Eine solche Angriffswelle hatte die Weltgeschichte noch nicht gesehen: Am 22. Juni 1941 griff die Wehrmacht mit 3,3 Millionen Mann von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer die Sowjetunion an – ohne Kriegserklärung. Die Rote Armee erlebte in den ersten Kriegswochen ein furchtbares Debakel. Doch das Blatt sollte sich bald wenden. Weiterführend: COMPACT-Geschichte Panzerschlachten als Einzelheft oder im 3er-Paket Weltkriege zum Sonderpreis. 

    Die deutschen Panzerspitzen durchschnitten die sowjetischen Linien zunächst wie Butter – mit Rekordgeschwindigkeiten von zum Teil über 40 Kilometern am Tag. Hinter der Front schlossen sich die Zangen und kesselten ganze sowjetische Armeen ein.

    «Führung von vorne»: Guderian an der Ostfront. Foto: Bundesarchiv, Bild 101I-139-1112-17 / Knobloch, Ludwig / CC-BY-SA [CC BY-SA 3.0 de
    Von der Operation Taifun, dem Vorstoß Richtung Ukraine im September, ist eine typische Episode übermittelt: Die deutschen Tanks stießen in so atemberaubendem Tempo vor, dass die Trambahnen noch fuhren, als sie in der Stadt Orel eindrangen. Die Verteidiger waren vollständig übertölpelt worden.

    Hitlers strategischer Kardinalfehler

    Doch es sollte nicht lange so bleiben. Das Jahr 1943 begann mit der Vernichtung der 6. Armee in Stalingrad, und von da an ging es trotz beeindruckender Zwischenerfolge wie der Rückeroberung von Charkow (März 1943) vorzugsweise bergab.

    Für diese fundamentale Wende werden in der Regel dieselben Gründe ins Feld geführt, die schon 1812 zum Debakel von Napoleon geführt hatten: Die Angreifer waren nicht auf die Härten des russischen Winters vorbereitet, und die Angegriffenen nutzten geschickt die Tiefe ihres riesigen Staates und Überzahl ihrer Bevölkerung, also auch das Plus an wehrfähigen Männern. All dies hätte Hitler natürlich wissen müssen – aber es bremste ihn nicht.

    Generaloberst Heinz Guderian schreibt in seinen Erinnerungen eines Soldaten über seine Bedenken, nachdem der sogenannte Führer bereits im November 1940 den Angriff auf die UdSSR angekündigt hatte:

    „Was ich nicht für möglich gehalten hatte, sollte Tatsache werden? Hitler, der mit so scharfen Worten die deutsche politische Leitung von 1914 kritisiert hatte, weil sie nicht verstanden habe, uns den Zweifrontenkrieg zu ersparen, wollte nun vor der Beendigung des Krieges gegen England aus eigenem Entschluss gegen Russland zu Felde ziehen und damit den Zweifrontenkrieg selbst herbeiführen, vor dem ihn alle Soldaten so eindringlich gewarnt hatten, und den er selbst sofort als fehlerhaft bezeichnet hatte?“

    Und weiter:

    „Noch konnte man als Uneingeweihter hoffen, dass Hitler noch nicht endgültig zum Krieg gegen die Sowjetunion entschlossen sei und nur bluffen wollte. Dennoch vergingen der Winter und das Frühjahr 1941 unter einem entsetzlichen Albdruck. Das erneute Studium der Feldzüge Karls XII. von Schweden und Napoleons I. brachte alle Schwierigkeiten des Kriegsschauplatzes, der unserer harrte, klar vor das geistige Auge und zeigte auch die Mängel unserer Vorbereitungen für das gewaltige Unternehmen. Die bisherigen Erfolge, besonders der in überraschend kurzer Zeit errungene Sieg im Westen, hatten aber die Geister unserer obersten Führung so benebelt, dass sie das Wort ‚unmöglich‘ aus ihrem Sprachgebrauch gestrichen hatten.“

    Unterschätzung des Gegners

    Zu dieser Überheblichkeit trug die nationalsozialistische Rassenideologie bei: Man begann den Krieg 1941 in der Überzeugung, auf eine Armee von „Analphabeten“ und „Halbasiaten“ zu treffen, deren Führer „noch weniger zu fürchten“ seien „als die früheren, gut ausgebildeten kaiserlich-russischen Generale“.

    Diese Arroganz wurde auch im sogenannten demokratischen Westen geteilt. US-Kriegsminister Henry Stimson wagte zu Beginn des Unternehmens Barbarossa die Prognose, Deutschland werde nur „für ein Minimum von einem Monat und ein mögliches Maximum von drei Monaten davon eingenommen sein, Russland zu erobern“.

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    Doch die vermeintlichen asiatischen Untermenschen lernten schnell. Am Beispiel der Heeresstruktur: Im Frühjahr 1942 begann der Umbau nach deutschem Vorbild. Im Zentrum der Neukonzeption stand die Aufstellung von Panzerkorps – eigenständige, hochbewegliche Verbände mit 168 Tanks, Pak-Bataillonen, Katjuscha-Werfern und Flak. Zwei Panzerkorps und eine Infanteriedivision bildeten eine Panzerarmee, das Pendant zur Panzerdivision bei der Wehrmacht.

    Im Verlauf des Jahres 1943 wurde der Anteil der Infanterie weiter heruntergefahren, der der Kettenfahrzeuge erhöht. Nun konnte die Rote Armee 70 bis 80 Panzer pro Frontkilometer konzentrieren – 1941 waren es gerade drei gewesen! Endlich wurden auch überall Funkgeräte eingebaut – zu Kriegsbeginn waren die einzelnen Besatzungen noch zu isoliertem Vorgehen gezwungen gewesen.

    Die militärische Schlagkraft erhöhte sich auch dadurch, dass Stalin seinen Generälen ab Ende 1942 mehr Freiraum gewährte – zuvor hatte um seinen Kopf fürchten müssen, wer mit eigenen Ideen aufmuckte.

    „Seine Bereitschaft, sich dem Urteil seiner militärischen Experten schließlich zu beugen – so schwer es ihm auch gefallen schein muss –, zeigte einen vernünftigen Sinn für die Grenzen des Despotismus“, resümiert der britische Militärhistoriker Richard Overy in seinem Standardwerk Russlands Krieg 1941–1945.

    Umgekehrt nahm die Bevormundung der deutschen Generäle durch Hitler zu. Er war es, der gegen das Drängen der verantwortlichen Militärs einen Ausbruch aus dem Stalingrader Kessel verweigerte. Besonders typisch sein Agieren bei der Panzerschlacht von Kursk: Manstein hatte ein früheres Zuschlagen gefordert, um die Rote Armee unvorbereitet zu erwischen.

    Hitler und seine Generäle im Hauptquartier der Heeresgruppe Süd (Ostfront) 1942. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-B24543 / CC-BY-SA 3.0 / Wikimedia Commons

    Guderian hatte für einen späteren Angriff optioniert, um die notwendigen Kräfte, vor allem genügend „Panther“ heranführen zu können. Hitler entschied sich für die ungünstigste Variante, den Mittelweg: Er griff später an, als Manstein wollte, und zu früh, um Guderians militärische Wünsche erfüllen zu können. Zu allem Überfluss befahl er auch noch, ganz anders als im Fall Stalingrad, den Abbruch der Operation Zitadelle, obwohl die Schlacht zu diesem Zeitpunkt noch nicht verloren war.

    Der ideologische Ballast

    Notabene: Das sind keine moralischen Werturteile. Dass Stalin ebenso wie Hitler ein Massenmörder war, ist unbestritten. Die Militärwissenschaft interessiert nur die Frage, warum der eine den anderen besiegen konnte.

    Beide Systeme bauten auf einer extremistischen Ideologie auf: Der Nationalsozialismus verdichtete sie im Rassenkrieg, der Bolschewismus im Klassenkrieg. Hitler verstärkte diese Prägung immer mehr – deutlich etwa an der Systematisierung der Verfolgung der Juden mit dem Höhepunkt der Wannsee-Konferenz im Januar 1942. Die SS-Einsatzgruppen, die für den Massenmord im Osten zuständig waren, kamen ständig der Wehrmacht und der Waffen-SS ins Gehege, die damit nichts zu tun haben wollten.

    Umgekehrt warf Stalin im Kriegsverlauf ideologischen Ballast ab: Nicht aus Menschenfreundlichkeit, sondern weil er erkannte, dass damit der Überlebenskampf nicht zu gewinnen war. Auf den ersten Blick sichtbar wird die Entbolschewisierung, als sich nach dem deutschen Einmarsch die Kennzeichnung „Großer Vaterländischer Krieg“ durchsetzte – keine Rede mehr von Weltrevolution.

    Ein schwerer Kampfpanzer IS-2 (oder JS, benannt nach Josef Stalin) wird für den Transport an die Front vorbereitet. Der Tank zählt zu den stärksten Panzern, die im Zweiten Weltkrieg gebaut wurden.
    Foto: picture-alliance / RIA Nowosti

    Die Internationale wurde eingemottet und durch eine neue Nationalhymne ersetzt. In der Propaganda wurden jetzt Zaren wie Iwan der Schreckliche, Katharina oder Peter der Große positiv herausgestellt – als mutige Verteidiger von Mütterchen Russland gegen Invasoren aller Art.

    In seiner ersten Ansprache nach Kriegsbeginn, am 1. Juli 1941 im ganzen Land über öffentliche Lautsprecher übertragen, sagte der Diktator:

    Lasst Euch beflügeln vom Heldenmut unserer großen Vorfahren Alexander Newski, Dimitri Donskoi, Minin und Poscharski, Alexander Suworow, Michail Kutusow!“

    Lauter adlige Kriegshelden, deren Rühmung so gar nicht zum bisherigen Klassenkampf-Pathos der Kommunisten passen wollte! In der Oktoberrevolution hatten sie noch die Zarenfamilie ermordet…

    Die Auswirkungen des neuen Kurses auf die Schlagkraft der Armee waren beträchtlich: Ab 1942 erhielten die Offiziere Zug um Zug ihre volle Befehlsgewalt zurück. Sie bekamen neue Uniformen und Orden in zaristischer Optik – auch breite Schulterstücke von der Art, wie sie die meuternden Rotarmisten im Oktober 1917 heruntergerissen hatten.

    Die 1941 zuerst gestärkten Politkommissare mussten aus den Einheiten verschwinden – endlich redeten die fanatischen Apparatschiks nicht mehr den militärischen Experten ins Geschäft. „Bringt den Soldaten bei, was sie im Krieg brauchen, sonst nichts“, hatte Verteidigungsminister Semjon Konstantinowitsch Timoschenko 1940 noch vergeblich postuliert. Jetzt konnte sich diese Linie durchsetzen.

    Der Sieg der Sowjetunion über Deutschland war also kein Sieg des Kommunismus über den Faschismus, wie die Linke bis heute gerne erzählt. Er wurde, ganz im Gegenteil, errungen, weil die Rote Armee im Kampf die Ideologen und Politiker beiseiteschob – während dies der Wehrmacht nicht gelang.


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