Gerold von Braunmühl, Alfred Herrhausen und Detlev Karsten Rohwedder gelten als letzte Todesopfer des deutschen Linksterrorismus. Wurden sie wirklich von der geisterhaften dritten Generation der RAF ermordet, die nach der Verhaftung von Daniela Klette im Mittelpunkt des Interesses steht? Kennedy, Barschel, Haider: Viele spannende Fälle, die wir in unserer Spezialausgabe „Attentate des Tiefen Staates“ aufklären. Hier mehr erfahren.

    _ von Gerhard Wisnewski

    Die Bombe hüllte die schwarze Limousine augenblicklich in eine Rauchwolke, hob sie in die Luft und ließ sie um 90 Grad gedreht wieder auf die Fahrbahn krachen. Während sich aus der Fahrertür mit den Worten „Luft, Luft!“ eine blutende Gestalt fallen ließ, blieb im hinteren Teil des Wagens alles ruhig. Die Person im Fond war zur Seite gesunken und rührte sich nicht. Es war der 30. November 1989, 8:34 Uhr.

    Ungereimtheiten und ein fehlender Reflektor

    Der Name des Mannes: Dr. Alfred Herrhausen, Vorstandssprecher der Deutschen Bank. Für die Behörden war sofort klar: Die Rote Armee Fraktion steckt dahinter. Doch bis heute gibt es keinen Beleg für die Täterschaft der Terroristen. Auch das sogenannte Bekennerschreiben mit dem RAF-Emblem, das gefunden wurde, beweist gar nichts – außer, dass jemand die RAF in Ver dacht bringen wollte: Es trug keine Fingerabdrücke, hatte keine unverwechselbaren Drucksymbole oder Schreibmaschinentypen.

    Dafür gibt es zahlreiche Ungereimtheiten: Herrhausen sei mithilfe einer Lichtschranke ermordet worden, lautete die offizielle Darstellung. Doch elementare Bestandteile einer solchen Einrichtung fehlten am Tatort unweit von Herrhausens Wohnhaus im hessischen Bad Homburg. Entgegen den Angaben des Bundeskriminalamtes (BKA) wurde dort nie ein Reflektor gefunden, der den Lichtstrahl von der linken auf die rechte Straßenseite hätte zu rückwerfen können.

    Niederländischer Fahndungsaufruf nach Daniela Klette. Die nun gefasste Ex-Terroristin wird der dritten Generation der RAF zugeordnet. Foto: Paulo Amorim I IMAGO.

    Wie wichtig der Reflektor für diese Theorie ist, war auch dem damaligen BKA Präsidenten Hans-Ludwig Zachert klar – und deshalb behauptete er steif und fest, ein solcher sei „an der der Sprengvorrichtung gegenüberliegenden Straßenseite an einem Begrenzungspfahl befestigt aufgefunden» worden. Nur hatten Ermittler am Tatort eine ganz andere Erinnerung.

    Im Fadenkreuz der USA

    Ein Oberstaatsanwalt berichtete dem Innenausschuss des Bundestages:

    „Von dem Reflektor haben wir tatsächlich nichts gefunden. Wir haben sehr lange danach gesucht. Es gab da nichts.“

    Wieso ihn Zachert unübersehbar an einem Straßenbegrenzungspfahl hängen sah, blieb das Geheimnis des damaligen BKA-Präsidenten. Die Fahndungserfolge waren gleich null – genau wie beim Mord an Außenamtsdirektor Gerold von Braunmühl.

    Auch die Umstände dieses Attentats am Abend des 10. Oktober 1986 in Bonn verwiesen auf professionelle Täterkreise. Man schoss dem Chefdiplomaten mit einer Munition in die Brust, die seine Organe regelrecht zerfetzte. Untypisch für das Vorgehen von politischen Terroristen war auch der Diebstahl einer Aktentasche. Oft nahm der Beamte Papiere mit nach Hause. An diesem Abend enthielt der Koffer nach Aussagen des damaligen Innenministers Friedrich Zimmermann (CSU) „Verschlusssachen“ aus dem Außenministerium. Sehr wahrscheinlich befassten sich die Dokumente mit dem Gipfeltreffen am 11. und 12. Oktober 1986 in Reykjavik: Sowjet-Generalsekretär Michail Gorbatschow knüpfte weitere Abrüstungsbemühungen an einen Verzicht der Amerikaner auf ihr Weltraum-Verteidigungsprogramm SDI, ein Prestige-Projekt von US-Präsident Ronald Reagan.

    Gefahr SDI-Programm

    Von Braunmühl und sein Chef, der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP), waren Befürworter eines solchen Verzichts. Sie lagen damit auf einer Linie mit dem schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme, der in einem Interview gesagt hatte, Reagans SDI-Programm sei „illusorisch“ und „sehr gefährlich“ für den Weltfrieden.

    Palme war denn auch schon früher erschossen worden als Braunmühl, nämlich am 28. Februar 1986 in Stockholm. Der Modus Operandi war sehr ähnlich: ganz nach Profi-Killer-Art. Herrhausen hatte die internationale Konkurrenz mit seinem Vorschlag, den Ländern der Dritten Welt 50 Prozent ihrer Schulden zu erlassen, gehörig geärgert. Dies hätte vor allem die US-Geldhäuser getroffen, die auf einem Berg wackliger und schlecht abgesicherter Kredite saßen.

    Durch die Initiative des Deutsche-Bank-Chefs ermutigt, dachten einige Entwicklungsländer bereits darüber nach, ihre Zahlungen zurückzuschrauben. Nicht nur für einzel ne Banken, deren Forderungen nur noch auf dem Papier standen, hätte das den Todesstoß bedeutet. Längst waren internationale Banken voneinander abhängig wie aufgereihte Dominosteine. In einer Rede vor dem Los Angeles World Affairs Council warnte der damalige CIA-Direktor William Webster am 19. September 1989, in den nächsten Jahren würden US-Politiker ein Auge darauf haben, wie Regierungen und Gruppen, deren Ziele die nationale Sicherheit der USA bedrohen, das internationale Finanzsystem nutzen würden.

    Zu den Fragen, „die unsere nationale Sicherheit berühren“ nannte der Geheimdienstchef an erster Stelle die Schuldenkrise. Manches spricht dafür, dass der Großbanker nicht der RAF zum Opfer fiel, sondern ihm sein „feindliches Verhalten“ gegenüber US-Kreisen zum Verhängnis wurde.

    Wildwest im Osten

    Mit einem Präzisionsschuss wurde am 1. April 1991 in seinem Haus in Düsseldorf Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder ermordet. Er war praktisch Herr über die gesamte Wirtschaft und den „volkseigenen“ Besitz der ehemaligen DDR. Das Projektil zerstörte gleichzeitig Wirbelsäule, Aorta, Speise- und Luftröhre. Am Tatort hinterließen die Täter ein RAF-Symbol. Auch Rohwedder hatte zu Lebzeiten jenseits des Atlantiks kräftig Prügel bezogen.

    Protestierende Stahlarbeiter der Maxhütte Unterwellenborn (1990). Der Einigungsvertrag vom 2. Juli 1990 bürdete den früheren DDR-Bürgern große Lasten auf. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-1990-1219-006 / Franke, Klaus / CC-BY-SA 3.0, creativecommons.org

    Schließlich gaben die Amerikaner ihrem Gast den Rat mit auf den Heimweg, doch lieber internationale Investmentbanken mit der Abwicklung früherer DDR-Betriebe zu beauftragen… Als nach Rohwedders Tod Birgit Breuel, Mitglied der Atlantik-Brücke, Treuhand-Chefin wurde, verbesserte sich das Verhältnis zu den Amerikanern bemerkenswerterweise schlagartig.

    Drei perfekte Morde

    Kernpunkt ihrer neuen Strategie: die Einschaltung internationaler Investmentbanken, die im Auftrag der Behörde ganze Unternehmenspakete anbieten sollten. Besonders eng arbeitete die Staatsholding Treuhandanstalt mit Instituten wie Goldman Sachs, S. G. Warburg, J. P. Morgan & Co. und Merrill Lynch zu sammen. Doch merkwürdigerweise wurden „nicht alle lnvestmenthäuser und Merchantbanken (…) von der Treuhand mit Großaufträgen bedacht“, meldete die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

    Ausgerechnet Morgan Grenfell, die unter Herrhausen eingekaufte Investment-Tochter der Deutschen Bank, blieb außen vor. Selbst wenn die damalige RAF in der Lage gewesen sein sollte, in Geheimdienstmanier die drei perfekten Morde an Gerold von Braunmühl, Alfred Herrhausen und Detlev Karsten Rohwedder zu begehen, wird die These bei der Frage, wem die Morde genützt haben könnten, unglaubwürdig.

    In ihren Bekennerschreiben begründeten die Linksterroristen ihre Taten stets mit der Vision einer „menschlicheren Gesellschaft“. Doch warum sollten sie dann Alfred Herrhausen getötet haben, der die Schuldenlast der Dritten Welt lindern wollte? Warum sollte die RAF Gerold von Braunmühl ermordet haben, der dem Star-Wars-Projekt SDI ablehnend gegenüberstand? Und warum sollte sie Detlev Karsten Rohwedder umgebracht haben, der marode Betriebe in der DDR ernsthaft sanieren wollte, während danach die Weichen in Richtung einer harten Privatisierung gestellt wurden?

    Bei Anruf Mord: In COMPACT-Spezial „Attentate des Tiefen Staates“ behandeln wir unter anderem folgende politischen Morde: JFK, Uwe Barschel, Bobby Kennedy, Martin Luther King, John Lennon, 9/11, Oktoberfestattentat, RAF-Morde, Möllemann, Haider, Kiesewetter (NSU), Lumumba, Sankara, Milosevic, Gaddafi, Djindjic, Breitscheidplatz (Anis Amri), Marylin Monroe und Magufuli – der Querdenker-Präsident von Tansania, der sich gegen Lockdown und Impfpflicht stemmte. In „Attentate des Tiefen Staates“ (84 Seiten, reich bebildert) wird nicht theoretisiert, sondern ermittelt. Hier bestellen.

    18 Kommentare

    1. armin_ulrich am

      Es stellt sich aber die Frage, warum das RAF-Phantom ausgerechnet jetzt wiederbelebt wird. Vergl. auch den Artikel "Phantom der Oper".

    2. Es ist schon extrem auffällig, dass in der Bunten Republik praktisch noch nie ein politischer Mord mit weitreichender Wirkung über den Strafakt hinaus, auch nur annähernd aufgeklärt worden ist oder wäre.

      Herrhausen, v. Braunmühl, Rohwedder, NSU-Morde, Mord an den zwei "Uwes", Barschel, Möllemann, Buback, Mord an der jungen Polizistin im NSU-Fall, etc. pp.

      Die Bunte Republik ist offenbar ein kriminelles , korruptes und verfilztes Drecksloch sui generis. Mit Rechtsstaatlichkeit hat das schon lange nichts mehr zu tun.

    3. Der Denker am

      Beim Herrhausen-Mord stellt sich noch die Frage, wie denn die angebliche Vorrichtung den Unterschied zwischen Herrhausens Wagen und dem kurz zuvor passierenden Schulbus gemacht hätte … Auch auffällig ist, dass der Begleitwagen einen viel zu grossen Abstand hatte und nicht als erstes von beiden Fahrzeugen die Explosion ausgelöst hatte! (Und es ist ja wohl nicht davon auszugehen, dass wenn es Terroristen gewesen sein sollten, die schön brav hinter dem Gebüsch sassen und warteten, bis das Zielfahrzeug richtig platziert war.)
      Und woher konnten Terroristen wissen, dass Rohwedders Arbeitszimmer – als fast einziger Raum im Haus – über keine schusssichere Scheibe verfügt?

    4. Wenn Herrhausen den Schuldenerlass durchgesetzt haette, waeren die "City" und die "Wall Street" bankrott gewesen. Der Mossad hat das fuer die Rothschilds verhindert.

    5. HERBERT W. am

      Mit ihren Anschlägen hatte sich die RAF zum perfekten Sündenbock gemacht, dem man die hier angeführten Morde plausibel in die Schuhe schieben konnte. Allerdings galten deren Aktionen den großen Stützen des Systems. Die kleinen Leute hatten eher nichts zu befürchten, wenn sie nicht gerade zufällig im Wege standen. Da gibt es so manch andere Typen, die man sehr sorgfältig im Auge behalten sollte.

    6. Was den einen der Rollator ist den anderen der Reflektor. Bin immens beeindruckt von der Qualität dieses Schauspiels.

      • "Reichsbürger" und RAF-Terroristen sind doch beide eine Rollatoren-Truppe, auf die das System jetzt Jagd macht…

    7. Ackermann wurde später gefragt. "Was würde passieren, wenn Sie auch einen Schuldenerlass vorschlagen würden wie Herrhausen?" Seine Antwort: "Dann würde es mir auch ergehen wie Herrn Herrhausen." Das fällt aber einer völlig verdummten Bevölkerung nicht mehr auf.

    8. Heinzinger am

      schon damals glaubte kein Mensch daran das Herrhausen und Rowetter von der RAF umgebracht worden wäre.Alles Quatsch man vermutet noch heute das der Mossad seine Hände mit im Spiel hatte. Man muss sich nur Anschauen was Herrhausen und Rowetter vorhatten. das war bestimmt nicht etwas was im Interesse der RAF lag. Folge dem Geld dann kommt ihr schon dahinter wer damals davon Profitieren konnte.Naturlich war das für das Klientel der einfache weg.und schon fragte kein Arsch mehr nach dem Sinn.

      • So ist es ! Auch beim NSU in Heilbronn war der amerikanische Geheimdienst vor Ort, was die Systemmedien erst ausplauderten und später plötzlich dementierten. Haider starb duch den Mossad, bei Rohweder denke ich eher an die Stasi.

    9. Vielleicht interessant.
      https://www.br.de/nachrichten/netzwelt/fall-daniela-klette-raf-ki-software-die-fast-jeden-finden-kann

    10. Bei Herrhausen möchte ich mit meinem Hintergrundwissen behaupten, daß dies keine RAF war. Der Anschlag war meisterhaft geplant und durchgeführt und auch der Sprengstoff bzw. die Art der Sprengvorrichtung war professionell. Dazu waren die Terroristen der RAF nicht fähig. Soll sich jeder mal Gedanken machen wer da 1989 dafür in Frage kommt. Eine Verbindung zu NS2 wäre hier naheliegend.

    11. Norbert Leser am

      Daniela Klette
      Nach 30 Jahren plötzlich als Sündenböckin präsentiert

      •25. Jan. 2024
      Wolfgang Effenberger publiziert in apolut:
      "Vier Attentate begleiten die deutsche Wiedervereinigung"
      1989/91 Herrhausen, Rohwedder, Schäuble, Lafontaine
      Motiv: USA wollen Deutschland auch dadurch gezielt zum Entgleisen bringen.

      Hans Dietrich Sander 2006 über dieses US-Ziel:
      "Wesen und Verwesen der BRD"
      2006 konnte man es noch ignorieren. 2024 Operation gelungen.

      •02. Feb. 2024 derselbe Artikel in Neue Rhein. Zeitung

      •14. Feb. 2024 XY ungelöst, Fahndungsaufruf nach Frau Klette und 2 Kollegen.
      Auch das nur Tarnung:
      Kurz VOR(!) XY: Bellingcat (!) aus England und ein "Journalist" aus Kanada ( in Kanada zu langweilig?) geben den dt. Behörden Hinweis auf Frau Klette.

      Kurz danach Festnahme mit großem Tamtam. Sündenböckin serviert. Eigentliche Mörder gedeckt. Wie von den Pipelinesprengern gewünscht.

    12. Bert Brech am

      Nicht der Terror selbst, sondern die Aufklärung des Terrors, egal ob von RAF oder NSU, ist eine Gefahr für "unsere" Demokratie.