Sophie Backsen von der Nordseeinsel Pellworm hat mit Greenpeace gegen Berlin geklagt – und gewonnen. Das Bundesverfassungsgericht verdonnerte die Große Koalition dazu, ihre Klimaziele zu verschärfen. „Sophie hat mehr für das Klima getan als viele von uns“, feiert der Spiegel nun die 22-Jährige, die für uns keine Unbekannte ist, stand sie doch im Mittelpunkt einer Reportage in COMPACT 3/2020: Der Bauerstochter geht es vor allem um Heimatschutz. Wurde sie für eine Kampagne instrumentalisiert? COMPACT-Spezial Öko-Diktatur – Die heimliche Agenda der Grünen liefert Fakten gegen die grüne Hysterie. Hier mehr erfahren.

    _ von Mario Alexander Müller und Paul Klemm

    Der Wind peitscht den Regen über das graue Meer. Als der Sturm aufzieht, steht Sophie Backsen auf der kleinen Zubringerstraße durch das Watt, an deren Ende die Schiffe vom Festland anlegen. Heute fällt die Fähre aus. Auf Wetterkarten, die man im Internet anschauen kann, ist Nordfriesland nicht mehr rot, sondern tiefviolett gefärbt: Das winterliche Orkantief Sabine soll Windstärke 12 erreichen.

    Zahlreiche Flüge wurden gestrichen, die Deutsche Bahn stellt den Fernverkehr ein, das Bundesligaspiel Borussia Mönchengladbach gegen den 1. FC Köln wird abgesagt. „Wir haben keine zehn Jahre mehr“, sagt Sophie wütend. „Irgendwann können wir bestimmt nicht mehr auf Pellworm leben.“

    Die zierliche Frau muss ihren Körper beim Laufen gegen den Wind drücken, der so stark ist, dass es einem Tränen in die Augen treibt. Sie gehört zu neun Jugendlichen, die wegen des Wetters gegen die Bundesregierung klagen. Ihre Heimat, eine kleine Nordseeinsel, ist ein Stück Boden, der dem Meer abgetrotzt wurde. Einen Sandstrand sucht man hier vergebens: Für die knapp 1.000 Pellwormer sind die acht Meter hohen Deiche eine Art Burgmauer – denn ein großer Teil des Eilands liegt unter dem Meeresspiegel. Auch die Edenswarf, ein roter Backsteinhof mit weißen Fenstern. Sophies Elternhaus.

    „Die Pellwormer Greta“

    In diesen Tagen außerhalb der Saison wirkt die Insel rau und verlassen, in ihrer Menschenleere fast wie eine surreale Traumlandschaft. Die Wolken hängen tief. Nur das Rot des Leuchtturms, dessen Feuer den Horizont abtastet, schält sich weit über den sumpfigen Marschen aus dem Monochrom. Das Watt-Rock-Café („Original Volkswagen-Currywurst mit Pommes!“) ist geschlossen, ebenso Arnos berühmter Hafen-Pub, der dank einer Witzaktion von Stefan Raab auf Facebook mehr Likes hat als das Hofbräuhaus in München.

    Land unter an der Nordsee: Die Küste war schon immer Risikolebensraum. Foto: MAM / COMPACT

    Kurz vor Ladenschluss ist der Supermarkt der belebteste Ort: „Na, bist du auch noch sturmeinkaufen?“, begrüßt eine Frau ihre Nachbarin. Man ist hier darauf eingestellt, für ein paar Tage von der Außenwelt abgeschnitten zu sein. Sophie aber sorgt sich um die Zukunft. Ihre Familie klagt über Starkregen und Trockenheit, die Ernten der letzten Jahre waren schlecht, die Bullen wogen weniger. „Durch so krasse Wetterphänomene läuft unsere Insel voll wie eine Badewanne“, sagt die 21-Jährige.

    Schon im vergangenen Jahr waren die Backsens, die eine Bio-Landwirtschaft betreiben, im Rahmen einer großangelegten Greenpeace-Kampagne wegen nicht eingehaltener Klimaziele vor Gericht gezogen. Die Kläger sahen ihre Grundrechte auf Schutz von Leben und Gesundheit sowie auf Eigentum durch „Unterlassen“ verletzt. Jetzt, wo es das Klimapaket gibt, wollen Sophie und ihre drei Brüder es nochmal versuchen. Diesmal ohne ihre Eltern – dafür zusammen mit Luisa Neubauer, dem deutschen Gesicht von Fridays for Future.

    „Wir hätten uns noch viel schnellere, wirksamere Maßnahmen gewünscht“, platzt es aus ihr heraus. Manche Insulaner nennen Sophie Backens deshalb „die Pellwormer Greta“. Doch in ihrem offenen, kindlichen Gesicht ist nichts von der Verhärtung der schwedischen Klimaikone. Die blonde Frau mit der blauen Regenjacke ist nicht bei den Freitagsdemos oder Extinction Rebellion, sondern bei der örtlichen Landjugend aktiv. Die macht Kanufahrten oder Scheunenfeten, am Vorabend gab es ein Bierpong-Turnier.

    „Bei Fridays for Future wird man nicht viele Dorfkinder finden“, erklärt Sophie – und wenn sie „Dorfkinder“ sagt, ist da kein abfälliger Ton in der Stimme. An diesem Tag wird sie wieder für die Prüfungen lernen, bevor es wieder nach Kiel geht, wo sie Landwirtschaft studiert. Später will Sophie einmal zurück auf die Insel kommen, den Hof übernehmen. Hier, am Deich, wo sie mit ihrem alten Hund Mio spazieren geht, weit weg vom Lärm der Stadt, fühlt sie sich zuhause.

    Sophie und Jakob Backsen. Die Klima-Aktivistin sagt: „Wir haben keine zehn Jahre mehr.“ Foto: MAM / COMPACT

    So wie die junge Frau spricht, klingt sie ganz anders als die radikalen Klima-Aktivisten, die Braunkohlewerke besetzen oder im Hambacher Forst Polizisten angreifen: „Mein Antrieb ist, die Bedrohung unserer Heimat abzuwenden.“ Sophie will weiter in Deutschland leben können. Deswegen war sie auf Demos, bei „Wir haben es satt“ und bei „Land schafft Verbindung“ in Berlin. Deswegen hat sie „Ja“ gesagt, als Greenpeace anrief.

    Das Kalkül der Kohle-Gegner

    Das Schwierige bei den Klimaklagen war, Landwirte zu finden, die mitmachen: Für ihre Kampagne wollte die Organisation authentische Gesichter, keine Berufsaktivisten aus der Großstadt. Doch bei den Bauern hat es die linke Umweltschutzorganisation nicht gerade leicht. Also klapperte Anike Peters, Anti-Kohle-Kampaignerin der NGO, Inseln und Küste ab, bis sie endlich drei Familien fand, die mitmachen wollten. Ob das Instrumentalisierung ist? „Das sehe ich nicht so“, sagt die Hamburgerin, die sich ansonsten den Kampf gegen Rechts auf die Fahnen geschrieben hat.

    Eine der Familien, die sie fand, waren die Backsens: Mutter Silke ist eine „Ausheimische“, wie man hier sagt. Sie kam aus Dortmund, um in der Wattenmeerstation zu helfen, verliebte sich und blieb. Nicht nur, dass Silke Backsen den Pellwormer Ortsverband der Grünen gründete – als Greenpeace-Mitglied stand auch ihr Name in der Kartei. Bio-Bauern von der Nordseeinsel, denen das Wasser buchstäblich bis zum Hals steht: das perfekte Narrativ für die Kohlegegner. „Greenpeace hat die Kosten übernommen und alles“, erinnert sich Sophie an die erste Klimaklage.

    Mit Roda Verheyen stellte man den Backsens Deutschlands bekannteste „Umweltrechtlerin“ zur Seite, die spektakuläre Verfahren gegen Konzerne und Staaten orchestriert: „Dann hat uns unsere Anwältin im Dezember gefragt, ob wir es nicht nochmal versuchen wollen, diesmal mit einer Verfassungsklage in Karlsruhe. Da ging es gar nicht mehr um unsere Familien, sondern nur um uns Kinder.“ Verheyens Kalkül: „hauptsächlich wegen des Arguments Zukunft eben“. Und so sitzen vor den Fernsehkameras bald neun junge Gesichter im Gerichtssaal, deren Angst vor der drohenden Apokalypse vielleicht unbegründet, aber dafür echt ist.

    Tote aus dem Watt

    Gute zehn Autominuten entfernt, auf der Westseite der Insel, wohnt die Vergangenheit. Ein dutzend Jahre ist Helmut Bahnsen zur See gefahren, doppelt so lange war er beim Küstenschutz, baute Deiche und Lahnungen. Später führte er Touristen durchs Watt, wo er seit Kindsbeinen jede freie Minute verbracht hat.

    Dort fand er vor Jahrzehnten beim Miesmuscheln sammeln seine erste Scherbe. Bald kamen mehr dazu: Keramik bis aus der Römerzeit, Flaschen und Geschirr, tierische und menschliche Überreste. Anfangs lachte man über seine Funde, heute betreibt der 79-Jährige ein kleines Privatmuseum. Er wandelt auf den Spuren untergegangener Kulturen, Kuriositäten und Geschichten sind sein Lebenswerk. Dafür hat er sogar den Bundesverdienstorden erhalten.

    Helmut Bahnsen durchforstet das Watt nach Strandgut. Auch Totenschädel findet er. Foto: MAM / COMPACT

    Aus einer knittrigen Discounter-Plastiktüte im Schrank befreit der alte Fischer den Schädel einer Toten, gefunden draußen vor dem Deich, dort, wo einst der 1634 versunkene Ort Buphever gelegen haben muss: „Das ist die Frau im roten Rock“, spinnt er eine Geistererzählung der Region weiter, und fast möchte man dem Seemannsgarn Glauben schenken, so gespenstisch wie der Wind um die Hausmauern pfeift.

    „Solche Wetterphänomene hat es früher auch gegeben“, erinnert sich Helmut Bahnsen. Als Kind erlebte er 1953 die Hollandflut, die schwerste des Zwanzigsten Jahrhunderts. „Da habe ich bemerkt: Die Deiche reichen nicht mehr.“ Tatsächlich ist der Wasserspiegel in 100 Jahren um 20 Zentimeter gestiegen.

    Grund zur Panik sieht der gemütliche Friese aber nicht. Reißerische Pressemeldungen, die Hamburg, Bremerhaven und Bremen in wenigen Jahrzehnten unter Wasser sehen, hält er für Unsinn. „Im Laufe der Zeit müssen die Deiche erhöht werden, aber wir und auch mein Kind müssen nichts befürchten.“ Sophie Backsen habe keinen Grund zur Panik: „So schnell verliert die ihre Heimat nicht“, lacht er. „Vielleicht in ein paar hundert Jahren.“

    Bahnsen weiß um Nordfrieslands Geschichte, ist inzwischen selbst ein Teil von ihr. Sie ist geformt vom Kampf des Menschen mit dem Meer, von Sturmfluten und Deichbau, Landgewinnung und Landverlust: In vergangenen Jahrhunderten kam es immer wieder zu verheerenden Flutkatastrophen, den „groten Mandränken“. Ganze Ortschaften wurden dabei vom „blanken Hans“ verschlungen, wie die Friesen die aufgepeitschte Nordsee nennen.

    Morbide Faszination: Fischer Helmut Bahnsen zeigt COMPACT-Reporter Mario Alexander Müller seine Totenschädel. Foto: MAM / COMPACT

    Hunderttausende starben – und das lange vor dem industriellen CO2-Ausstoß. Auch, wenn Bahnsen ein Umweltfreund ist, hält er von den Klima-Hysterikern à la Greta wenig: „Wo soll der Strom herkommen, wenn man alles abschaltet?“ fragt er mit Blick auf den Kohleausstieg. Was er an diesem Tag machen wird, wenn Sabine über seine Heimat fegt? „Ich schlafe.“

    „Trutz, blanke Hans!“

    Einst war Pellworm der Westteil der Insel Alt-Nordstrand, die von den eisigen Fluten 1634 endgültig zerrissen wurde. Jeden Tag erstehen ihre versunkenen Orte in Helmut Bahnsens Vorstellung bei Ebbe wieder auf, bevor sie bei Flut aufs Neue untergehen. Besonders die sagenumwobene mittelalterliche Stadt Rungholt hat es ihm angetan.

    7. Göttliche Strafe: Die Bleiglasfenster in der katholischen – m Kirche – und erinnern an die Burchadiflut von 1634, die die Insel in zwei Teile zerriss. Foto: MAM / COMPACT

    Noch heute erzählen sich die Leute an der Küste, dass ihre Glocken bei ruhigem Wetter von der See herüberklingen. „Bis in die 1970er Jahre galt Rungholt ähnlich wie Atlantis als Mythos“, erklärt die Husumer Museumspädagogin Bettina Görke – bis das Meer in den 1920er und 1930er Jahren Überreste von Warften, Bauten und Brunnen freigab. Und nicht nur das: Im Nordfriesland Museum Nissenhaus, das sich mit den Naturgewalten in Vergangenheit und Gegenwart beschäftigt, kann man heute einen reich verzierten Dolch aus al-Andalus und Schwerter im Englischen Stil bestaunen.

    Sogar Münzen aus dem antiken Rom landeten in den Fischernetzen – die Hafenstadt muss seinerzeit ein bedeutendes Handelszentrum gewesen sein. Das Highlight aber ist der forensisch rekonstruierte Schädel eines Rungholters, um die Zwanzig, blonde Haare, blaue Augen – der Fischerbart ist eine Reminiszenz an einen verstorbenen Kurator. Deswegen hat Archäologin Tanja Hörmann den Toten liebevoll „Wilhelm“ getauft.

    Im Mittelalter und der Barockzeit, so die Museumsmitarbeiterinnen, konnte man sich die Naturkatastrophen nur als Strafe Gottes für die eigenen Sünden erklären. Detlev von Liliencron dichtete noch 1883 über das reiche, aber gottlose Friesen-Babylon, das den „blanken Hans“ verhöhnt:

    „Auf allen Märkten, auf allen Gassen; Lärmende Leute, betrunkene Massen. Sie zieh’n am Abend hinaus auf den Deich: Wir trotzen dir, Blanker Hans, Nordseeteich! Und wie sie drohend die Fäuste ballen; Zieht leis aus dem Schlamm der Krake die Krallen. (…) Ein einziger Schrei – die Stadt ist versunken; Und Hunderttausende sind ertrunken.“

    Wenn man manche Klimaaktivisten reden hört, könnte man meinen, an dieser religiösen Moral von Schuld und Sühne hätte sich bis heute wenig geändert: Wir CO2-Sünder müssen für unsere Gottlosigkeit bezahlen. Wenn wir keine Buße tun, uns nicht in Verzicht üben, dann steigen die apokalyptischen Fluten aufs Neue über die Ufer.

    Dabei zeigt gerade der Blick auf die Geschichte, dass die Naturgewalten nichts Neues sind: „Wir leben in einer Warmzeit, das heißt, der Meeresspiegel steigt. Es gab in der frühen Neuzeit eine kleine Eiszeit und jetzt wird es wieder wärmer – das ist erstmal normal“, erläutert Museumspädagogin Görke. „Vor 10.000 Jahren hätte man bei Ebbe noch zu Fuß nach England gehen können“, pflichtet Archäologin Hörmann bei. „Erst die Sturmfluten haben das Meer geformt, wie es heute ist.“

    Nordseeinsel Pellworm: Leben einen Meter unter dem Meeresspiegel. Foto: MAM / COMPACT

    Die Küste sei nie fest gewesen, sondern unterliege stetigen Veränderungen. Aus diesem Grund lässt der Küstenschutz des Landes Schleswig-Holstein (LKN) in seinem Generalplan Landverlust ausdrücklich zu. Global betrachtet aber sei die deutsche Nordsee zum Glück nur wenig vom ansteigenden Meeresspiegel betroffen.

    „Das LKN sagt: Die Pellwormer müssen nicht um ihre Existenz fürchten. Wir müssen hier nicht mit Monsterwellen wie in Hollywood rechnen. Erdbeben gibt es in der Nordsee nicht und für Hurrikans ist das Wasser zu kalt.“ Schließlich befänden sich die Deiche in sehr gutem Zustand – man sei also gut gerüstet. Beruhigende Worte für den Fremden, der mit der Macht der Gezeiten nicht großgeworden ist.

    In der Nacht von Sonntag auf Montag erreicht Sabine, unser Orkantief, ihren Höhepunkt. Der Regen trommelt gegen die Fenster, über den Marschen tobt der Sturm, die Straße zur Fähre der Neuen Pellwormer Dampfschiffahrtsgesellschaft (von 1902) ist bereits im trüben Wasser der Nordsee verschwunden. Helmut Bahnsen, der alte Fischer, schläft. Er ist mit der Gewissheit ins Bett gegangen, dass Pellworms Deiche auch in Zukunft standhalten werden. Vielleicht, aber nur vielleicht, schnarcht er ein bisschen.


    Der von der Merkel-Regierung für das Jahr 2050 beschlossene Totalausstieg aus allen fossilen Energieträgern ist noch lange hin, mag man sich trösten. Bis dahin kann man noch Auto fahren, in den Urlaub fliegen, Schnitzel essen, mit Öl und Kohle heizen, seinen Arbeitsplatz in den angeblich schmutzigen Branchen behalten. Doch die Klimahysteriker machen Druck, die Verbote vorzuziehen. Was, wenn die Grünen an der nächsten Bundesregierung beteiligt sind? COMPACT-Spezial Öko-Diktatur liefert Fakten gegen die Hysterie. Hier bestellen oder auf das Bild oben klicken.

    Kommentare sind deaktiviert.