Erstmals nach elf Jahren Streit und Trennung wieder ein gemeinsamer Auftritt: Kayvan Soufi-Siavash aka „Ken Jebsen“ und Jürgen Elsässer diskutierten am 16. März auf der Nuoviso-Konferenz .
Julia Szarvasy (Moderation): Das heutige Thema lautet: »Brandmauern und Bademäntel« Wir sprechen darüber, dass die Labels rechts und links längst verdreht, überholt und völlig antiquiert sind. In diesem Zusammenhang interessiert uns besonders eure Geschichte. Zunächst einmal: Herzlich willkommen, Jürgen Elsässer und Kayvan Soufi-Siavash! Kayvan, du gehst nächste Woche mit deinem Vortrag »Der Wortschatz der Menschheitsfamilie« auf Tour. Wir starten mit einem kleinen Quiz. Wer hat gesagt: »Leute mit Mut und Charakter sind den anderen Leuten immer sehr unheimlich.«
Soufi-Siavash: Das ist doch von dir.
Szarvasy: Nein, das ist von Hermann Hesse, aber danke schön, du schmeichelst mir. Ja, großartig! Und da dachte ich, das passt ja wie die Faust aufs Auge. Ihr beiden werdet dermaßen diffamiert und polarisiert seit vielen Jahren politisch sehr stark. Aber was ihr in den letzten Jahren an Diffamierung einstecken musstet, passt auf keine Kuhhaut. Habt ihr das jemals bereut?
Elsässer: Wenn der Feind dich bekämpft, ist das gut und nicht schlecht.
Szarvasy: Oder auch: Viel Feind, viel Ehr.
Elsässer: Ja, also bereuen geht gar nicht, und sich zurückziehen ist keine Option. Mich bestärkt es immer, wenn man den Gegner an einer wunden Stelle getroffen hat. Natürlich jaulen sie dann auf, aber ich bleibe heiter. Ich gehe davon aus, dass es ein Lachen sein wird, das sie besiegt.

Szarvasy: Und wie geht es dir, Kayvan? Nach all diesen Jahren, in denen du viel Prügel einstecken musstest.
Soufi-Siavash: Ja, ich habe mir vorgenommen, heute deutlich weniger zu reden – und auch langsamer. Nicht, dass jemand glaubt, ich könnte nur Monologe halten – dem ist nicht so. Zunächst möchte ich mich bei Jürgen bedanken. Jürgen war der Erste, der mich eingeladen hat, als ich bei der Rinderbesamungsanstalt Brandenburg – abgekürzt RBB – entlassen wurde. Damals beim COMPACT-Magazin hat er gesagt, er möchte meine Standortbegründung einmal ungeschnitten und »ungelanzt«, wie man heute sagt, hören – also, wie das wirklich abgelaufen ist. Das tun nicht viele. Er war der Einzige. Nochmal, Jürgen, vielen Dank!
Elsässer: Das war 2011.
Soufi-Siavash: Ja, genau. Also, wir laden mal den ein, um den es da geht, und lassen ihn zu Wort kommen. Und weil du von Prügel gesprochen hast, muss man sich die Frage stellen: Wer prügelt da auf wen ein? I. F. Stone, dieser berühmte Journalist, hat ja mal gesagt: »Jede Regierung lügt.« Wir sind Journalisten, und wenn wir unsere Arbeit gut machen, kriegen wir Prügel – das ist unsere Art von Lohn. Die Frage ist, von wem wir die Prügel bekommen – von denen, die ertappt werden. Entscheidend ist, wie die, für die wir recherchieren, uns tragen. Und wenn sie uns nicht getragen hätten, dann würden wir hier nicht sitzen. Von daher: Wenn man einen Journalismus betreibt, den alle in der Regierung lieb haben, dann ist das eben Propaganda. Und wenn man seinen Job richtig macht, kann man nicht erwarten, dass die Politiker einen mögen. Dann hat man aber alles richtig gemacht. Das gehört zum Berufsbild.
16. März 2025: Ein historischer Tag
Szarvasy: Ihr beide seid ja Urgesteine der unabhängigen Medien, oder der freien Medien, manche sagen auch alternative Medien. Und euch beide kenne ich persönlich erst seit 2014 und konsumiere beide Formate regelmäßig. Jürgen Elsässer, du hast damals und auch heute das rechte Spektrum dieser unabhängigen Medien bedient. Und Kayvan, du hast mit KenFM eher ein linkes Spektrum bedient. Deshalb hat so eine Art kleine Brandmauer zwischen den Konsumenten von COMPACT und den Konsumenten von KenFM existiert. Dass ihr beide jetzt hier auf dieser Bühne sitzt, bedeutet also, die Brandmauer ist eingerissen, oder wie deutet man das?
Elsässer: Also, das ist wirklich ein historischer Tag. Ich weiß nicht, ob Sie sich darüber im Klaren sind. Das ist nicht nur eine wunderbare Veranstaltung, sondern ein historischer Tag, weil diese kleine Brandmauer in der Opposition damit öffentlichkeitswirksam gefallen ist. Wie Kayvan schon sagte, wir haben ab 2011 super zusammengearbeitet. Ich war oft bei dir und du warst oft bei uns, sowohl in den Sendungen als auch im Printmagazin. Aber 2014 gab es dann dieses Zerwürfnis. Kurz gesagt, es waren damals die Montagsdemonstrationen, die sehr erfolgreich waren und wir beide haben das unterstützt. Aber irgendwann hat damals noch Ken gesagt, okay, der Elsässer, das geht nicht mehr, der ist zu rechts. Und dann ist das Ganze auseinandergeflogen. Diese schöne neue Friedensbewegung ist dann auch auseinandergebrochen, weil das Faszinierende an der damaligen Bewegung gerade dieser Querfrontcharakter war, dass linke und eher rechte Personen gut zusammengearbeitet haben. Und nachdem der Zauber weg war, ist alles auseinandergefallen. So war es die ganzen letzten Jahre. Wir hatten dann wieder Kontakt, haben bei Corona telefoniert, weil da auch wieder ein bisschen Querfrontcharakter zu spüren war, besonders bei den großen Demos in Berlin. Aber wir haben nichts zusammen gemacht, wir haben nur telefoniert. Ich habe auch noch mit einem anderen Kämpfer eine ähnliche Geschichte, mit Diether Dehm, mit dem du ja auch viel gemacht hast. Mit dem habe ich immer Kontakt gehalten, er mit mir. Aber er hat gesagt, Jürgen, ich kann nicht mit dir öffentlich auftreten, sonst bin ich weg vom Fenster. Er war ja auch lange noch Bundestagsabgeordneter der Linken. Lange Rede, kurzer Sinn: Auch mit Diether Dehm werde ich in Kürze einen öffentlichen Auftritt haben. Also auch da fällt die Brandmauer in der Opposition. Und in der jetzigen Lage ist das essentiell, denn wir erleben seit letzter Woche eine unheimliche Ohnmacht. Der Merz marschiert durch, ohne Rücksicht auf Verluste, bricht alle Wahlversprechen, verursacht ungeheure Staatsverschuldung und macht grüne Politik, obwohl er gesagt hat, er will das Gegenteil tun. Und es schadet ihm nicht. Es gibt keinen Protest in der CDU. Es gibt keinen Protest auf der Straße. Es gibt noch nicht einmal eine Bewegung in den Umfragen. Das Volk ist so in einer Starre, es ist deprimierend. In dieser Lage, wenn wir es schaffen, einen neuen Aufbruch zu setzen, im Sinne von 2014, dass Leute aus unterschiedlichen Spektren zusammenkommen, dann gilt hier keine Brandmauer. Das könnte dem Volk neuen Mut geben.

Szarvasy: Wusstet ihr, dass im Russischen das Wort für Brandmauer »Brandmauer« ist? Das deutsche Wort entspricht dem russischen Wort. Sie sagen »Brandmauer«. Das finde ich klasse, dass sich die Russen da eines total deutschen Wortes bedienen. Also wahrscheinlich ist das zu deutsch gedacht. Eine Brandmauer trennt ja in Deutschland rechts und links. Und ihr seid zwei sehr interessante Persönlichkeiten, denn du, Jürgen, kommst ja aus einem sehr, sehr linken Milieu. Du warst ja sogar Kommunist. Hast du sogar – also das sagt man dir zumindest nach – in den 90er Jahren die antideutsche Bewegung mitbegründet. Und jetzt bist du aber voll rechts außen. Und Kayvan, du bist eigentlich ja auch links sozialisiert. Und jetzt machst du AfD-Werbung und bist für viele Urlinke wahrscheinlich auch ein total schwarzes Tuch. Also, wie sind denn diese Begriffe heutzutage überhaupt noch ernst zu nehmen? Würdet ihr für mich – es ist mir egal, wer anfängt – mal definieren, was ist denn rechts und links heute? Können wir überhaupt noch von diesen Vokabeln sprechen?
„Das war ein Fehler von mir“
Soufi-Siavash: Naja, also wir wollen jetzt nicht über die Basis reden. Es kommt ja auch von der Französischen Revolution, wer wo saß. Da gab es auf der einen Seite die besitzende Klasse, die war eher rechts, hat man gesagt, und die, die sich nach oben gekämpft haben, waren eher die Linke. Diese ganzen Dinge waren mal als Orientierung sicher in Ordnung. Aber die Dinge haben sich heute furchtbar vermischt. Denn es spielt ja keine Rolle, ob du jetzt im Sozialismus oder im Kapitalismus hinter der Bandmaschine stehst oder im Band – du hast immer mit einem Kapital zu tun, das nicht dir gehört. Da gab es übrigens auch schon gute Analysen von Hafner dazu, dass man sich das mal anschauen muss. Was Adolf Hitler vor allem gebraucht hat, war, die Leute zu sozialisieren. Von der Geburt bis zur Bahre hat er die Menschen ständig begleitet. Deswegen diese Begriffe. Wir haben es ja neulich bei Alice Weidel gehört, sie hat gesagt, dass Adolf Hitler gar nicht rechts war. Da kann man klug drüber nachdenken, er war sicherlich öffentlich so rechts. Aber was ist an ihm eigentlich links? Ich sage mal, er war offen für die Macht. Das trifft es, glaube ich, am ehesten – er war offen für die Macht. Und diese Begriffe rechts und links werden natürlich heute benutzt, um das zu tun, was Cäsar ja auch schon gesagt hat: »Teile und herrsche.« Wer darf mit wem nicht zusammenarbeiten? Ich persönlich habe mich von diesen Begriffen getrennt. Ich habe Jürgen ja auch noch als einen sehr linken Journalisten kennengelernt, der für die Junge Welt und Neues Deutschland geschrieben hat. Das sind jetzt keine rechten Gazetten. Obwohl, weiß man ja nicht – die verkaufen bedrucktes Papier und folgen der Anzeigenabteilung. Ist das nicht auch schon rechts? Schwierig. Ich habe ja nicht als politischer Journalist angefangen. Ich habe als Musikjournalist angefangen und habe mich aufgrund dessen, wie ich groß geworden bin, als einen Linken gesehen. Aber ich habe angefangen zu hinterfragen, ob ich das je war. Man wird benutzt, man wird in Schubladen gesteckt und dann sagen die anderen: »Da darfst du nicht raus, sonst wird es ganz schlimm.« Und das ist ja die Idee hinter links und rechts, der Trennung. Diese Brandmauer hat es letztlich immer gegeben. So ist unser Parteienapparat aufgebaut: Mit denen darfst du nicht. Aber niemand ist nur rechts oder nur links. Wenn ich das mal runterbreche: Für mich ist rechts heute etwas, wo ich sage, das ist Tradition, konservativ. Dann habe ich eine Tradition. Ich bin konservativ. Ich bin ja auch Familienvater. Dann hat man gewisse Traditionen, ist konservativ. Man möchte gerne wissen, wo der dreijährige Sohn um 21 Uhr ist. Das ist dann rechts. Ich weiß nicht. Links ist, dass ich sage, ich möchte, dass das Geld, das verdient wird, gerecht verteilt wird. Das ist für mich das Linke. Einfach auch die Schwachen mitnehmen und ich sage, mir geht es gut. Das könnte man möglicherweise als links bezeichnen. Aber diese scharfe Trennung gibt es nicht mehr. Ich bin jetzt den Schritt nach vorne gegangen, weil du vorhin erwähnt hast, ich habe gesagt, dass ich mit Jürgen Elsässer nicht auf die Montagsmahnwachen will. Das ist nicht der Fall. Ich habe das nicht gesagt. Aber in meinem Umfeld waren Leute, die sich als klar links definiert haben. Sie sagten: »Hör zu, wenn du das mit dem jetzt zusammen machst, dann schadest du der Bewegung.« Und ich habe das damals geglaubt. Okay, das war ein Fehler, aber ich habe das geglaubt. Heute weiß ich, dass es ein Irrglaube war. Und warum? Weil, wenn dir Leute das Angebot machen, mit dem darfst du nicht reden, dann ist das nicht links. Dann ist es nur sektiererisch. Und das heißt, die arbeiten am Ende für die Macht. Ob die jetzt links oder rechts sind, das ist mir egal. Es gibt nur eine Pyramide, mit Leuten, die sehr viel Geld und sehr viel Einfluss haben und die unten, denen man die Möglichkeit gibt, A oder B zuzuklatschen. Ich glaube auch nicht, dass Elon Musk und Donald Trump die Welt retten werden. Das sind jetzt nur gerade unsere Eliten. Wir haben im Moment Freunde im Weißen Haus, aber die sind doch nicht wirklich unsere Freunde. Das hat auch nicht viel mit Demokratie zu tun. Da müssen wir ganz ehrlich sein. Wir sind noch lange nicht in der Demokratie, weil wir hoffen, dass wir das richtige Pferd haben, endlich mal jemand, der für uns klatscht. Was ich sagen möchte, ist: Was wir hier im Moment heute machen, ist natürlich für die Eliten der absolute Supergau. Da trifft sich die Bevölkerung. Und es ist denen völlig egal, wie du sie nennst. Das ist die Bevölkerung. So, und wenn du fragst, neben wem hast du da gesessen? Na, mit der Bevölkerung. An der Tankstelle spielt es doch auch keine Rolle, welche Partei du wählst oder in der Kirche oder im Supermarkt. Wer erzählt mir also, dass ich mit A, B oder C nicht reden darf? Übrigens, aus christlicher Sicht ist das totaler Bullshit. Totaler Bullshit. Und ich gehöre keiner bekennenden Religion an. Weil ich glaube, dass du Jesus Christus nicht damit hättest kommen dürfen: »Du redest mit Linken, du redest mit Rechten.« Der hat mit jedem geredet, auch mit der Unterschicht. Mit jedem hat er geredet. Also dieses B kannte der gar nicht. Das finde ich, wenn man diesen Hintergrund wählt und was ich elementar finde, ist: Wenn wir wirklich etwas in Deutschland ändern wollen und immer noch in einer Situation leben, die brandgefährlich ist, weil die Kuh in der Ukraine immer noch nicht vom Eis ist. Da gibt es nur eine Möglichkeit: Wir müssen erkennen, dass, wenn wir uns auf die Eliten verlassen und auf die warten, wir uns selbst die Daumen drücken, dass sie uns nicht über die Klinge springen lassen. Und das wäre höchst dumm. Das heißt, wir sollten aufhören mit dem Rechts-Links. Jeder kann sich sein Weltbild machen und sagen, in einer Frage stehen wir zusammen und zwar in der Frage zu Krieg und Frieden. So, und ganz einfach. Und wenn mir dann Leute sagen, mit dem darfst du nicht reden, weil der ist rechts, also der ist für Frieden, dann stimmt mit dem irgendwas nicht. Und jemand, der heute für Krieg ist, der ist nicht links, der hat nicht alle Tassen im Schrank. So. Und was ich dazu sagen möchte: Es ist ja so erstaunlich, dass die Grünen heute Joschka Fischer die Wehrpflicht wieder einführen lassen möchten. Das geht nicht, muss man sagen. Und der Hofreiter, der nicht gemustert wurde, möchte international Waffen einkaufen. Wenn ich an Brandmauer denke, dann denke ich an Willy Brandt. Er hat sie überstiegen, ist nach Moskau gefahren. Das ist für mich Brandmauer. Brandt fährt rüber und macht das einfach. Und daran sollten wir uns orientieren, eine Politik, wie sie Willy Brandt gemacht hat. Auch eine Politik, wie sie Helmut Kohl gemacht hat. Mit dem hätte man das ja niemals machen können. Ich hätte ja nicht gedacht, dass ich irgendwann Helmut Kohl zurückwünsche. Ehrlich jetzt mal. Hätte er alles nicht gemacht. Und wir haben es heute mit wirklich bildungsfernen Schichten im Regierungsviertel zu tun, die auf unsere Kosten Waffen einkaufen, während die ganze Infrastruktur kaputtgeht. Ich bin von Berlin hierher gefahren und habe vier Stunden gebraucht. Du kannst ja nicht schneller als 80 fahren. Was ist denn hier los? Ja, hier stimmt überhaupt nichts. Und was wir hier machen, ist insofern richtig. Mir ist das ziemlich egal, was irgendjemand von der Mainstream-Presse über mich sagt. Das sind nur gekaufte Idioten. Ja, das interessiert mich gar nicht. Und ich kann natürlich sagen, das COMPACT-Magazin ist mir manchmal ein bisschen zu laut, aber sie dürfen das machen! Das dürfen sie machen. Das ist alles legitim. Das ist alles Presse- und Redefreiheit. Und wenn eine Regierung so armselig ist, dass sie nicht nur gegen Journalisten vorgeht und die in Bademäntel steckt, sondern auch Autonomiebürger, die irgendwas gepostet haben, dann ist das so armselig. Das ist schon ziemlich totalitär. Und das ist die Situation, in der wir in Deutschland leben. Und spätestens als das COMPACT-Magazin kassiert wurde, habe ich gesagt, das geht einfach zu weit. Das geht einfach zu weit, weil erst das COMPACT-Magazin und dann sonst was. Dann muss man als Journalist aufstehen und sagen, da mache ich nicht mit. Er kann eine Meinung haben, er kann sie sehr spitz formulieren. Okay, das ist alles rechtens. Und wenn man sagt, den darf man jetzt kassieren, wenn ich das unterschreiben würde, bin ich morgen dran. Und das ist ein Trick, uns die freie Presse zu nehmen. Die haben wir sowieso nicht, aber uns die letzte freie Presse zu nehmen, auch mit Debunking, die Banken kündigen, das ist vollkommen armselig und das 30 Jahre nach dem Mauerfall! Ich kann nur sagen, ich bin entsetzt, was sich hier abspielt. Bin entsetzt, ja. Und deswegen, da bin ich auch schon beim Schluss. Diese ganze Spalterei zwischen rechts und links soll uns in der Bodengruppe nur schwächen. Und da mache ich nie wieder mit. Nie wieder. Sondern ich rede erst recht mit denen, mit denen ich nicht reden darf. Ich bin bei Apolluta auch sehr konsequent gewesen. Ich berate im Hintergrund. Ich habe gesagt, hör zu, der meistverfolgte Mann im deutschsprachigen Raum ist hier ein Martin Sellner. Der kriegt bei mir eine Rubrik. Warum? Weil ich möchte wissen, was er zu sagen hat und nicht, was andere über ihn sagen. Ich lasse ihn zu Wort kommen. Heißt ja nicht, dass ich seiner Meinung bin. Aber bei uns dürfen alle Leute freisprechen. Auch ein Paul Brandenburg kann freisprechen, eingollan, und auch du. Jeder, der freisprechen möchte, kann freisprechen. Demokratie kann und muss das aushalten. Und wer das verbieten will, ist kein Demokrat.
Szarvasy: Jürgen, deine Meinung interessiert mich natürlich auch. Du hast ja mal gesagt, der kleinste gemeinsame Nenner der Linken ist der Frieden. Heute kommt die Antifa und nennt dich Faschist. Wie passt das alles zusammen?
Elsässer: Also, es gibt nichts Faschistischeres, als Waffen und Panzer nach Osten zu schicken, um Russen töten zu wollen. Und ich selbst, ich werde ja als extrem rechts oder rechtsextrem dargestellt, aber ich fühle mich gar nicht so. Ich habe meine politischen Auffassungen relativ wenig geändert. Seit meiner Politisierung in den 70er Jahren war ich immer gegen den Imperialismus und gegen den Krieg und ich war immer für die arbeitenden Menschen. Dann kam die Migrationsfrage natürlich dazu, die gab es in meiner Jugend nicht. Okay, in der Migrationsfrage vertrete ich die Position der DDR. Die DDR hat nach meinem Dafürhalten eine ausgezeichnete Ausländerpolitik gemacht. Sie hat die Leute reingeholt, sie zwei, drei Jahre ausgebildet und dann als perfekt ausgebildete Leute zurückgeschickt in ihre Heimat, damit die Heimat aufgebaut werden konnte. Internationalismus nennt man das. Soll nicht verwechselt werden mit Globalismus. Und ich wollte noch ein aktuelles Beispiel bringen, welche Verheerungen dieses antiquierte Links-Rechts-Schema im Zusammenhang mit der Brandmauer erzeugt. Merz hat sich ja jetzt die Zweidrittelmehrheit im Bundestag gesichert für seinen Wahnsinn, indem er die Grünen gekauft hat, mit den 100 Milliarden. Das Verfassungsgericht in Karlsruhe hat es abgelehnt, das Prozedere zu stoppen. Auf Antrag der AfD und der Linkspartei, die ja beantragt hatten, dass der alte Bundestag das nicht beschließen darf, weil er abgewählt ist. Aber Karlsruhe hat die Klagen zurückgewiesen. Jetzt hätte es noch eine Möglichkeit gegeben, das doch noch zu stoppen. Und zwar, wenn der neue Bundestag einberufen wird, bevor der alte nochmal zusammentreten kann, um den Merzwahnsinn zu beschließen. Diese Möglichkeit hätte erfordert, dass ein Drittel der Abgeordneten des neuen Bundestages einen entsprechenden Antrag bei der Bundestagspräsidentin stellen. Die AfD hat den Antrag gestellt. Die Linkspartei hätte jetzt auch diesen Antrag stellen müssen. Und zwar nicht zusammen mit der AfD, sondern sie hätte einfach selber eine E-Mail schreiben müssen: »Wir als Linksfraktion im Bundestag beantragen, dieser neue Bundestag möge am Montag oder am Dienstag zusammentreten.« Das haben die Linken nicht zustande gebracht. Die haben das abgelehnt. Das heißt, vorher haben sie groß gesagt, das sind Kriegskredite, denen können wir nicht zustimmen und kein Geld für die Bundeswehr, und im Grunde sind wir für Abrüstung. Dieses wichtige Argument haben sie vergessen, weil ihnen die Brandmauer wichtiger war. Und was noch besonders absurd ist: Die Klage am Bundesverfassungsgericht, die sie letzte Woche eingereicht haben, hat die AfD parallel ebenfalls eingereicht. Also bei der Klage in Karlsruhe war die Linke noch nicht durcheinander und hat gesagt, okay, die AfD hat die gestellt, wir stellen sie auch nochmal. Aber beim Antrag an die Bundestagspräsidentin, den neuen Bundestag einzuberufen, da wollten sie plötzlich nicht dasselbe machen wie die AfD. Und so wird es jetzt nächste Woche durchkommen. Es sei denn, jetzt vertrauen wir ja alle auf Hubert Aiwanger, aber mein Vertrauen ist nicht so groß.
(Den Fortgang des Gespräches kann man sich auf dem YouTube-Kanal von COMPACTTV oder bei NuoFlix anschauen)
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Die ganze Geschichte um die Montagsmahnwachsen bzw. die neue Friedensbewegung 2014 wird in der Autobiographie von Jürgen Elsässer erzählt. Hier bestellen.