Es war ein Geniestreich, aber auch ein Drahtseilakt: Mit viel Herzblut, Beharrlichkeit und Verhandlungsgeschick ließ Otto von Bismarck der Deutschen Traum vom Reiche Wirklichkeit werden. Wir würdigen den wahren Kanzler der Einheit mit einer prachtvollen Silbermünze in unserer neuen Prägeserie „Deutsche Helden“. Des Reiches Herrlichkeit! Hier mehr erfahren.

    Im Herbst 1870 hatten deutsche Heere das französische Kaiserreich von Napoleon III. besiegt, aber der Kampf gegen die nun bestehende Republik Frankreich ging weiter. Während der vergangenen Kriegsmonate fanden Soldaten aus sämtlichen deutschen Ländern kameradschaftlich zueinander.

    Preußens Kanzler Otto von Bismarck sah den Zeitpunkt für sein großes Ziel, die Einheit Deutschlands, gekommen. «Paris lieferte mit unglaublichem Leichtsinn die ersehnte Gelegenheit. Bismarck brauchte nur zuzugreifen und die Aufwallung des deutschen Nationalgefühls in die Form des geeinten Reiches zu gießen», meint der französische Geschichtsschreiber Georges Roux.

    Ludwig II. von Bayern: Der Märchenkönig, sah das neue Reich eher skeptisch. Foto: CC0, Wikimedia Commons

    Ein Bund als Grundlage

    Schon 1867 war in Gestalt des Norddeutschen Bundes ein erster Schritt hierzu unternommen worden. Diese Union aus 22 deutschen Einzelstaaten stand unter der Präsidentschaft des Königs von Preußen, Wilhelm I., der seit 1861 regierte. Als Flagge führte der Bund die Farben Schwarz-Weiß-Rot. Dabei symbolisierte Schwarz-Rot die traditionellen Farben der Brandenburg-preußischen Hohenzollern, während Weiß-Rot das Signum der norddeutschen Hansestädte bildete.

    Nun, Ende 1870, in der Hochstimmung des Sieges über den französischen Erbfeind, galt es, auch die süddeutschen Länder Bayern, Württemberg, Baden und Hessen in die Gemeinschaft eines Deutschen Reiches zu führen. In Baden und Hessen gab es keinerlei Schwierigkeiten zu überwinden – Bevölkerung, Parlament und Monarchen waren schnell zur Einigung bereit. Die Einheit drohte nur noch an der Haltung Bayerns zu scheitern. König Ludwig II. verabscheute alles Preußische, und ihm schien der Gedanke unerträglich, sein Land unter die Botmäßigkeit der Berliner Politik zu stellen.

    Zähe Diskussionen folgten, während derer Bismarck viele Zugeständnisse an den Bundesgenossen in spe machte. Bayern sollte seine diplomatischen Vertretungen behalten, seine eigene Eisenbahn- und Postverwaltung, das eigenständige Heer in Friedenszeiten, juristische und finanzielle Autonomie. Diese Bedingungen wurden endlich vom bayerischen Gesandten Otto Graf Bray-Steinburg am 23. November 1870 angenommen. Zumal Bismarck mit der ihm eigenen Ironie noch versichert hatte, für seine Berliner parlamentarischen Kneipabende das Bier künftig nur aus bayerischen Brauereien zu beziehen. Jetzt ging es an die heikle Aufgabe, Ludwig II. zu überzeugen, dass er den König von Preußen zur Annahme der Kaiserkrone aufforderte.

    Der Eiserne Kanzler wandte sich an den in Versailles anwesenden Vertrauten und Oberstallmeister des Bayernkönigs, Maximilian Graf von Holnstein. Der «übernahm auf meine Bitte in dem Augenblick, wo die Kaiserfrage kritisch war und an dem Schweigen Bayerns und der Abneigung König Wilhelms zu scheitern drohte, die Überbringung eines Schreibens von mir an seinen Herrn, das ich, um die Beförderung nicht zu verzögern, sofort an einem abgedeckten Esstische auf durchschlagendem Papier mit widerstrebender Tinte schrieb», so Biamarck in seinen Erinnerungen.

    Was er tunlich verschwieg war die Ausnutzung eines Schwachpunktes von Ludwig – seine ungezügelte Baulust, die kaum noch zu bezahlen war. Also versprach Bismarck dem sogenannten Märchenkönig eine jährliche Zahlung von 300.000 Goldmark zur freien Verfügung.

    Für das deutsche Vaterland

    Holnstein traf am Vormittag des 30. November in Schloss Hohenschwangau ein. Doch Ludwig legte sich mit Zahnleiden zu Bett und weigerte sich, irgendjemanden zu empfangen. «Zahnschmerzen und Kopfschmerzen dienten ihm abwechselnd als Vorwand, sich vor der Erfüllung unliebsamer Pflichten zu drücken», schreibt sein Biograf Wilfried Blunt.

    Sechs Stunden musste Holnstein warten, bis er endlich zum König vorgelassen wurde. Der schrieb dann nach langen Diskussionen den von Bismarck im Wesentlichen vorgefassten «Kaiserbrief» an alle deutschen Monarchen. Darin hieß es:

    «Ich habe mich daher an die deutschen Fürsten mit dem Vorschlage gewendet, gemein-schaftlich mit mir bei Euer Majestät in Anregung zu bringen, dass die Ausübung der Präsidialrechte des Bundes mit Führung des Titels eines deutschen Kaisers verbunden werde.»

    Er habe sich dazu «in der Überzeugung bereit er-klärt, dass dadurch den Gesamtinteressen des deutschen Vaterlandes und seiner verbündeten Fürsten entsprochen werde.»

    Bayern trat daraufhin dem Norddeutschen Bund bei. Am 9. Dezember änderte der norddeutsche Reichstag den Namen des nunmehr erweiterten Staatenbundes in «Deutsches Reich». Doch nun erhob sich Widerstand von einer Seite, die man kaum erwartet hatte: Wilhelm I. Der 73-jährige, eher unkomplizierte und friedfertige Herr war Preuße durch und durch. Der Idee eines vereinten Deutschland konnte er nur wenig abgewinnen.

    General Reille überbringt die Kapitulationsurkunde an König Wilhelm I. von Preußen. Gemälde von Carl Steffeck, 1884. Bild: CC0, Wikimedia Commons

    Besonders empörte ihn, dass sein künftiger Titel nicht «Kaiser von Deutschland», sondern nur «Deutscher Kaiser» lauten sollte. In einer heute wenig verständlichen, aber treffenden Metapher fragte er Bismarck ärgerlich: «Was soll mir der Charaktermajor?» Im preußischen Heer war es üblich, jenen Offizieren, die es bei guter Führung nur bis zum Rang eines Hauptmanns gebracht hatten, nach ihrer Verabschiedung aus dem aktiven Dienst den «Charakter» des nächsthöheren Dienstgrades Major zu verleihen. Wilhelm meinte mit «Charaktermajor» also eine nur formelle Beförderung ohne Machtbefugnisse.

    Bismarck kämpft um das Reich

    Vergebens versuchten Bismarck und Preußens Kronprinz (nach anfänglicher Skepsis ein enthusiastischer Fürsprecher der deutschen Einheit), Wilhelm umzustimmen. Er erinnerte daran, dass schon sein verstorbener Bruder Friedrich Wilhelm IV. 1849 die ihm vom Parlament angebotene Kaiserkrone abgelehnt habe. Es spielten sich turbulente Szenen ab. Bismarck wies darauf hin, «dass der Titel Kaiser von Deutschland einen landesherrlichen Anspruch auf die nicht preußischen Gebiete einschließe, den die Fürsten niemals zu billigen bereit wären».

    Der Eiserne Kanzler wandte alle möglichen Kniffe der Überredung an, so etwa das Argument, Friedrich der Große habe auf seine Talermünzen «rex Borussorum» (der Preußen König) und nicht «rex Borussiae» (König von Preußen) prägen lassen. Wilhelm blieb indes jedoch weiterhin stur.

    Mitten in diese enervierenden Debatten platzte eine Hiobsbotschaft aus München. Bayerns Kriegsminister Siegmund Freiherr von Pranckh ließ wissen, falls beabsichtigt sei, im künftigen deutschen Reichsheer die bayerischen Soldaten statt ihres traditionellen Raupenhelms mit der preußischen Pickelhaube zu uniformieren, werde König Ludwig seine Unterschrift unter den Kaiserbrief zurückziehen. Bismarck notierte voll ohnmächtiger Wut:

    «Es ist eine Zeit, da der kalte Sumpf von Missgunst und Hass einem allmählich höher und höher bis ans Herz steigt.»

    Das Problem mit dem Raupenhelm wurde zügig gelöst (die Bayern durften ihn noch bis in die 1880er Jahre behalten), nicht aber das Problem König Wilhelm. Er drohte sogar mit Abdankung. Schließlich wandte sich Bismarck an den Großherzog Friedrich I. von Baden. Er war der Rangälteste aller in Versailles anwesenden Fürsten und zudem Schwiegersohn Wilhelms.

    Während der bevorstehenden Proklamation sollte er das erste Hoch auf den Kaiser ausbringen. Dem Badener gelang tatsächlich das Kunststück, Wilhelm I. zu überreden – überzeugen konnte er ihn nicht –, die Krone anzunehmen. Noch am Tag vor der entscheidenden Zeremonie machte er seinem Unmut Luft:

    «Morgen ist der unglücklichste Tag meines Lebens. Da tragen wir das preußische Königtum zu Grabe. Und daran sind Sie, Graf Bismarck, schuld!»

    So nahm das Schicksal seinen Lauf. Am 18. Januar 1871 marschierten deutsche Truppen in Paradeuniform hinter Spielmannszügen vor dem Schloss Versailles auf. Das Datum war gewählt worden, weil an diesem Tage 1701 der erste preußische König Friedrich I. in Königsberg gekrönt worden war. Aber warum ausgerechnet in Versailles? Wurde damit nicht Frankreich auf unerhörte Weise brüskiert? Die Gründe sind praktischer Natur. Man wollte die Hochstimmung der Deutschen nicht verstreichen lassen, deshalb drängte die Zeit; der Krieg war noch nicht beendet, und das Hauptquartier der deutschen Heere lag eben in Versailles.

    Am 18.1.1871 wird im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles das deutsche Kaiserreich proklamiert. Dieses Bild von Anton von Werner aus dem Jahre 1885 rückt vor allem Otto von Bismarck in den Mittelpunkt. Foto: CC0, Wikimedia Commons.

    Um 12 Uhr erklang ein Trommelwirbel, ein kurzes Kommando hallte durch den Saal. Der König von Preußen trat ein, gefolgt von mehreren deutschen Fürsten, Prinzen und Generalen. Er bestieg die kleine Empore, ihm zur Rechten stellte sich Kronprinz Friedrich Wilhelm auf, ihm zur Linken Otto von Bismarck.

    Sämtliche Anwesenden trugen Uniform. Nach der Rede des Hofpredigers Bernhard Rogge ertönte der Choral «Großer Gott, wir loben Dich». Wilhelm I. dankte in einer kurzen Ansprache den Repräsentanten der deutschen Einzelstaaten, die ihm den Titel eines Kaisers angetragen hatten und erklärte, dass er ihn pflichtgemäß annehme.

    Dann verlas der Kanzler die Kaiserproklamation. Darin wurde die Hoffnung ausgedrückt, «dass es der Deutschen Nation gegeben sein werde, unter dem Wahrzeichen ihrer alten Herrlichkeit das Vaterland einer segensreichen Zukunft entgegen zuführen.

    Dann erklärte Bismarck feierlich:

    «Wir übernehmen die Kaiserliche Würde in dem Bewusstsein der Pflicht, in deutscher Treue die Rechte des Reiches und seiner Glieder zu schützen, den Frieden zu wahren und die Unabhängigkeit Deutschlands, gestützt auf die geeinte Kraft seines Volkes, zu verteidigen (…) Uns aber und Unseren Nachfolgern an der Kaiserkrone wolle Gott verleihen, allzeit Mehrer des Reiches zu sein, nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern an den Gaben des Friedens, auf dem Gebiet nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung.»

    Großherzog Friedrich von Baden rief hernach: «Seine kaiserliche und königliche Majestät, Kaiser Wilhelm I. lebe hoch!» Das Deutsche Reich war somit auch de facto gegründet, und der 18. Januar wurde ab 1896 Nationalfeiertag. Ein politischer, wirtschaftlicher und militärischer Faktor ersten Ranges war entstanden.

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    7 Kommentare

    1. Bismarckzeit, eine Zeit des Aufbaus bis zur Blüte, wobei Preußen über Jahrhunderte vorgearbeitet hat, mit der Bildungsreform infolge der Napoleonkriege als wichtigem Zwischenschritt. Zwei Generationen später waren Preußen und dann auch das Kaiserreich voller genialer Erfinder und Unternehmer. Das krasse Gegenteil: Psychokrieg der sog. Frankfurter Schule seit zwei Generationen gegen alles Solide und Konstruktive bis zum derzeitigen Untergang.

    2. Peter vom Berge am

      Einige wenige Jahrzehnte des Glücks und der deutschen Hochblüte waren dem Reich beschieden, bis die Dämonen der Insel dem deutschen Traum ein Ende machten. Dann folgte ein Jahrhundert der Tränen und der Unterjochung unter amerikanischer Besatzung. Wird Deutschlandreich diese Prüfung bestehen? Wird es sich noch einmal zu neuer Größe aufschwingen?

      • @Die Reichsgründung
        800 Krönung Karls d. Gr.
        Eckstein deutscher Zeit (Lied der Linde)

        Bismarcks Leistung war die NEU-Gründung 1871.

        Den Vernichtungswillen Englands hat er sehr früh erkannt. Und war gegen Kolonien. Behielt leider nur allzu recht.
        Der in Kolonien und Flotte gesteckte Aufwand hat 1914 bei der Verteidigung gefehlt.

        Jetzt, 2023 geht es für DE ums Überleben.
        Und das hängt nicht nur von uns (Defensive) ab.
        Auch vom Ausgang des Großkonfliktes China -USA.

    3. Sprachgenie Bismarck, hier seine Originalstimme, aufgezeichnet 1889:
      https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/o-ton-aus-dem-19-jahrhundert-otto-von-bismarck-11635069.html

    4. "Das waren noch Zeiten."

      Wenn sie die Zwiebel schälen, was bleibt dann übrig? Der Kern. Adel/Adelung ist die Herrschaft des Volkes und zwar im Prinzip der Leistung und nicht der Erbfolge (der Vater war ein Genie, der Sohn Durchschnitt, der Enkel ein Idiot). So soll Adel verstanden werden. Durch besondere Leistung (als Unternehmer, als Wissenschaftler, als Politiker/Vordenker des Gemeinwesens, …) im Sinne des Volkes im Range der Macht aufsteigen. Ob du reich bist oder arm soll keine Rolle dabei spielen zum Adel des Volkes aufzusteigen. Es spielt ja auch keine Rolle beim Abschaum des Volkes ob du reich bist oder arm, nicht wahr?

    5. Bodensatz, der wertvolle am

      Das waren noch Zeiten.
      Aber heute erst!!
      Die Schweizer lassen DEUTSCHE Züge NICHT mehr durch die Schweiz fahren!! Am ersten großen Bahnhof in der Schweiz heist es: Endstation für diese Züge!! AUSSTEIGEN und UMSTEIGEN! In Zug der Schweizer Bahnen!!
      Ob das daran liegt das man bei DEUTSCHEN Bahnen nicht weis ob sie pünktlich ankommen oder ganz und gar nicht???
      Italienurlauber berichten das dort die Bahnen pünktlich auf die Minute sind. Wie bei den Eidgenossen auch!

      • Erstens: Was hat das mit der Kaiserkrönung oder mit Bismarck zu tun?
        Zweitens: Die häufige Unpünktlichkeit deutscher Züge bringt das Fahrplangefüge innerhalb der Schweiz mächtig durcheinander. Die SBB setzen daher Ersatzzüge ein, die den schweizerischen Streckenanteil so ziemlich nach Fahrplan befahren. Kommt der deutsche Zug (IC oder ICE) verspätet, so muß eben auf den nächsten Anschluß gewartet werden.
        Das ist doch vollkommen natürlich!