Die Konstellationen des Krim-Kriegs wiederholen sich: Vor 150 Jahren verbündeten sich die Westmächte und das Osmanische Reich, um den Zaren als Schutzherrn der Christen zu besiegen. Preußen hielt sich heraus – mit Argumenten, die bis heute Gültigkeit haben.

    Es folgen Auszüge aus dem Artikel „Der erste Weltkrieg gegen Russland“, den Sie ungekürzt in der  Juliausgabe des COMPACT-Magazins lesen können – hier bestellen.

    Vernichtend fiel das Urteil von Großbritanniens Weltkriegsmarschall Bernard Montgomery aus:

    «Es hat in der gesamten Geschichte kaum einen schlechter geführten Krieg gegeben als den Krimkrieg.»

    Man sollte hinzufügen: und auch kaum einen nutz- und sinnloseren. Auslöser war ein Streit zwischen Russland und der Türkei wegen der Rechte christlich-orthodoxer Mönche im Nahen Osten. Als der Sultan jedwede Verhandlung darüber verweigerte, besetzten russische Truppen im Juli 1853 ohne Kriegserklärung die sogenannten Donaufürstentümer (heute Moldawien sowie Teile Rumäniens) und marschierten in Bukarest ein. Die Balkan-Bevölkerung begrüßte diesen Schritt als Befreiung der Christen von der islamisch-osmanischen Fremdherrschaft.

    Das Große Spiel

    Im Oktober 1853 erklärte Sultan Abdul Medschid I. den Krieg – ein großer Fehler, wie sich bald herausstellen sollte. Denn schon am 30. November 1853 überraschte ein russisches Geschwader unter Admiral Pawel Nachimow die Schwarzmeerflotte der Osmanen in der Bucht von Sinope und vernichtete diese fast völlig. Erstmals in der Seekriegsgeschichte setzten Nachimows Schiffe damals Sprenggranaten ein, die sich den herkömmlichen Kanonenkugeln als weit überlegen erwiesen.

    Dieser russische Erfolg alarmierte Großbritannien und Frankreich. Beide Länder entsandten eine Kriegsflotte, die am 3. Januar 1854 ins Schwarze Meer einlief, um den Türken beizustehen. Nachimows Schiffe zogen sich daraufhin in den Hafen von Sewastopol auf der Krim zurück.

    Trotzdem erklärten die Westalliierten am 27. März 1854 Russland den Krieg. «Der britische Löwe, welcher schon von Indien aus Russlands wachsende Bedeutung mit Argwohn beobachtete, war durchaus nicht interessiert, den russischen Bären auch noch als Rivalen im Mittelmeer und im Nahen Osten zu sehen», so Samuel Brandon in seinem Werk Milestones of History (1983). «Und Frankreichs Kaiser Napoleon III. brannte darauf, es seinem korsischen Onkel gleichzutun und auf dem Schlachtfeld ewigen Ruhm zu ernten.»

    Als Zar Nikolaus I. seine Truppen als Friedensgeste vom Balkan zurückzog, blieb das ohne Wirkung. London und Paris ging es allein um eine demonstrative Demütigung des christlichen Russischen Reiches, auch mithilfe der Türken. So begann ein Krieg, der sich hauptsächlich auf der Krim abspielte, jener Halbinsel, die unter Zarin Katharina der Großen 1783 Bestandteil Russlands geworden war.

    Bismarck weigert sich

    Die Alliierten versuchten, auch Preußen in diesen Konflikt hineinzuziehen. Zunächst schien die Regierung von Ministerpräsident Otto Theodor von Manteuffel auch interessiert. Es war Otto von Bismarck zu verdanken, dass es nicht dazu kam. Im Kronrat konnte er Anfang März 1854 König Friedrich Wilhelm IV. vom Nutzen einer wohlwollenden Neutralität überzeugen.

    «Jeder siegreiche Krieg gegen Russland mit unserer nachbarlichen Beteiligung belädt uns mit dem dauernden Revanchegefühl Russlands, das wir ohne einen Kriegsgrund angefallen haben»

    – warnte Bismarck. Er erklärte, man dürfe die Russen «weder aus Furcht vor Frankreich noch im Liebesdienste Englands angreifen». Diese kluge Politik festigte die Beziehungen zwischen Berlin und Sankt Petersburg, was wiederum Preußen in die Lage versetzte, sich mit russischer Rückendeckung langfristig zur führenden Macht in Deutschland aufzuschwingen.

    (…)

    Von den Ostgoten bis Kreta und Tobruk: In dieser Sonderausgabe lässt Historiker Jan von Flocken wichtige Entscheidungsschlachten unserer Geschichte noch einmal Revue passieren. Zu bestellen unter compact-shop.de. Foto: COMPACT

    Zu den blutigen Legenden dieses Krieges zählte der sogenannte Angriff der Leichten Brigade. Während der Schlacht von Balaklawa am 25. Oktober 1854 ritten 670 britische Dragoner, Husaren und Lanzenreiter eine Frontalattacke gegen die verschanzte Artilleriestellung auf dem Fedjuchin-Hügel. Die Brigade unter dem Kommando von Generalmajor Lord James Cardigan verlor innerhalb weniger Minuten die Hälfte aller Männer, nur 195 kehrten auf ihren Pferden zurück. Ein Augenzeuge, der britische Stabsoffizier John Gough, berichtete: «Das schmerzvolle Gemetzel, welches das feindliche Feuer unter ihnen anrichtete, hielt ihren Lauf nicht auf. Sie gingen kopfüber in den Tod.»

    Einen militärischen Wendepunkt setzte am 8. September 1855 die Eroberung der Malakow-Festungswerke von Sewastopol durch die Franzosen unter General Patrice de MacMahon. Zeuge dieses Kampfgeschehens war ein 27-jähriger russischer Adeliger und Artillerie-Offizier namens Leo Tolstoi, der sich demnächst als Schriftsteller einen Namen machen sollte. Bei ihm heißt es: «Auf den Bastionen von Sewastopol war nirgends mehr eine Seele zu erblicken. Alles war tot, wüst, entsetzlich, aber nicht still: Die Zerstörung dauerte fort. Auf der durch neue Explosionen abbröckelnden Erde lagen überall zerborstene Lafetten, die Menschenleiber – russische und feindliche – unter sich begraben hatten.»

    (…)

    Nach dem Tod von Zar Nikolaus I. am 2. März 1855 verlor die kampfbereite Partei in Sankt Petersburg an Boden. Sein Sohn und Nachfolger Alexander II. war eine eher friedliche Natur und wollte den Krieg beenden – vor allem, da zuletzt auch Österreich den vollumfänglichen Kriegseintritt angedroht hatte. Der Frieden von Paris setzte dem Konflikt im März 1856 ein Ende: Das Osmanische Reich wurde nicht nur in seiner bisherigen territorialen Ausdehnung einschließlich seiner Eroberungen auf dem christlichen Balkan bestätigt, sondern erhielt darüber hinaus noch den Südosten Bessarabiens und weitere Gebiete von Russland. Es war Bismarck, der auf dem Berliner Kongress von 1878 dafür sorgte, dass der Zar einen Gutteil dieser Abtrennungen wieder zurückbekam. Dennoch hatte der Krimkrieg die Friedensordnung des Wiener Kongresses von 1815, bei dem die großen europäischen Monarchien sich gegenseitig Beistand versichert hatten, unwiederbringlich zerfetzt. Die sogenannte Heilige Allianz war in rivalisierende Bündnisse zerfallen – der Krimkrieg war das Vorspiel zum Ersten Weltkrieg, wenn auch in anderen Konstellationen.

    Dieser Artikel erschien im COMPACT-Magazin 07/2022. Diese Ausgabe können Sie in digitaler oder gedruckter Form  hier bestellen.

    13 Kommentare

    1. Von Russland Lernen am

      Also Britannien, Frankreich und Türkei kämpften gegen Russland. Und das war dann der erste "WELTkrieg gegen Russland, ja ? Manno, die armen, verfolgten Russen , ständig müssen sie sich ihrer Haut wehren. Ist übrigens die Logik jedes Imperialisten : Erst wenn ich alle anderen unterjocht habe, kann ich sicher sein, nicht unterjocht zu werden. Formallogisch stimmt es sogar..

    2. Verbrannte Erde am

      "Westmächte" , ein schiefer Ausdruck, denn es handelte sich gerade mal um England u. Frankreich. Daß Preußen dankend ablehnte, weil es nichts zu gewinnen sah, war nur staatsklug und hatte mit der Slawophilie, welche von Compact kultiviert wird, nicht das geringste zu tun. Warum die Franzosen sich beteiligten ist rätselhaft, aus englischer Sicht war der Krieg so sinnlos nicht, wie es bei oberflächlicher Betrachtung scheint . Schließlich waren die englischen Besitzungen in Indien für Britannien ungeheuer wichtig und Russland war die einzige Macht , die Indien den Briten hätte streitig machen können , über Afghanistan und Khyber-Pass. Womit Russland auch liebäugelte (und es 1979 ja auch versuchte ). Die Briten mussten also daran interessiert sein, ihre militärischen Möglichkeiten über einen langen Seeweg hinweg zu testen. Das Debakel der Leichten Brigade beruhte auf einem schlampigen, mißverstandenen Befehl . Die Russen schlugen sich recht mäßig, die Angreifer hatten die größten Problem nicht mit den Russen , sondern mit der Weite des Raumes, dem Klima , Seuchen und Mangel an Nachschub. Einen Sieger gab es eigentlich nicht, man verlor schließlich die Lust an der Sache. Den Krimkrieg nachträglich im Sinne duginistischen Verfolgungswahns umzudeuten ist ahistorische Geschichtsklitterung.

    3. Roter Stern am

      ganz genau, IMMER ÄRGER MIT RUSSLAND!!!

      Kann nur an UNS liegen, oder?

    4. jeder hasst die Antifa am

      Es haben schon viele Feinde versucht Moskau zu erobern alle sind kläglich gescheitert,auch die Nato und Amis werden das bitter zu spüren bekommen,denn die Russen werden noch zu Patrioten erzogen und geben ihr leben für ihr Land, im Gegensatz zu den Gegenderten Vaterlandslosen Gesellen der Nato,ich würde für dieses Gewissenlose Pack von Politikern keinen Finger rühren.

    5. Der Krimkrieg fand von 1853 bis 1856 zwischen dem Russischen Kaiserreich und dem Osmanischen Reich statt. Frankreich, Großbritannien, Piemont-Sardinien (Italien), Kaisertum Österreich und Preußen wurden im Laufe des Krieges teils mehr oder weniger involviert. Der Krimkrieg war der erste gesamteuropäische Krieg und somit unmittelbarer Vorläufer des Ersten Weltkrieges.

      Den Anlaß zum Krieg gab das sogenannte „Mönchsgezänk“ orthodoxer und katholischer Mönche um die Rechte an den heiligen Stätten. Frankreich unterstützte die Katholiken, Rußland die Orthodoxen. Rußland forderte von der Türkei eine Protektoratsstellung in Palästina, um die orthodoxen Glaubensbrüder zu schützen. Es herrschte ein ständiger Streit zwischen den katholischen und orthodoxen Gemeinden in Palästina über die Kontrolle der christlichen Stätten.
      Hintergründig ging es jedoch um einen Ausbau der russischen Vormachtstellung auf den Dardanellen und dem Balkan. Rußland wollte die Donaufürstentümer Moldau und Walachai, Serbien und Bulgarien als selbständige Staaten unter russischen Schutz stellen. Um dies auch ideologisch zu untermauern, wurde die sogenannte Slawentheorie etabliert, indem ein angebliches Volk von „Slawen“ erfunden wurde, die alle angeblich des russischen Schutzes bedurften.

    6. Willi Brune am

      Russische Panslawisten haben sich mit England, Frankreich und später den USA verschworen, Deutschland, das an diesem Krieg VÖLLIG unschuldig war, zu vernichten und Compact macht daraus:
      "Der erste Weltkrieg gegen Russland".
      Mehr muss man nicht wissen.

      Mal sehen, ob sich Widerstand regt.

      • Willi Brune am

        Korrektur. Geht ja um den Krimkrieg hier.

        Fazit bleibt: hier ist Russland immer unschuldig und andere haben immer Schuld.
        Und weil Russland so friedlich ist, hat es so ein großes Imperium.

      • Wernherr von Holtenstein am

        Willi Brune: "(…) und Compact macht daraus: ‚Der erste Weltkrieg gegen Russland‘."

        Eine Frage der Semantik. Es ist ein Unterschied, ob da steht:

        "erster Weltkrieg"

        oder eben

        "Erster Weltkrieg".

        Gern geschehen …

        • Richtig, Compact schreibt: ‘Der erste Weltkrieg gegen Russland’.
          Da fragt man sich; Gab es Weltkriege gegen Russland?
          Ich kenne nur 2 Weltkriege. Und die wurden beide gegen Deutschland geführt.

        • Wernherr von Holtenstein am

          @ Bernd

          Manch einer sieht da auch nur EINEN – allerdings für einige Jährchen unterbrochenen – ca. 30jährigen Weltkrieg. Von 1914 bis 1945. Wie auch immer …

          Wenn man sich die Weltgeschichte anschaut und – EINE Definition von "Weltkrieg" bleibt schwierig – könnte man auch andere "Weltscharmützel" unter "Weltkrieg" einordnen. Nehmen wir Alexander den Großen – der überfiel damals fast die gesamte bekannte Welt und machte sie sich Untertan. Oder den Korsen Napoleon. Der zog auch gen Moskau sowie nach Ägypten und das durch jede Menge anderer Länder, welche er alle – vorerst – besiegte. Oder den "richtigen" 30jährigen Krieg. Wer tummelte sich da alles in Deutschland?! Oder Amerika während der Kolonialisierungszeit und auch danach: Alle gegen alle! Selbst wenn man die 200 Jahre US-Geschichte zusammenfaßte – da verging "kaum eine Woche", ohne daß die USA irgendwo auf der Welt Krieg führten. Allein die Friedenstaube Obama führte gar sechs oder sieben während seiner Amtszeit. – Tja, wat ist‘ nu‘ ene Weltkriech?!

          Habe die Ehre.