Punk ist gleich Antifa ist gleich linksextrem – diese Auffassung mag heute vielfach zutreffen, doch die Urväter des Punkrock waren ganz anders drauf. Mehr über Jugendrevolten in Geschichte und Gegenwart lesen Sie in unserer Oktober-Ausgabe mit dem Titelthema „Neue Deutsche Jugend – Warum Rechts jetzt angesagt ist“. Hier mehr erfahren

    Poster mit dem Logo der Urväter des Punk. Foto: Promo

    Es war der 16. August 1974, als die Ramones erstmals auf der Bühne des CBGB in New York standen. Der legendäre Klub wurde schon bald zum Synonym für die Punkrock-Revolution. Mit ihren Lederjacken, zerrissenen Jeans und schnellen, simplen Songs, die selten länger als zwei Minuten dauerten, mischten die Ramones die Musikszene ordentlich auf.

    Geburtsort des Punk war also nicht London, wie viele meinen, sondern der Big Apple. Die neue Subkultur verstand sich selbst als einen Abgesang auf den friedvollen Optimismus der Hippie-Bewegung. Anders als die Blumenkinder, gaben sich die Punks illusionslos („No Future!“) und setzten auf Provokation sowie die offene Ablehnung und Brüskierung der Gesellschaft.

    Kommunismus? Nein, danke!

    Die Ramones waren die absoluten Stars der Szene. Sie präsentierten einfach strukturierte, schnelle und kurze Stücke – quasi eine primitive Variante des Rock’n’Roll –, jedoch mit ungeheurer Dynamik und gewaltigem Punch. Die Texte der Songs drehten sich hauptsächlich um das eigene Leben, die allgemeinen Probleme der Jugend oder waren schlichtweg Nonsens.

    Punk war also anfangs keine wirklich politische Bewegung – und schon gar keine linke oder gar linksextreme. Auch dafür sind die Ramones das beste Beispiel. Eine Aufnahme aus Washington D.C. von 1976 zeigt die Band vor einem mit sozialistischen Parolen beschmiertem Denkmal – alle zeigen mit dem Daumen nach unten.

    Hey, ho, let’s go: Auftritt der Ramones 1981. Foto: imago images/Mary Evans

    In ihrem Song „Commando“ (1977) stellten die Ramones teils absurde, fiktive Regeln auf, die eine militarisierte, totalitäre Gesellschaft karikierten. In kommunistischen Ländern wie der Sowjetunion wurde ihre Musik denn auch als Symbol westlicher Dekadenz und Rebellion wahrgenommen. Politisch interessiert waren die vier Jungs aus New York City durchaus – wobei innerhalb der Combo ein bemerkenswerter Pluralismus herrschte.

    Joey Ramone: Der Liberale

    Sänger Joey Ramone (1951–2001), bürgerlich Jeffrey Hyman, war bekannt für seine liberale, fast möchte man sagen sozialdemokratische Einstellung. In einem Interview mit dem East Village Eye bekannte er:

    „Ich habe immer für die Underdogs gekämpft. Das ist, was die Demokraten meiner Meinung nach versuchen.“

    Joey unterstützte öfter demokratische Kandidaten und setzte sich für soziale Gerechtigkeit ein. Sein Song „Bonzo Goes to Bitburg“ (1985) war eine direkte Kritik am damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan, der am 5. Mai 1985 gemeinsam mit Bundeskanzler Helmut Kohl den Soldatenfriedhof in Bitburg besuchte, auf dem auch SS-Soldaten begraben lagen. Auch in Westdeutschland wurde dies von linker Seite scharf kritisiert.

    Unzweideutiges Statement auf dem Shirt: Johnny Ramone in den 1980er Jahren. Foto: Facebook / Johnny Ramone

    Johnny Ramone: Der Konservative

    Im krassen Gegensatz dazu stand Gitarrist Johnny Ramone (1948–2004), bürgerlich John Cummings. Er war bekennender Anhänger von Ronald Reagan und der Republikaner. In einem Interview mit der Fachzeitschrift Guitar World 2003 sagte er: „Ich denke, Reagan war der beste Präsident unserer Zeit.“

    Und er fügte hinzu: „Ich denke einfach anders als andere Leute in der Rockmusik. Das ist in Ordnung. Sie können mich dafür hassen oder was auch immer, aber das ist meine Meinung.“ Im selben Jahr erklärte Johnny in einem Gespräch mit dem Kulturmagazin „The A.V. Club“: „Ich bin ein Republikaner. Ich war schon immer ein Republikaner. Die konservative Einstellung ist für mich einfach nur nur gesunder Menschenverstand.“

    Für Aufsehen sorgte Johnny in den 1980ern mit einem Shirt, das den unzweideutigen Aufdruck „Kill a Commie for your Mommy“ trug. Auf Deutsch: „Töte einen Kommunisten für deine Mama.“

    In seinem Buch „Commando: The Autobiography of Johnny Ramone“ (2012 postum veröffentlicht; die Aussage stammt aus dem Jahr 2004) brachte er dann noch einmal seine Aversion gegen die Bevormundung der, wie man heute sagen würde, Woken zum Ausdruck:

    „Im Punk sollte es keine Regeln geben, aber dann gab es diese ganzen linken Regeln. Es sollte um Freiheit gehen, aber plötzlich ist man nicht mehr frei, eine andere Meinung zu haben.“

    Bereits 2003 hatte er in einem Interview mit dem Punk Magazine zudem klargestellt: „Patriotismus ist kein Schimpfwort. Es ist die Liebe zu deinem Land, und daran ist nichts auszusetzen.“

    Die Legende lebt

    Die Ramones haben also mehr als nur drei Akkorde in die Musikwelt gebracht und viele Rockbands nach ihnen geprägt: Sie haben gezeigt, dass das Aufbegehren gegen das Establishment nicht unbedingt links sein muss. Und sie haben unter Beweis gestellt, dass selbst innerhalb einer Band unterschiedliche politische Standpunkte möglich sind und ihre Berechtigung haben.

    Nach genau 2.263 Auftritten und einigen Umbesetzungen gaben die Ramones 1996 in Los Angeles ihr Abschiedskonzert. Was die Urbesetzung anbelangt: Joey starb 2001 mit 49 Jahren, Johnny 2004 mit 55. Bassist Dee Dee schied 2002 mit 50 dahin, und Schlagzeuger Tommy tat 2014 im Alter von 65 Jahren seinen letzten Atemzug. Dreimal Krebs, eine Überdosis.

    Heute tragen bereits Schulkinder Ramones-Shirts, die bei Textildiscountern verscheuert werden. Was die Band davon halten würde? Nicht viel, wenn man sich den Song „Beat on the Brat“ (1976) anhört. Darin beschreibt Joey ziemlich genau, wie er verzogene Konsum-Gören zur Räson bringen würde… Aber keine Sorge: Auch das war nur Klamauk – und wie man hört, legt sich auch mancher Jungrechte heute noch gern eine alte Scheibe der Godfathers of Punk auf.

    Mehr über rebellische Jugendkulturen in Geschichte und Gegenwart lesen Sie in unserer Oktober-Ausgabe mit dem Titelthema „Neue Deutsche Jugend Warum Rechts jetzt angesagt ist“. Hier bestellen

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