Heute erstreckt sich die Vergangenheitsbewältigung auch auf die lange Zeit als mustergültig geltende deutsche Kolonialpolitik. Unser Autor Dr. Gert Sudholt wagt eine Gegenrede. Die Rolle der Deutschen in der Kolonialgeschichte ist viel besser als ihr Ruf. Das verdeutlichen wir in unserer neuen Geschichtsausgabe „Deutsche Kolonien – Viel besser als ihr Ruf“. Das Heft ist ab Mitte Februar erhältlich, Sie können es aber schon jetzt hier vorbestellen.

    _ von Dr. Gert Sudholt

    Nur aufgrund einer internationalen Ausnahmesituation konnte das Zweite Deutsche Kaiserreich ausgerufen werden. Bismarck war sich  darüber im Klaren, dass das junge Deutsche Reich von überall her gefährdet war. Bismarcks kleindeutsche Reichsgründung von 1871 war letzten Endes nur eine partielle Verwirklichung des Paulskirchen-Programms.

    Sie war bereits beherrscht von der zweifelsfreien Gewissheit, dass die Einigung der deutschen Stämme vor allem außenpolitisch durchgesetzt werden musste. Dies war mit ein Grund dafür,  dass er in den Einigungskriegen von 1864 – 1870 weitgehend auf territoriale  Ansprüche verzichtete und somit keinerlei imperiale Politik verfolgte, denn er fürchtete  Koalitionen gegen das Reich. Er wollte den Frieden um der inneren Festigkeit des Reiches und Europas sowie um der Bestandssicherung  willen.

    Das System Bismarcks

    Deshalb erklärte er das Reich für „saturiert“ und bemühte sich um eine Situation, in der alle europäischen Großmächte das Wohlwollen Deutschlands benötigten und durch wechselseitige Verträge von Koalitionen gegen das Deutsche Reich abgehalten wurden.

    Hervorzuheben sind hierbei:

    – Das Dreikaiserabkommen Österreich/Ungarn – Russland – Deutsches Reich von 1873.

    – Der Berliner Kongress im Jahr 1878.

    – 1879 der Zweierbund des Reiches mit Österreich – Ungarn.

    – 1882 der Dreibund zwischen Deutschland, Italien und Österreich/Ungarn.

    – 1887 der Rückversicherungsvertrag mit dem Zarenreich.

    Programmatisch äußerte sich Bismarck  dazu am 6. Februar 1888 in seiner letzten großen Reichstagsrede vor seiner Entlassung aus dem Amt:

    „Wir Deutschen fürchten Gott, aber sonst nichts auf der Welt, und  die Gottesfurcht  ist es schon, die uns den Frieden  lieben und pflegen lässt!“

    Zwei Motive für deutsche Kolonien

     Die Beziehungen zum Britischen Empire wurden in diesen Jahren von Bismarck in der Schwebe gehalten. Bei all diesen politischen Schachzügen Deutschlands, die Bismarck – teilweise gegen starke Widerstände – durchsetzte, ging es weniger um  deutsche Selbstbestimmung als um ein diplomatisch-militärisches Geschicklichkeitsspiel mit vielerlei Fäden, die er genial zu verknüpfen verstand.  Der kundige  Diplomat wusste  um die  Sensibilität britischer Außenpolitik, zu deren Konstanten es gehörte auf dem Festland stets die stärkste Macht gegen die zweitstärkste auszuspielen. So verfolgte Bismarck eine Politik, die sich an dem berühmten  Wort des Grafen Alfred von Schlieffen  orientierte „Mehr sein als scheinen“ orientierte.

    Ein Gebäude im norddeutschen Backsteinstil an der chinesischen Pazifikküste: Das von den Deutschen errichtete Brauereigebäude in Tsingtao, heute das einzige Biermuseum Chinas. Foto: kikujungboy CC I Shutterstock.com.

    Während die europäischen Großmächte bereits begannen sich die Welt des 19. Jahrhunderts aufzuteilen, wurde im Herzen Europas  erst das Deutsche Reich gegründet. Die 1884 einsetzende  politisch einzig relevante deutsche Kolonialpolitik  hatte  vor allem  zwei Initialmomente:

    1. Das volkswirtschaftliche Bedürfnis.

    Die rasch anwachsende Industrie Deutschlands verlangte sowohl nach Bezugsquellen für dringend benötigte Rohstoffe als auch nach Absatzgebieten der Fertigwaren. Hanseatische Kaufleute waren schon lange an der westafrikanischen Küste und in der Südsee tätig. Ihre Niederlassungen waren aber ohne jeden staatlichen Schutz vor möglicherweise rebellierende Bevölkerung  und dem Konkurrenzkampf mit Firmen ausgesetzt, die sich auf die Förderung  ihrer Mutterländer stützen konnten.

    1. Die Stärkung des deutschen Nationalgefühls.

    Diese wurde durch die Begründung des geeinten Deutschen Reiches und die Erkenntnis hervorgerufen, dass zwischen  den Jahren 1878 und 1884 886.500 Einwohner auswanderten. Dies betrachtete  man als eine schwere nationale Schädigung, der unbedingt abgeholfen werden musste.

    Diese  Grundlagen bildeten in erster Linie die zunehmende koloniale Begeisterung im Bismarck-Reich.

    Erste Schritte in Kamerun

    Schließlich wurde im Jahre 1878 in Berlin ein „Zentralverein für Handelsgeographie und Förderung der deutschen Interessen im Ausland“ gegründet, der bald im ganzen Deutschen Reich Ortsvereine bilden konnte. Zwei Jahre später wurde in Düsseldorf der Westdeutsche Verein für Kolonisation und Export ins Leben gerufen. Dessen Geschäftsführer, der Rechtsanwalt und Forscher Hübbe-Schleiden, veröffentlichte 1881 die viel beachtete Schrift „Deutsche Kolonisation“.

    Der Westdeutsche Verein stand unter dem Einfluss des Reeders Woermann. Er hatte im Juni  1883 eine Denkschrift verfasst, in der sich der hanseatische Handel für eine neue Afrikapolitik einsetzte  und den Schutz durch das Deutsche Reich forderte. Der Reeder  Woermann fand  Geldgeber für die Gründung eines Pflanzungsunternehmens in dem in Deutschland damals noch wenig bekannten  Kamerun. Am 12. Juli 1884  Juli erfolgte  ein Vertragsschluss über  Nutzungsrechter zwischen Vertretern  der hamburgischen Handelshäuser Woermann  und Jantzen & Thormählen und Duala- Häuptlingen mit Kenntnis der deutschen Reichsregierung.

    In Frankfurt am Main  kam es am 6. Dezember 1882 – dem Namenstag des Heiligen Nikolaus, des Schutzpatrons der Kaufleute und Seefahrer – zur Gründung des Deutschen Kolonialvereins, dessen geistiger Vater Fürst Hermann zu Hohenlohe-Langenburg war. Den bei der Gründungsversammlung Anwesenden rief der Frankfurter Oberbürgermeister die Worte zu:

    „Die Kolonialfrage soll eine Frage sein, hinter welcher die ganze Nation steht.“

    Wie intensiv das Kolonialinteresse im deutschen Volk zugenommen hatte, zeigt die gewaltige Ausbreitung des Deutschen Kolonialvereins innerhalb von Jahresfrist: an 492 Orten hatte der Verein sich etablieren können. Die Kolonialbegeisterung im Deutschland der 1870er und 80er Jahre, die viel mit den Gründerjahren zu tun hatte, aber wenig mit Imperialismus in Verbindung gebracht wurde, flaute nach dem Erwerb der Schutzgebiete rasch ab. Sie hatten nicht das gebracht, was man sich erhofft hatte.  Flotte und Flottenbau gerieten in den damaligen Focus.

    Kein Interesse an Taiwan

    Der Reichskanzler Bismarck verhielt sich freilich in Fragen des Erwerbs überseeischer Gebiete, vor allem in den ersten Jahren nach der Reichsgründung, äußerst zurückhaltend; wohl auch aus Besorgnis gegenüber England. Hatte sich doch  das europäische Gleichgewicht  durch die Entstehung des Zweiten Deutschen Kaiserreiches verschoben. Bismarck war daher bemüht, keine ernsthafte Verstimmung Englands hervorzurufen.

    So ist es auch nicht überraschend, dass das Deutsche Reich noch 1874 Hamburger Kaufleuten auf den Fidschiinseln keinen Reichsschutz  gewährte. Im nämlichen Jahre lehnte Bismarck ebenso die angebotene Schutzherrschaft über die  der ostafrikanischen Küste vorgelagerte Insel Sansibar ab. Als aber Ende der 1870er Jahre ein „internationales Wettrennen“ sowohl  in der Besitzergreifung durch verschiedene europäische Nationen als auch in der Erforschung des Inneren Afrikas anhob, hielt Bismarck dann doch die Stunde gekommen. Deutschland, das im englischen Kolonialkrieg gegen Amerika  so viele seiner Bürger für die Kolonisierungsgelüste anderer Nationen geopfert hatte, stellte nun auch seinerseits Ansprüche.

    Eine Einheimische am wunderschönen Strand von Sansibar. Teile der Insel zählten für eine gewisse Zeit zum deutschen Kolonialbesitz, wurden dann aber an England im Tausch gegen Helgoland abgetreten. Foto: Dan Baciu | Shutterstock.com

    Die ersten vorsichtigen Schritte in der kolonialen Frage des Reichskanzlers scheiterten am Reichstag. Diese parlamentarische Niederlage veranlasste Bismarck, koloniale Dinge künftig  in der Öffentlichkeit nicht mehr zu erörtern.  Als der Kommerzienrat Bahre in Bochum Anfang 1883 wieder einmal den Plan der Erwerbung Formosas, des heutigen Taiwan, vortrug, sagte Bismarck:

    „Zu den Kolonien gehört ein Mutterland, in dem das Nationalgefühl stärker ist als der Parteigeist. In diesem Reichstag ist es schon schwer genug dem Reich zu erhalten, was es schon hat, sogar das Heer im Inlande. So lange das Reich nicht finanziell konsolidiert ist, dürfen wir an so teure Unternehmungen nicht denken. Kolonialverwaltung wäre nur Vergrößerung des parlamentarischen Exerzierplatzes. Direkte Kolonien können wir nicht verwalten, nur Handelskompanien unterstützen. Dazu wäre ein nationaler Reichstag nötig mit anderen, höheren Zielen als der Regierung Schwierigkeiten zu machen und Reden zu halten.“

    In diesen Sätzen wird Bismarcks Kolonialauffassung deutlich, dass die Flagge dem Handel folgen, dass die Nation zur Fahne stehen müsse. Sie fand natürlich nicht den Beifall der deutschen Wirtschaft, die sich in Afrika –  wie ihre Wettbewerber in den anderen Nationen – unter dem Schutz des heimischen Staates etablieren wollten.  Innenpolitisch ist diese Haltung durchaus nachvollziehbar,  aber ob sie den wirtschaftspolitischen Interessen des jungen Deutschen Reiches entsprach, kann in Frage gestellt werden. Gewiss ein Punkt  der zu Gegenreaktionen des  weniger weitsichtigen Kaisers führte.

    Den ersten Teil des Textes können Sie HIER lesen.

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    5 Kommentare

    1. Dan Warszawsky am

      Das Problem war an diesen Staatskonstrukt, dass der letzte Kaiser ein Sohn der britischen Prinzessin Victoria II. war. Er sprach mit der Mutter nur auf Englisch und der Briefverkehr war ebenso aussließlich in Englisch. Der Vater erwies 1871 England einen großen Dienst mit den Sieg über das Französische Weltreich (oder was noch übrig war) und bekam dafür seinen Privatreich. Ein bisschen Überseekolonien dörfen auch sein, zumindest für eine kurze Weile… die Feinde Englands wurden bekämpft und die konkurrierenden Weltreiche, wie Russland u. a. Das ganze müsste, so der McKinder Plan, in der britischen Hegemony enden, und es funktionierte 100 Jahre lang genauso, mit der Hilfe der V. S. von Amerika und anderen Kolonialkonstrukten.
      Die neue Weltordnung, die 1 Welt-Diktatur ist etwa vor 150 Jahren geplant worden. Die Geschehnisse, wie die sog. Weltkriege, Gründung des Völkerbundes, bzw. UNO, WHO, IWF, WEF usw. dienten ausschließlich den Interessen der Abkömmlinge britischer Aristokraten und Oligarchen in dem "Reich wo die Sonne niemals untergeht".

    2. Gut, dass Bismarck 1914 nicht mehr erleben musste!
      In der Rückschau kann man sagen, dass sein Aufbauwerk innerhalb von nicht einmal 25 Jahren, also einer Generation, verspielt wurde. Und das nicht einmal mutwillig, sondern offenbar hat politische Ungeschicklichkeit und Fehleinschätzung ausgereicht. In diesen Jahren wurden jedenfalls die Allianzen gegen Deutschland geschmiedet, die uns dann ab 1914 zum Verhängnis wurden.

      Warum fällt mir beim Stichwort ‚Ungeschicklichkeit‘ eine gewisse Annalena B. ein? Man mag den Gedanken gar nicht weiterverfolgen. Soviel Instinkt hat sie immerhin bewiesen, dass sie sich mit Bismarck nicht vergleichen kann, und hat deshalb konsequenterweise sein Portrait abgehängt.

      • Erwin Rommel am

        Bismarck war zwar zu 100% ein Erzkonservativer und ein Stände Verfechter, aber ein kluger Mann in der Außen und Innenpolitik. Deutschlands Abstieg begann eigentlich schon mit der Entlassung von Bismarck durch den unerfahrenden Brausekopf Wilhelm den Zweiten. Man kann es kann es ganz deutlich auf den Fotos sehen, das zwiespältige Verhältnis zwischen dem Reichskanzler und dem jungen Kaiser…..genauso identisch ist das gemeinsame Foto und Verhältnis vom Reichspräsidenten Hindenburg und Reichskanzler Hitler. Der Held von Tannenberg und Generalfeldmarschall hatte nicht viel Sympathie für den böhmischen Gefreiten über.

    3. Adolfine Kirchberg am

      Was waren das für goldene Zeiten unter dem schönen Banner Schwarz Weiß Rot ! Schlägt dein Herz für Schwarz Weiß Rot kommt, das Volk aus der Not und es gibt Freiheit und Brot. Schlägt dein Herz aber für Schwarz Rot Gold, bist du nur ein Unhold…Ich kann es garnicht genug sagen, lieber ein Ewiggestriger und Romantiker, als ein GrünerJunkie und Multikulti Wahnsinniger ! Deutsch sein heißt seinen Heimatland treu sein bis in den Tod.