Kein deutscher Komponist ist weltweit bekannter als Ludwig van Beethoven. Auf allen Kontinenten zieht seine Musik die Menschen in ihren Bann. Dafür gibt es gute Gründe. Beethoven ist ein Leitstern, der uns «Die Schönheit unserer deutschen Kultur» vor Augen führt – wie auch Eduard Klaus in seinem gleichnamigen Prachtband zeigt. Hier mehr erfahren.
_ von Martin Richter
Ludwig van Beethoven ist nicht nur zum Sinnbild der klassischen, sondern zur Verkörperung der Musik überhaupt geworden. Es gibt wohl kaum einen anderen Kulturzweig, der so sehr mit einem einzelnen Künstler identifiziert wird. Beethoven, das ist Tonkunst; ihre Vollendung, das ist Beethoven.
Der auch nach seinem Tod schier erdrückenden musikalischen Masse und Klasse zum Trotz, herrscht er nach wie vor in den Konzerthäusern der Welt. Seinem zweifelsohne intellektuellen Anspruch an die Hörerschaft begegneten und begegnen nahezu alle, vom Musikwissenschaftler bis zum Laien, mit fast uneingeschränkter Anerkennung. Beethoven ist das Paradebeispiel dafür, dass künstlerische Perfektion und Beliebtheit einander nicht ausschließen müssen. Wie ist ihm das gelungen? Was ist an ihm einerseits so unwiderstehlich, wie erfüllt er auf der anderen Seite auch die Ansprüche der Snobs?
Beethoven fällt gerne mit der Tür ins Haus.
Ihn zeichnet aus, was für die Besten ihrer Zunft wesentlich ist. In fast allen Gattungen setzte er Maßstäbe, die State of the Art waren und sind. Ob Klaviersonaten, Instrumentalkonzerte, Symphonien oder Streichquartette, ob für Geige, Cello, ganze Orchester oder sein ureigenes Instrument, das Klavier – es existiert kein Gebiet, auf dem Beethoven nicht Referenz geliefert hätte.
Das mutet auch deshalb erstaunlich an, weil er für damalige Verhältnisse eher wenig komponiert hat. Das berühmteste und wohl schönste Violinkonzert der Geschichte etwa (op. 61) ist sein einziges. Im Bereich der Symphonie scheint es gar, als seien das Genre und der Komponist identisch, und das, obwohl er bloß neun Sonaten für Orchester verfasst hat – Haydn produzierte über 100, Mozart mehrere Dutzend.
Zauber
Bezüglich Schwierigkeitsgrad und Zugänglichkeit ist er geradezu multipolar. Von beinahe vordergründiger Eingängigkeit (op. 27,2, «Mondscheinsonate») bis zu abschreckender Sperrigkeit (op. 106, «Hammerklaviersonate»), von zehrender Ausdehnung (op. 55, Symphonie Nr. 3 «Eroica») bis zur Kurzweil (op. 13, «Pathétique», formvollendet in unter 20 Minuten) erstreckt sich der Beethoven‘sche Kontinent.
Pointiert: Beide, Schöngeist und Schlagerfan, kommen hier auf ihre Kosten, ohne dass dieser Umstand auf Kosten der Kunst ginge. Oder, um Franz Grillparzers punktgenaue Analyse aus seiner Grabrede zu zitieren: «Vom Girren der Taube bis zum Rollen des Donners, von der spitzfindigsten Verwebung eigensinniger Kunstmittel, bis (…) in die regellose Willkür streitender Naturgewalten, alles hatte er durchmessen, alles erfasst.»
Beethoven fällt gerne mit der Tür ins Haus. Ja, er tritt sie bisweilen sogar mit provokantem Lärm ein (op. 67, Symphonie Nr. 5, das berühmteste Motiv der Musikgeschichte). Er umschmeichelt uns mit Liebreiz, zuweilen nervt er, und gelegentlich spreizt er sich, wenn ihm sein Stück so sehr gefällt, dass er es kaum beenden mag. Trivial wirkt das aber nur auf Pseudo-Intellektuelle, Beifall heischend auf die Ungeduldigen.
Keiner gleitet stilsicherer von Satz zu Satz oder zwischen unvereinbar wirkenden Passagen hin und her. Von dunkel zu hell, vom Chaos zur Ordnung, von tosenden Fluten in ruhige Buchten und zurück: Beethoven trifft nicht nur im wahrsten Sinn des Wortes den richtigen, den direkt in unser Nervenzentrum einschlagenden Ton, er wählt auch eine ästhetisch bezwingende Abfolge (Gipfelpunkt und letztes Wort ihrer Gattung, dabei auch als Einstiegsdroge geeignet: Klavierkonzerte Nr. 3, 4 und 5, op. 37, 58, 73). Prolog, Expansion, Finale – musikalische Dramen beherrscht niemand besser als er. Den inneren Aufbau seiner Werke zeichnet neben größtmöglicher Logik eine Schönheit aus, die kein Naturschauspiel überbietet.
«Appassionata» lässt Speed-Metal-Bands wie verzweifelte Sandkasten-Rocker klingen.
Beethovens Musik ist meist klar und verständlich. Hier gilt, was für große Kunst immer gelten sollte: Sie erklärt sich selbst. Um ihn zu verstehen, bedarf es keiner musikwissenschaftlichen Expertisen. Dass der Meister mit dem schweren Hörleiden immer wieder extreme, innere Konflikte thematisiert, ist nur allzu offenkundig: «Appassionata», Klaviersonate op. 57, lässt Speed-Metal-Bands wie verzweifelte Sandkasten-Rocker klingen.
Es geht nicht um historische Zufälligkeiten, sondern um den Kern – die Essenz – des seltsamen Zweibeiners Mensch. Schicksal, Kampf, Liebe, Freundschaft, Abschied, Tod, Befreiung und Erlösung bewegten Menschen damals und bedrängen uns heute noch (op. 111, die letzte Klaviersonate, unschlagbar in Modernität, Anspruch und Aussagekraft). Daher ist Beethovens Werk sowohl aktuell als auch zeitlos. Seine Auseinandersetzung mit Fragen, die so alt sind wie die Menschheit, ist oft geprägt von schonungslosem Ringen. Dem lässt er aber Hoffnung folgen. Das macht ihn immer wieder gedeihlich.
Mythos
Neben den Werken selbst begründeten Anekdoten und Bilder Beethovens Ruhm. Sein Begräbnis im März 1827 geriet zu einer Demonstration ungeheurer Anerkennung, 20.000 Menschen huldigten ihm, die Schulen waren geschlossen.
Franz Schubert, für viele legitimer Nachfolger des Verstorbenen, wenn auch kompositorisch eher ein «Schlafwandler» als der «Architekt» Beethoven (Alfred Brendel), wird als Fackelträger genannt.
Noch am Grab goss Franz Grillparzer in der bereits zitierten Rede seine Verbeugung vor dem Verstorbenen in die Prophezeiung: «Der nach ihm kommt, wird nicht fortsetzen, er wird anfangen müssen, denn sein Vorgänger hörte nur auf, wo die Kunst aufhört.»
Besonders wirkungsvoll sind die Titel der Beethoven‘schen Werke. Zwar formulierte der Komponist sie neben den blanken Opuszahlen eher selten selbst, im Laufe der Zeit haben sie sich aber ungeachtet dessen eingebürgert. «Waldstein» und «Mondschein» – das klingt nicht fahl wie «op. 53» und «op. 27,2», sondern lebendig, hat Esprit. «Pathétique», «Appassionata», «Les Adieux» oder «Eroica» wecken treffende Assoziationen. Nicht zuletzt diese Namen haben Wiedererkennungswert und Ruf der Werke unsterblich gemacht.
Neben Begriffen prägen uns Bilder. Man kann die sich aus Ingrimm schöpfende und wieder in diesen mündende Energie, die aus Beethovens Konterfei strömt, praktisch aufsaugen. Den Eindruck einer ernsten, sogar herrischen und abweisenden Person ergänzt dabei die Vorstellung des Elitären, das traditionell besonders stark im Spätwerk gesehen wird (siehe Infobox unten).
Der Mann, der sein ganzes Leben der Musik widmete, musste erleben, dass er selbst deren Klang immer weniger wahrnehmen konnte. Nur sein unbändiger Wille befähigte den Komponisten dazu, seine Kunst bis zum Schluss weiterzuentwickeln. Dieser Wille war beseelt vom Ideal der Freiheit in ihren verschiedenen Bedeutungen – ästhetisch, persönlich, politisch. «Freiheit, Weitergehen ist in der Kunstwelt, wie in der ganzen großen Schöpfung Zweck» – so ein Diktum Beethovens von 1819.
In der Kunst ist Freiheit, im Sinne der Abkehr von dogmatischen Regeln, essenziell. Claude Debussys Ausruf, dass Regeln keine Kunstwerke, Kunstwerke aber Regeln hervorbringen, treibt das auf die Spitze. Unser Komponist, dem die Literatur seit jeher das «Brechen mit der Form» attestierte, hatte diese Überzeugung richtungsweisend umgesetzt.
«Überm Sternenzelt muss ein lieber Vater wohnen.» Ode an die Freude
Beethoven sieht die Freiheit aber nicht nur in der Kunst, sondern in der gesamten Schöpfung als Zweck. Deren eine Seite, die Natur, war ihm eine stete Quelle der Inspiration und immer wieder Gegenstand seiner Bewunderung. Sie manifestierte sich nicht zuletzt in der «Pastorale», op. 68, Symphonie Nr. 6.
Andererseits hat der Schöpfungsbegriff selbstverständlich religiöse Bedeutung. Sie findet ihren Ausdruck im vielleicht bekanntesten Werk unseres Helden, der Neunten Symphonie, op. 125. Beethoven adaptiert hier Schillers Gedicht «An die Freude»: «Überm Sternenzelt muss ein lieber Vater wohnen. (…) Ahnest du den Schöpfer, Welt?» Unser Planet hat, so gesehen, nicht nur einen personifizierten Urheber, sondern auch einen, der fürsorglich und gütig ist. Der Mann mit dem weitesten Horizont und dem komplexesten Verstand war in einem fast naiven Sinn gottesgläubig.
Erbe
Die «Ode an die Freude» stellt Beethoven bewusst ans Ende der Neunten. Der größte Musiker aller Zeiten stößt an die Grenzen der Instrumentalmusik – und durchbricht sie mit dem Gedicht eines großen deutschen Dichters. Er leitet es ein mit der Aufforderung, «angenehmere» und «freudenvollere» Töne anzustimmen. Auch dieses Werk hatte nämlich seinen Ausgangspunkt in den Untiefen der Seele. Der Mensch betritt das «Elysium».
Das Spätwerk
Die letzte Schaffensphase Beethovens umweht «die Aura des Geheimnisvollen, schwer Verständlichen und Vieldeutigen, was (…) ganze Generationen von Deutern auf den Plan gerufen hat» (Arnold Werner-Jensen). Zu diesen «Deutern» gehörte auch Theodor Adorno, der einen gewissen Thomas Mann maßgeblich beeinflusste, als dieser im Doktor Faustus das «Leben des deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn» erzählte. Dabei wurde nicht mit Beethoven-Interpretationen gegeizt – leider auch nicht mit hegelianischen Worthülsen und Thesen, die «forciert» wirken und «häufiges Wiederlesen nicht allzu gut» vertragen (Joachim Kaiser). Tatsächlich wird hier mit «Alle Menschen werden Brüder» ein Bund beschworen – doch anders, als es die moderne Vereinnahmung durch den Mainstream will, ist die Zugehörigkeit zu ihm an Bedingungen geknüpft. Zunächst scheinen diese denkbar leicht zu erfüllen. Denn nicht nur, wer «ein holdes Weib errungen» oder «eines Freundes Freund» ist, sondern auch der «eine Seele hat», darf sich ihm zurechnen.
Aber: «Wer’s nie gekonnt, der stehle weinend sich aus diesem Bund.» Seelenlose Gesellen werden hier also strikt ausgeschlossen. Wer dem entgegnet, dass aber doch schon in den nächsten Zeilen «alle Wesen» – «alle Guten, alle Bösen» eingeladen werden, der wird gewarnt: «Wollust ward dem Wurm gegeben, und der Cherub steht vor Gott!»
Die Steuerung durch den Trieb ist also Kennzeichen niederer Lebensform – wer will sich schon mit einem Wurm verbrüdern? Der Weg zu Gott, in den Himmel, ist nicht per se frei, sondern wird vom «Cherub», dem himmlischen Wächter, verstellt.
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8 Kommentare
Das wäre doch mal eine Lektüre die sich die rotzrote Özoğuz zu Gemüte führen sollte.
Bevorzugt als Hörbuch damit es auch für die Folgen neuschländischer Einbildungspolitik verständlich bleibt.
Deutschland hat gegenüber manchen anderen Nationen nur voraus, daß ICH dort geboren u. aufgewachsen bin und dort lebe. Das ist allerdings sehr viel. Niemals würde ich Russe werden wollen.
Kein Problem! Bevor die Russen kommen und uins befreien, werden Sie zwangsweise türkischer Untertan. Wen Sie Glück haben, dürfen Sie für die Rotjankerl kochen oder die Suppe auftragen…
"Befreien" werden uns die Russen einen Dreck. Sie phantasieren.
Beethoven, war das nicht der, welcher dichtete "alle Menschen werden Brüder ….." ? Der in Napoleon den "Weltgeist" verehrte.
Nur so am Rande: Roberto Blanco, ein Schlagerfuzzi mit weniger musikalischer Begabung als ein rostiger Eimer, behauptet, dass Beethoven ein Afrikaner gewesen sei. Außerdem sucht der "Sänger" nach Genetikern die zur Beweisführung dieser These einen DNS-Test durchführen. Nur zur Sicherheit: Bach und Brahms waren sicher keine Rug Heads mit Soup cooler…. :-)
Wieso Deutscher?
Beethoven ist doch Österreicher, Hitler allerdings ist Deutscher!
Ja, und Immanuel Kant ist Russe.
Kommt mir eher spanisch vor…