Heute erstreckt sich die Vergangenheitsbewältigung auch auf die lange Zeit als mustergültig geltende deutsche Kolonialpolitik. Unser Autor Dr. Gert Sudholt wagt eine Gegenrede. Die Rolle der Deutschen in der Kolonialgeschichte ist viel besser als ihr Ruf. Das verdeutlichen wir in unserer neuen Geschichtsausgabe „Deutsche Kolonien – Viel besser als ihr Ruf“. Das Heft ist ab Mitte Februar erhältlich, Sie können es aber schon jetzt hier vorbestellen.

    _ von Dr. Gert Sudholt

    In der Mitte der 1960er Jahre, als die 68er sich anschickten, die Bundesrepublik auf den Kopf zu stellen, überraschte der damals schon  umstrittene Historiker  Fritz Fischer  mit seinem Buch „Griff zur Weltmacht“  die Öffentlichkeit und löste eine  Imperialismusdebatte aus, die auch die  behauptete Problematik eines  deutschen Dranges nach Weltherrschaft beinhaltete.

    Fritz Fischers falsche Diagnose

    Natürlich  sah es  Fischer als ein typisches Kind seiner Zeit als bewiesen an, dass  das Deutsche Reich   imperialistisch geprägt war und dass Kaiser Wilhelm II. und das junge Deutsche  Reich die Nummer eins auf dem Globus werden wollten.

    Fischers Fritze und seine  abenteuerlichen  Thesen  stießen durchaus  auf Widerspruch unter ernsthaften  Historikern. Es regte sich  erheblicher Widerstand. Ein erster Historikerstreit entbrannte und der Gelehrte verschwand in der Versenkung akademischer Bedeutungslosigkeit. Vor 60 Jahren war es vorrangig um den  Imperialismus der Großmächte des 19. Jahrhunderts gegangen.

    Wenn wir aber heute über Imperialismus sprechen, so denken wir  fast immer an die Bestrebungen des amerikanischen Ostküstenkapitals, das, ausgehend von seinen politischen und finanziellen Zentren in Washington und New York, bestrebt ist, den ganzen Erdball zu beherrschen; ihm die Handlungs- und Denkweise des „American  way  of  life“ aufzuzwingen und sie abhängig zu machen.

    Kampf um die Filetstücke

     Mit  dem Begriff  „Imperialismus“ verbinden jedoch die älteren Zeitgenossen  jene Staaten  Europas, die unter den verschiedensten Vorwänden Kolonien gegründet und die einheimischen Völker und Kulturen entweder vernichtet  oder unterworfen haben: Da waren zuerst die Spanier in Mittel- und Südamerika, die sich teils über den Umweg  einer wenig sensiblen  Christianisierung halbe Kontinente unter den Nagel rissen. Ihnen folgten auf den damals entdeckten Seewegen Portugiesen, Briten, Franzosen und Niederländer, also jene Völker, die über Zugänge zu den Weltmeeren  und über entsprechende Flotten verfügten. Sie wollten zu den Gegenküsten, sie wollten  Gewürze  und Silber nach Europa verschiffen und Geschäfte machen. Sie wollten Rohstoffe, Reichtümer  sowie neue Handelsplätze. Sie sagten Christentum und meinten Kattun.

    Die klassische Epoche des Imperialismus bildete jedoch das 19. Jahrhundert –  die Welt war vollends entdeckt. Nun galt es, sich aus dem Globus  die Filetstücke zu sichern. Wir sprechen von jenem Zeitraum, der in etwa mit der Französischen Revolution einsetzt und mit  den Schüssen von Sarajewo 1914 endet. Diese Epoche kann als  das Zeitalter des Ausgreifens der Europäer in die Welt bezeichnet werden. Es war aber auch das Zeitalter des europa-zentrierten Weltbildes, in der fünf europäische Großmächte das Schicksal der Welt in den Händen hielten: Russland, England, Frankreich  Österreich –Ungarn und Deutschland.

    Blick auf die im Fernen Osten Russlands gelegene und 1860 im Zuge der russischen Ostausdehnung gegründete Metropole Wladiwostok. Foto: FUCKtograff I Shutterstock.com.

    Etwa zur gleichen Zeit bis in  die Anfänge des  20. Jahrhunderts hinein begann die russische Kolonisation über den Ural bis nach Wladiwostok. Ebenso setzte auf dem amerikanischen Kontinent vom Atlantik ausgehend  der Weg nach Westen, die Durchdringung des Kontinents in Richtung Pazifik ein. Gerade die Siedler Nordamerika entsprachen durchaus dem Zug der imperialen Zeit: 1845 votierte der US-Kongress für die Annexion von Texas, das zu Mexiko gehörte. Dies führte zum Mexikanisch–Amerikanischen Krieg   von 1846 – 1848, den die USA gewannen. Mexiko wurde in einem Knebelungsvertrag gezwungen, mehr als die Hälfte seines Staatsgebietes an die USA abzutreten. Das waren immerhin  1.650.000 Quadratkilometer. Das sind mehr Quadratkilometer, als Deutschland, Frankreich  Großbritannien  und Italien heute zusammen aufweisen.

    Rhodes: „Ausdehnung ist alles“

    Die politischen Mächte des 19. Jahrhunderts teilten die unterworfenen Kontinente in Einflussbereiche und Interessenssphären streng nach Längen- und Breitengraden. Die Landkarte des Schwarzen Kontinents zeugt heute noch von diesem  imperialen  Unsinn, der Kongo ist das beste Beispiel. Der Kongo ist auch das Paradebeispiel für kolonialen und  imperialen Missbrauch  des belgischen Königs Leopold I. Interessanterweise scheinen auch  die Grenzen einiger US- Staaten mit dem Lineal und dem rechten Winkel gezogen zu sein.

    Der britische Kolonialist Cecil Rhodes in einer Karikatur des Magazins «Punch» (1892). Sein Schritt geht von Kairo bis zum Kap. Quelle: Edward Linley Sambourne (1844–1910), CC0, Wikimedia Commons

    Den europäischen und nicht zuletzt auch deutschen Ausgriff in die Welt charakterisierte der 1971 verstorbene Göttinger Historiker Percy Ernst Schramm mit den folgenden Worten:

    „Es war eine Epoche, in der es nicht nur für die Deutschen, sondern auch für die Engländer, Franzosen, die Belgier, die Russen und Japaner und die Nordamerikaner eine Selbstverständlichkeit war, sich bei der endgültigen Aufteilung der Erde so viel wie möglich zu sichern.“

    Zu ähnlichen Schlussfolgerungen gelangt auch der Historiker Gustav Adolf Rein, wenn er betont, dass ein neuer Wettlauf eingesetzt habe und dass er die ganze Erde mit allen Völkern aufteile. Sei es durch unmittelbare Inbesitznahme, sei es durch wirtschaftspolitische Interessenssphären. Dieser nationalistisch bestimmte und übersteigerte Imperialismus, wie er sich in dem zeitgemäßen Wort von Cecil Rhodes ausprägt  „Ausdehnung ist alles“, führte zum Abstieg des Abendlandes im  20. Jahrhundert und bewirkte in Folge die Vernichtung der Vorherrschaft  Europas über  Weltmeere sowie die Völker in Übersee. Er beförderte die Befreiungsbewegungen der Völker der Dritten Welt;  allen voran  Mahatma Gandhi  in Indien, der diesen Schrumpfungsprozess  der imperialen Mächte beförderte.

    Das gefährdete Deutsche Reich

    Deutschlands Eintritt in den Kreis der Kolonialmächte und damit in die Gruppe der sogenannten imperialistischen Staaten fällt in die letzten zwei Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts.  Man  wird dem Wirtschaftshistoriker Wilhelm Treue gerne  zustimmen, wenn dieser  betont:

    „Ich selbst bezweifle, dass es einen deutschen Imperialismus gegeben hat und, dass Bismarck ein Imperialist gewesen ist – wenn die Bedeutung dieser Bezeichnung grundsätzlich vergleichbar sein soll, insbesondere mit der in England, wo es eine Empire – Ideologie sowie eine imperialistische Missionsidee gegeben hat, sowie mit der in Frankreich gebräuchlichen!“

     Es ist an dieser Stelle wichtig darauf hinzuweisen, dass Otto von Bismarck sich der Einmaligkeit und der Außergewöhnlichkeit der Reichsgründung  vom 18. Januar 1871  in Versailles  bewusst war. Durch sie wurde zum ersten Male seit dem Mittelalter wieder eine starke europäische Macht in der Mitte Europas geschaffen. Nur aufgrund einer internationalen Ausnahmesituation konnte das Zweite Deutsche Kaiserreich ausgerufen werden. Bismarck war sich  darüber im Klaren, dass das junge Deutsche Reich von überall her gefährdet war.

    Den zweiten Teil dieses Textes veröffentlichen wir morgen.

    Alles Wichtige über unsere früheren Kolonien lesen Sie in COMPACT-Geschichte Nr. 18: „Deutsche Kolonien – Viel besser als ihr Ruf“. Lassen Sie sich nicht von antideutschen Historikern und Massenmedien in die Irre führen. Den opulent illustrierten Prachtband, der in wenigen Wochen erscheint, können Sie HIER BESTELLEN.

    6 Kommentare

    1. man sollte erwähnen, die damaligen globalisten, imperialisten sich bereits über eine neue weltordnung geeinigt hatten, die neue machtstrukturen bedingte, um die welt zu unterwerfen, damit begann der ganze wahnsinn. der sieger schreibt die geschichte und damit gleichfalls die geschichte der deutschen, denn europa wurde einfach zu mächtig geworden, während das britische empire gnadenlos untergehen zu drohte. die damaligen globalisten zentrierten sich im british empire

    2. Eine "Vergangenheitsbewältigung" gibt es nicht, kann es nicht geben. Das sind feuchte Träume linker Ideologen. Aber man kann, wenn man wirklich will, aus der Vergangenheit lernen und mithilfe der Kenntnis vergangener Ereignisse und Vorgänge die Gegenwart verstehen und vielleicht meistern. Aber den Ideologen ist die Vergangenheit lästig und unbequem. Sie wirkt wie ein Spiegel, der ihre hässliche Fratze wiedergibt. Genau deswegen wollen sie die Vergangenheit "bewältigen" und möglichst ungeschehen machen.

      • "Bewältigen", ein schönes Wort, das seinen Ursprung in der Gewalt findet. Bewältigen ist ein Synonym zu "überwinden" und nicht so intensiv wie "überwältigen", allerdings mit demselben Wortstamm.

        Was bedeutet in diesem Zusammenhang "Vergangenheitsbewältigung"?

    3. Deutschland zuerst am

      Da habe ich doch einen Ausspruch von Bismark gefunden:
      „Gesetze und Würste haben eines gemeinsam: Es ist besser NICHT zu wissen wie sie hergestellt werden!“
      Otto von Bismarck
      Nun weis ich weshalb die Grünlinge den Bismark so fürchten!!

      • Bussi Busfahrer am

        Ja, ja: Wenn das rauskommt, was in die Wurst reinkommt…
        Gurkensalat gehört aber auf keinen Fall rein!

    4. Viele von den Westmächten kolonialisierte Staaten nahmen sich die 1871 erfolgte Gründung eines Deutschen Kaiserreichs zum Vorbild für das Streben nach eigenen volkskulturgemäßen Nationalstaaten, die unabhängig von den Kolonialmächten sein sollten. Ähnliche von Bismarck inspirierte Bestrebungen waren der Panslawismus in Mitteleuropa und Theodor Herzls Konzept eines Judenstaates.

      Die von Europa global-kolonialistisch verbreiteten Konzepte wirtschaftlicher Produktivität waren teils ausbeuterisch, teils brachten sie tatsächlich Wohlstand, der aber durch regionale Bevölkerungsexplosionen gefährdet oder zunichte gemacht wird.

      Der dem Mathilde-Ludendorff-Kreis nahestehende Autor Fritz Vater ("Probleme des Bismarck-Reiches") bedauert die Serie von Einsetzungen unfähiger Reichskanzler durch Wilhelm II, was die von Bismarck erkannte Gefährdung des Deutschen Kaiserreiches drastisch verschlimmert habe. Der 1990 von Wilhelm II. entlassene geniale Bismarck hatte in der 5-Mächte-Konstellation das Deutsche Kaiserreich immer in einer Dreier-Koalition gehalten, die von seinem Nachfolger Caprivi durch Stopp des Rückversicherungsvertrages mit Russland zerstört wurde.