Das Schleswig-Holstein-Magazin des NDR berichtete letzte Woche über die Atlantis-Expeditionen von Jürgen Spanuth vor Helgoland. Eine kleine Sensation, denn die Forschungen des Bordelumer Pastors werden immer noch diffamiert. Machen Sie sich selbst ein Bild: In seinem Werk „Das enträtselte Atlantis“ hat er dargelegt, warum das untergegangene Inselreich in der Nordsee verortet werden muss. Hier mehr erfahren.

    „Es gibt Geschichten, in denen die Leidenschaft einen Menschen antreibt, um mit viel Hingabe seine Ideen zu verfolgen, gegen alle Widerstände. Eine davon ist die Suche des Bordelumer Pastors Jürgen Spanuth nach dem sagenumwobenen Atlantis.“ – Das schreibt der NDR auf seiner Website zu einem Beitrag, der dieser Tage im Schleswig-Holstein-Magazin ausgestrahlt wurde.

    Dass die Atlantis-Theorie von Spanuth überhaupt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk erwähnt wird, kommt schon fast einer Sensation gleich. Wie nüchtern und sachlich der NDR über die Erkenntnisse des evangelischen Pfarrers und autodidaktischen Frühzeitforschers aus Nordfriesland berichtet, ist gleich die zweite Überraschung.

    Jürgen Spanuth und seine Atlantis-Forschungen: So berichtete der NDR am 24.3.2025 auf seiner Website über die Reportage des Schleswig-Holstein-Magazins wenige Tage zuvor. Foto: Screenshot ndr.de

    Denn der 1907 in Leoben (Kärnten) geborene und 1998 an der schleswig-holsteinischen Westküste verstorbene Gelehrte galt schon zu seinen Lebzeiten wegen seiner Verstrickungen in der NS-Zeit als umstritten, sein 1953 veröffentlichtes Werk „Das enträtselte Atlantis“ wurde – wenngleich ein internationaler Bestseller – von einer Riege Kieler Professorenriege förmlich zerrissen. Erst später kam heraus, dass Spanuth Opfer einer Intrige wurde – einige seiner Kritiker hatten mehr Dreck am Stecken als er selbst. Arno Behrends hat diesen Streit in seinem Buch „Nordsee-Atlantis. Ursachen, Verlauf und Folgen der Atlantischen Kriege“  detailliert nachgezeichnet.

    Spanuths spannende Thesen

    Bis heute wird „Das enträtselte Atlantis“ (in einer preiswerten Neuauflage hier erhältlich) von der Wissenschaftswelt als Ausdruck einer „völkischen“ Ideologie verworfen. Dabei hatte Spanuth überhaupt keine politischen Ambitionen und grenzte sich von den verschrobenen Atlantis-Theorien der 1920er und 1930er Jahre ab, die das untergegangene Inselreich als frühe „arische“ Hochkultur identifizierten.

    Umso bemerkenswerter, wie unbefangen der NDR an das Thema herangeht. Könnte also vielleicht doch etwas an der Theorie des Bordelumer Pastors dran sein? Der Beitrag des Schleswig-Holstein-Magazins zeigt nicht nur alte Aufnahmen von der Expedition Spanuths in den Gewässern vor Helgoland, er lässt auch seine Tochter Elisabeth Gradl Meier-Ewert zu Wort kommen, die ihren Vater nicht als Abenteurer beschreibt, sondern als jemanden, der aufgrund alter Schriften und Überlieferungen zu der Überzeugung gelangt war, dass Atlantis in der Nordsee gelegen haben muss – und dies mit Tauchgängen und anderen Untersuchungen belegen wollte.

    Als archäologischer Autodidakt – das hatte er mit dem Troja-Entdecker Heinrich Schliemann gemein – finanzierte Spanuth seine Tauchfahrten in der Nordsee mit eigenem Geld und aus Mitteln wohlhabender Mäzene. Er fertigte Berichte und Karten über seine Funde und Fundorte an, studierte als gelernter Altphilologe antike Schriften und kam zu dem Ergebnis, dass der Untergang von Atlantis die Völker des Nordens zur Wanderung zwang, wobei sie bis nach Ägypten vorgedrungen seien und weite Teile Griechenlands und der Levante besetzt hätten. Durch diese „Atlantischen Kriege“ seien in der mediterranen Region neue Kulturen begründet worden.

    In seinem im Zuge dieser Forschungen veröffentlichten Werk „Das enträtselte Atlantis“ vertrat er folgende Hauptthesen:

    1. Platons Atlantisbericht beschreibt reale Geschehnisse, die sich um 1200 v. Chr. ereignet haben.

    2. Ein Vergleich der Angaben mit zeitgenössischen ägyptischen Texten belegt, dass die wiederholte Beteuerung Platons, er habe diese lediglich nacherzählt, zutreffend ist.

    3. Dieser Vergleich zeigt darüber hinaus, dass die Völker des Atlantisberichts identisch mit jenen „Fremdvölkern“ – Phrst (Friesen), Sakar (Sachsen) und Denen (Dänen) – sind, die zu Beginn des 12. Jahrhunderts v. Chr. in den Berichten von Ramses III. als ernste Bedrohung für Ägypten bezeichnet wurden.

    4. Die Heimat dieser auch als „Seevölker“ bezeichneten Eroberer lag gemäß altägyptischen Texten „auf den Inseln im Großen Wasserkreis“, „im Norden“ und „an den Enden der Welt“. Die Lokalisierung im Mittelmeer (wie von anderen Forschern behauptet) kann daher nicht zutreffend sein. Vielmehr ist das Nordseegebiet gemeint.

    5. Die versunkene Königsinsel dieser Völker befand sich daher ebenso in der Nordsee. Aufgrund der detaillierten Beschreibungen muss sie zwischen der heutigen Insel Helgoland und der Halbinsel Eiderstedt gelegen haben.

    6. Die auch von anderen Forschern aufgestellte Hypothese, nach der diese Königsinsel der Atlanter identisch mit der Königsinsel der Phäaken ist, die Homer in seiner Odyssee besingt, ist korrekt.

    Tribunal gegen den Forscher

    Spanuths Werk fand reißenden Absatz, seine Thesen erlangten international große Aufmerksamkeit, doch dann folgte ein regelrechtes Tribunal, wie auch der TV-Beitrag des Schleswig-Holstein-Magazins vermerkt. Der NDR schreibt dazu:

    „Die Professoren der Universität Kiel laden deshalb Jürgen Spanuth zu einer Podiumsdiskussion nach Kiel ein. Der Pastor hat die Hoffnung, mit seinen Thesen die Akademiker der Christian-Albrechts-Universität zu überzeugen. Vor mehr als 1.000 Zuhörerinnen und Zuhörern kommt es zu einem ‚heißen Kampf‘, wie die Zeit damals schreibt. Dieser gleicht in den Augen seiner Tochter eher einer Hinrichtung.“

    Denn „Zwölf Professoren sammeln Gegenbeweise und lassen ihm keine Chance. Jeder Spezialist seiner Fachrichtung zerreißt die Thesen von Jürgen Spanuth. Er selbst kommt kaum zu Wort. Für Fritz Jürgens ein Kampf von zwölf gegen einen. Der Pastor ist ein Außenseiter im Wissenschaftsbetrieb und das lassen ihn die Professoren spüren.“

    Der Kieler Unterwasser-Archäologe Fritz Jürgens, der vom Schleswig-Holstein-Magazin dazu befragt wurde, erklärt in dem Filmbeitrag:

    „Spanuth hat vielleicht den Nachteil gehabt, dass er von der wissenschaftlichen Community nicht so angenommen worden ist. Spanuth galt ja als Außenseiter; dementsprechend hat er es sowieso schwieriger gehabt, seine Thesen gegen die Wissenschaft zu verteidigen.“

    Wortführer der Fronde gegen Spanuth war damals der Kieler Geologe Karl Gripp, um den sich elf weitere Wissenschaftler scharten. Bemerkenswert ist allein schon folgende Aussage Gripps, die von Gerhard Gadow in seinem 1974 erschienenen Buch „Der Atlantis-Streit“ zitiert wird:

    „Ich lehne es ab, Spanuths Buch ‚Das enträtselte Atlantis‘ zu lesen, da ich mich als Geologe nicht beeinflussen lassen will. Für mich ist das Buch weder interessant noch akzeptabel. Am 4. November 1953 findet in Kiel eine Diskussion über die Atlantis-Streitfrage statt. Diese Diskussion wird vom Geologischen Institut der Universität Kiel veranstaltet. Damit wir nicht ins Uferlose kommen, hat jeder nur 10 Minuten Sprecherlaubnis. Zu dieser Diskussion möchte ich noch einmal sagen, dass ich dabei nicht mit Spanuth – falls er anwesend sein wird – diskutieren werde!“

    Diese und eine weitere Veranstaltung gingen allerdings anders vonstatten als es Gripp, der als Leiter des Geologischen Instituts alles andere als neutral war, angekündigt hatte. Hierzu schreibt Arno Behrends in seinem aufschlussreichen Werk „Nordsee-Atlantis“:

    „Beide Tagungen verliefen nach demselben Muster und nach allen nur erdenklichen rabulistischen Kniffen: Spanuth erhielt 20 Minuten, um zu Beginn seine sechs Grundthesen vorzustellen. Anschließend trugen die Kritiker über fünf Stunden lang ihre Aufsätze vor, auf die Spanuth am Ende noch einmal das Wort zur Entgegnung von 10 bis 15 Minuten gewährt wurde. Ihm wurde jedoch untersagt, sein umfangreiches Bildmaterial zu zeigen. Es zeugt wohl von mehr als gutem Willen, dass Spanuth trotz diesen unfairen Bedingungen überhaupt zu den beiden gegen ihn veranstalteten Schauprozessen erschien.“

    Behrends meint: „Wer Spanuths Werke im Original liest, erkennt den ständigen Entwicklungsprozess. Er war immer bereit, seine eigenen Theorien zugunsten neuer Erkenntnisse zu modifizieren oder, wenn dies geboten war, auch zu verwerfen. Es ist jedoch das ehrlose Verdienst der Herren um Gripp, dass Spanuth in der Öffentlichkeit bis heute nicht die Aufmerksamkeit bekommt, die er verdient, da auch die unsinnigste Kritik immer Zweifel schafft.“

    Die wahren Hintergründe

    Was im Beitrag des Schleswig-Holstein-Magazins nicht zur Sprache kommt, aber von Behrends in „Nordsee-Atlantis“ dokumentiert wird, ist die Intrige, die Gripp im Hintergrund gesponnen hat – und dessen tatsächliche Motivation. Der Geologe war bereits Anfang der 1930er Jahre eines Plagiats überführt worden, ihm war untersagt worden, weiter an der Uni zu lehren, seine Karriere schien beendet.

    Die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 sah Gripp jedoch schnell als Chance, im Wissenschaftsbetrieb zu reüssieren. Er biederte sich förmlich den Nationalsozialisten an, insbesondere dem schleswig-holsteinischen NS-Gauleiter Hinrich Lohse – und siehe da: der Plagiator wurde bald wieder in Amt und Würden gebracht.

    Nach dem Krieg behauptete Gripp, er sei nicht wegen des Plagiats, sondern aus politischen Gründen aus dem Universitätsdienst entfernt worden. So dauerte es nicht lange, bis er auf den Lehrstuhl für Geologie an der Universität Kiel berufen und dann sogar zum Dekan gewählt wurde.

    Gripp hatte nun eine Reihe von Kollegen, die während der NS-Zeit engagiert worden waren oder, wie Ernst Sprockhoff, der später ebenfalls gegen Spanuth auftreten sollte, sogar zeitweilig in Himmlers SS-Ahnenerbe tätig waren, regelrecht in der Tasche, da diese um ihre Anstellung bangten. So schuf sich der Geologe seinen Kreis von Spanuth-Gegnern.

    Doch warum war der Mann überhaupt so sehr gegen Spanuth eingestellt? Hierfür liefert Behrends in seinem Buch „Nordsee-Atlantis“ eine überraschende Erklärung:

    „Wenige Jahre später, Anfang der 1950er Jahre, waren Spanuths erste Tauchexpeditionen erfolgreich verlaufen, und er hatte zum ersten Mal einige Platten von der Basileia {die Königsinsel der Phäaken aus den Erzählungen Homers; für Spanuth war dies Helgoland} bergen können. Gripp, der bis dahin nie wissenschaftlich mit Spanuth zu tun hatte, schrieb nun, dass er die Funde gern einer wissenschaftlichen Untersuchung unterziehen würde. Man darf dieses Angebot zu jenem Zeitpunkt noch durchaus ernst nehmen. Spanuth jedoch hatte zuvor schon nichtsahnend den Auftrag an einen alten Freund von sich vergeben – einen alten Freund aus Hamburg namens Hermann Rose, den Mann, der einst Karl Gripp als Scharlatan entlarvt und überführt hatte. Die Welt ist klein, und Friesland ist noch kleiner.“

    Tatsächlich ist es auffällig, dass die Hatz gegen den Bordelumer Pastor und sein bahnbrechendes Werk „Das enträtselte Atlantis“ erst nach diesem Vorfall einsetzte – und natürlich spielte bei allem dann auch eine Rolle, dass Spanuth zeitweise Mitglied der NSDAP war.

    Der ließ sich jedoch niemals herab, es seinen Kritikern mit gleicher Münze heimzuzahlen, sondern konzentrierte sich voll und ganz auf die wissenschaftliche Untermauerung seiner Thesen, die mittlerweile mit den modernen Methoden der Naturwissenschaft wie der C-14-Radiokarbontechnik zumindest als nicht vollständig substanzlos gelten können.

    Kein Mythos, sondern Fakten: Spanuths bahnbrechendes Werk „Das enträtselte Atlantis“ war lange Zeit nur antiquarisch und zu horrenden Preisen erhältlich. Nun gibt es das legendäre Buch in einer preisgünstigen Neuauflage. Lesen Sie im Originaltext, warum das legendäre Inselreich in der Nordsee lag, wer es wirklich begründete und wie es unterging. Hier bestellen.

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