, sondern Freiheitsrecht der Frau.
    4) Drogenkonsum ist nichts Schlimmes, schließlich hat jeder schon mal gekifft.
    5) Ob ein Mann einen Mann heiratet oder eine Frau oder eine Frau eine Frau und keinen Mann oder doch, ist egal.

    Fünf Sätze – fünf Wahrheiten von der hellen Seite der Macht: der linksliberalen Orthodoxie. Aus Sicht der Trump-Gegner gesellschaftlicher Konsens, ehernes Gesetz. Wahrheit eben. Trump selbst hingegen hat aus seiner Verachtung für diese »Wahrheiten« nie einen Hehl gemacht. Er hat das Unhinterfragbare hinterfragt, und zwar mit einer Kompromisslosigkeit und Konsequenz wie kein Präsident vor ihm. Er hat einen nationalistischen, anti-kosmopolitischen Kurs eingeschlagen. Er hat drastische Maßnahmen zur Eindämmung illegaler Migration ergriffen und noch drastischere angekündigt.

    Er hat das Pariser Klimaabkommen in den Wind geschossen. Im Oktober 2017 rief er wegen einer alarmierenden Zahl von Rauschgift­opfern den Gesundheits­notstand aus. Er ließ zwei konservative Richter in den Supreme Court nachrücken, die sich gegen das geltende Abtreibungsrecht stellen könnten, weil es die Würde des (ungeborenen) Menschen antastet. Er hat deutlich gemacht, dass er von der feministischen Bewegung und der Homo-Ehe nichts hält (»I’m not in favor of gay marriage«). Für seine Kritiker Grund genug, um in ihm einen Darth Vader zu sehen, den es um jeden Preis aus seinem Raumschiff zu schießen galt.

    Trumps Verachtung für das linke polit-mediale Establishment, das den Kampf gegen ihn bei den US-Präsidentschaftswahlen vor vier Jahren krachend verloren hat, und dessen Verachtung für ihn waren das Charakteristikum seiner Präsidentschaft. Er wäre – und dessen war er sich von Anfang an bewusst – von der linken Orthodoxie in jedem Falle gehasst worden, auch dann, wenn das Lügometer der »Washington Post« vier Jahre lang auf Null geblieben wäre. Der Gestus, mit dem Trump Repliken an seine Widersacher in die Welt hinausposaunt oder -zwitschert ist der Gestus der Verachtung.

    Und diese Verachtung, diese Ihr-könnt-mich-alle-mal-Mentalität, mit der er schon in seinem ersten Wahlkampf so erfolgreich war, ist so gewaltig, ist so Elefant im Porzellanladen, dass die Wahrheit oft mit in Stücke ging – die Lüge als Kollateralschaden der Geringschätzung für den politischen Gegner. Für eine gelungene Parade nahm Trump diesen Schaden jederzeit billigend in Kauf. Dass er mit seinen zum Teil grotesken Übertreibungen die Grenze zur Selbstsatire überschritt, geschah nicht im Eifer des Gefechts. Es hatte Methode. Es mobilisierte.

    Natürlich war und ist es das gute Recht, wenn nicht die Pflicht des Journalisten, auf Verzerrungen der Wahrheit aufmerksam zu machen. Die Faktenchecker-Kolumnen kritischer Medien, auch hierzulande, taten insofern eine wichtige und richtige Arbeit. Denn guter Journalismus muss den Mächtigen immer auf die Finger schauen und Fehler entlarven. Allerdings werden die eifrigen Lügenzähler zugeben müssen, dass ihnen die Rubrik vor allem als Beglaubigungs­instrument dafür diente, dass Trump auch wirklich das war, was er sein musste: ein Feind der Wahrheit. Auch wenn diese Wahrheit in Wahrheit mitunter gar keine Wahrheit ist, sondern Linksdogmatik, die als Wahrheit verkauft wird.

    Feindbild Trump

    Mit Trumps Vereidigung vor vier Jahren setzte ein Kulturkampf ein, der bis zum Dienstag, dem Wahltag, mit unverminderter Härte fortgeführt wurde. Deswegen und nicht wegen längst verjährter sexueller Übergriffe musste aus Sicht des linksliberalen Establishments der konservative Richter Brett Kavanaugh unbedingt verhindert werden. Die politische Verwahrlosung, die mit dem Ringen um das Richteramt einherging, war nicht das Werk von Donald Trump, sondern das von Demokraten und Republikanern gleichermaßen.

    Dasselbe gilt für das skandalumwitterte erste TV-Duell. Und wäre Amy Coney Barrett nicht eine so wunderbar integre Person, hätten die Demokraten, die sich beim Streit um die Richterposten als erbärmliche Pseudo-Demokraten erwiesen haben, im Herbst gleich die nächste Schlammschlacht entfesselt. Die in Joe Bidens Partei diskutierte Idee, die Zahl der Richter schrittweise zu erhöhen, bis wieder eine linke Mehrheit gesichert ist, zeugt von einem Verständnis von Demokratie, wie es auch uns hierzulande nicht fremd ist: Was nicht passt, muss irgendwie, Verfassung hin oder her, »rückgängig gemacht werden«.

    Während man hierzulande seit einigen Jahren das Gefühl nie mehr ganz los wird, der eigentliche Kanzler von Deutschland ist der Presse- und Medienzirkus, war Trumps Regentschaft dieses Eindrucks komplett unverdächtig. Während Merkel, wie etwa an der Causa Chemnitz-Hetzjagden-Maaßen zu sehen, ihre Politik bis zur Selbstverleugnung an den Ergebnissen von Umfragen und Stimmungs­barometern ausgerichtet hat, war Trump nur wichtig, dass er seine Anhängerschaft nicht vergrätzt. Man muss dafür, dass selbst die gröbsten Lügen Trump-Anhänger nicht verschreckten, sondern die Popularität des Präsidenten teilweise sogar noch steigerten, keine komplexen Erklärungen über psychopathologische Prozesse herbeifantasieren wie der Spiegel zur Halbzeit der ersten Amtsperiode Donald Trumps in einem halbseidenen Kommentar.

    Wie meistens ist die Wahrheit viel weniger kompliziert: Nicht eine perverse Götzengläubigkeit band überzeugte Republikaner an Trump, sondern das Prinzip, dass Menschen einfach lieber die Politik ändern als ihre Meinung. Trumps Anhänger teilen seine Verachtung für die linkselitäre Orthodoxie. Sie betrachten sie nicht als konsenspflichtige Wahrheit, sondern schlicht und einfach als Bockmist (»bullshit«).

    Da sprach jemand ihnen aus der Seele. Da war endlich einer, der radikaler als alle seine republikanischen Vorgänger dem Meinungskartell aus Theater, Film- und Showgeschäft, linken Lobby- und Bürgerrechtsgruppen, #metoo- und Black-Lives-Matter-Aktivisten, radikalen Umweltschützern, Feministen, Atheisten, Christopher-Street-Day-Paradiesvögeln und den mit ihnen verbündeten linksliberalen Medien und Politikern die Meinung geigte, all jenen, die schon während des Vietnamkriegs die Deutungshoheit über zentrale Bereiche der Politik erobert zu haben glaubten und seither in den ihnen hörigen Medien und Kulturinstitutionen um ihre heiligen Kühe herumtanzen wie die Hippies bei Woodstock.

    Die Nationalen verachten die Transnationalen – und die verachten sie. Man nennt das auch: Demokratie. Die mit vielen Krokodilstränen beweinte Spaltung der Gesellschaft ist kein Weltuntergang. Sie ist in Demokratien völlig normal, namentlich in solchen mit Mehrheits­wahlrecht, wo keine Partei gezwungen ist, der sogenannten Mitte die Stiefel zu lecken, bis das eigene Profil bis zur Unkenntlichkeit entstellt ist und dann die Politik gemacht wird, die linke Eliten als Konsens herbeipropagiert haben. In Demokratien wird immer um Mehrheiten gekämpft und nie für die Wahrheit. Sich im Besitz der Wahrheit zu wissen ist das Privileg von Diktatoren. Viele haben das erst durch die Amtszeit Donald Trumps so richtig begriffen. Immerhin.

    Trump war ein Dammbruch. Seine Präsidentschaft hat gezeigt: Man muss sich mit einer Politik wider den gesunden Menschenverstand, wider natürliche Instinkte und Reflexe nicht abfinden. Man kann sie abwählen, man kann sie abschaffen. Nächste Chance dazu: in vier Jahren.

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