Am 21. August 1955 war es soweit: Nur zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einem sowjetisch-bundesdeutschen Länderspiel in Moskau. 80.000 Zuschauer verfolgten die ausverkaufte Begegnung live im Stadion. Übertragen wurde das Spiel nicht nur in DDR und BRD, sondern auch auf den Appellplätzen der sowjetischen Kriegsgefangenenlager. Es folgt ein Auszug aus COMPACT-Spezial Nationalsport Fußball: Herzschlag einer deutschen Leidenschaft. Bis Dienstag, 15. Juni, (24 Uhr) als EM-Geschenk zu JEDER Bestellung in unserem Online-Shop.

     Im Vorfeld hatte das Spiel für erbitterte Diskussionen in Westdeutschland gesorgt. „Der Russe“ war schon damals das Feindbild, an dem die amerikanische Propaganda mit Hilfe früherer NS-Journalisten in der von den NATO-Alliierten lizensierten BRD-Presse eifrig strickte. Und es war ja nicht nur Propaganda: Die von Rotarmisten 1945 vergewaltigten Frauen gab es tatsächlich, die Demontage von Industrieanlagen östlich der Elbe hatte wirklich stattgefunden – und erst jüngst, am 17. Juni 1953, waren es sowjetische Panzer gewesen, die auf der Stalinallee in Ostberlin gegen streikende Arbeiter gerollt waren. Und musste nicht auch in den Seelen der Russen immer noch Hass lodern, nachdem über 20 Millionen der Ihren im Zweiten Weltkrieg getötet worden waren – von Kugeln und Bomben, abgefeuert und geworfen von deutschen Soldaten?

    Herberger: „Schöne Tage mit russischen Sportkameraden“

    Auf beiden Seiten pflegten die Hinterbliebenen die Gräber ihrer Toten und wussten: Das waren die anderen gewesen. Wie sollte da ein Freundschaftsspiel zwischen Fritz und Ivan stattfinden – nur zehn Jahre nach dem großen Schlachten? Es bestanden ja noch nicht einmal diplomatische Beziehungen zwischen den zwei Staaten – und zum Ärger Moskaus war die BRD auch noch erst vor wenigen Monaten in die NATO eingetreten! Das Auswärtige Amt in Bonn lief Sturm gegen die Begegnung, der amerikanische Sender RIAS in Westberlin verweigerte die Übertragung.

    Kapitän Fritz Walter (M.) und Trainer Sepp Herberger (r.) nach dem WM-Sieg 1954 | picture alliance /IMAGNO/Votava

    Doch Kanzler Konrad Adenauer, ansonsten ein scharfer Redner gegen die „Soffjets“, behielt kühlen Kopf: Das Spiel fand statt. Und dann das Unglaubliche: Unsere Mannschaft und die Schlachtenbummler wurden in Moskau mit offenen Armen empfangen. Alle Augenzeugen berichten übereinstimmend: Die Herzlichkeit der Russen war überwältigend. Bundestrainer Sepp Herberger fasste zusammen:

    Am stärksten beeindruckt hat mich die große Gastfreundschaft der Russen. Wir bringen also aus Moskau die Erinnerung an so schöne Tage des Zusammenseins mit russischen Sportkameraden. Und wir freuen uns, wenn die Russen zu uns kommen, Gleiches mit Gleichem vergelten zu können.

    Rudi Michel: „Der Russe ist sauber und ehrlich“

    Torwart Fritz Herkenrath ergänzte: „Von Kriegsgegner oder Hass gegen Deutschland ist also in dem Umfeld der Nationalmannschaft überhaupt nichts zu spüren gewesen.“

    Die Spieler konnten sich ohne Aufpasser in der Stadt bewegen und mit den Menschen, radebrechend und gestikulierend oder mit Hilfe eines Dolmetschers, Kontakt aufnehmen. Rudi Michel, neben Zimmermann der zweite deutsche Reporter, fasste seine Eindrücke zusammen:

    „Der Russe ist einfach gekleidet, sauber und ehrlich. (…) Er ist auf Prunkbauten und Errungenschaften des Staates stolz und glaubt, dass sie auch ihm gehören. Seine eigene einfache, oft armselige Behausung empfindet er nicht als störend. Fremde staunt er an, sie genießen überall Vortritt.“

    Verblüfft notierte er: „Frauen und Männer verrichten grundsätzlich gleiche Arbeit.“

    Eine große Freundschaft beginnt

    Die deutsche Elf war vom Luxus in ihrem Hotel, dem Sowjetskaja, und in den Trainingsanlagen schwer beeindruckt. Kapitän Fritz Walter schrieb in seinem im selben Jahr erschienenen Buch Spiele, die ich nie vergesse:

    Seit ich Fußball spiele, gleicht eine Umkleidekabine der anderen aufs Haar. Bänke rechts, Bänke links und dazu Kleiderhaken. Und hier? In der Mitte ein riesiger runder Tisch mit Blumenstrauß darauf! Der ganze Raum ausgelegt mit schweren Teppichen! Klubsessel und Couchen überall! Nebenan ein wunderbarer Brauseraum!

    Die Freundschaft, die der Kaiserslauterner mit dem russischen Ausnahmetorwart Lew Jaschin schloss, sollte ein Leben lang halten.

    Überwältigend muss die Atmosphäre im Stadion gewesen sein: Zu Anfang erklingen die Sowjet-Hymne und das Deutschlandlied. (…)

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