Der Nord Stream-Anschlag heute vor zwei Jahren: Was uns Bundesregierung und Bundeswehr verschweigen. Und was weiß Scholz? Wenn er nicht direkt vom Weißen Haus eingeweiht war, so muss er über weitergehende Kenntnisse verfügen. Doch in Berlin wird gemauert. Wir haben nachgehakt. Sichern Sie sich unsere DVD „Täter USA“ mit spektakulären Recherchen Enthüllungen. Hier mehr erfahren.
Die Mitschnitte vom 7. Februar 2022 liefen um die Welt: Joe Biden kündigt bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus kaum verklausuliert die Zerstörung von Nord Stream an, Olaf Scholz steht freundlich lächelnd daneben. Muss man nicht davon ausgehen, dass der Kanzler beim anschließenden Small Talk den Präsidenten fragte, warum er sich so sicher sei, die Pipelines ausschalten zu können?
Pulitzerpreisträger Seymour Hersh geht davon aus, dass der Bundeskanzler schon bei diesem Staatsbesuch in Washington in die Anschlagsplanung eingeweiht wurde. Zuletzt hatte sogar das Wall Street Journal über die schweigende Billigung der Sprengung durch die deutsche Politik berichtet.
Verräterische E-Mail
Dass die Bundesregierung schon im Frühjahr 2022 mit Sabotageangriffen auf die Nord-Stream-Leitungen rechnete, belegt ferner eine E-Mail, die dem Cicero zugespielt worden war. Sechs Monate vor dem Sprengstoffanschlag auf die Ostsee-Pipeline soll ein Kanzleramtsvertreter vor einer Umweltkatastrophe gewarnt haben. Das Gas müsse „unbedingt aus der Leitung heraus“, man sei auf der Suche nach einer „schnellen Lösung“ mit der US-Regierung in Verhandlungen, heißt es in dem Schreiben.
Verräterisch: Warum wurde mit der US-Regierung konferiert, die doch gar nicht an Nord Stream beteiligt war? Wäre der richtige Gesprächspartner zur Lösung des Problems nicht Gasprom gewesen? Die Mail mit dem Zitat stammt von einer Referentin der Landesvertretung Mecklenburg-Vorpommern. Sie bezieht sich auf eine nicht öffentliche Sitzung der Arbeitsgruppe Energie der SPD-Bundestagsfraktion am 14. März 2022, bei der ein Mitarbeiter des SPD-Kanzlers sich wohl entsprechend geäußert hatte.
Ausbleibende Aufklärung
„Früher oder später wird bekannt, wer dahintersteckt“, war sich der ehemalige Chef des Bundesnachrichtendienstes, August Hanning, kurz nach den Anschlägen auf Nord Stream sicher. Und weiter: „Es wird Aufnahmen von Überwachungen geben, das lässt sich langfristig kaum verheimlichen.“ Konkret nannte er Satelliten- sowie Unterwasseraufnahmen (akustisch, von Sensoren und Kameras). „Marine wird aufklären“, tönte auch die Bild nach den Anschlägen, damals noch Putin als Sündenbock präsentierend:
„Deutschlands Marine etwa horcht aus Eckernförde bis in die Newa bei St. Petersburg. Jede Umdrehung einer Schiffsschraube wird registriert und kann analysiert werden. Die Insel Bornholm, vor der die mutmaßlichen Anschläge durchgeführt wurden, ist ein militärischer Horchposten der Dänen. Schweden überwacht seine Gewässer seit dem Kalten Krieg komplett. Und Polen klärt ebenfalls für die NATO über und unter Wasser auf.“
Seltsam nur: Keinerlei Aufnahmen wurden bis heute von den NATO-Staaten zur Verfügung gestellt. Russland wurde ohnedies von den Untersuchungen ausgeschlossen.
Unabhängig von den Aufklärungsergebnissen der NATO-Partner muss die Bundeswehr auch eigene Erkenntnisse haben. Das Kommando Spezialkräfte Marine nahm nämlich zusammen mit dem Objektschutzregiment der Luftwaffe „Friesland“ an der NATO-Übung Baltic Tiger in Estland teil. Abfahrt der Transportschiffe war im Ostseehafen Eckernförde ab 21. September 2022, Ankunft in Tallinn am 27. September. Das heißt: Im zeitlichen Umfeld der Sprengungen müssen deutsche Marineeinheiten Bornholm passiert haben.
Weitere mögliche Mitwisser müssten an Bord des Flottendienstbootes „Alster“ (A-50) gewesen sein. „Die Marine bezeichnet ihre Flottendienstboote der Oste-Klasse als ‚das hochsensible Auge und Ohr der ganzen Bundeswehr‘“ umriss das ZDF am 14. März 2023 die Qualität der Schiffe. Sie sind demnach auf das Überwachen weiter See- und Küstengebiete spezialisiert und haben „besonders effiziente elektronische, hydroakustische und elektro-optische Sensoren“.
Kein Respekt
Die „Alster“ befand sich seit Ende Februar 2022 auf Ostfahrt. Darüber liest man auf der Webseite des Reservistenverbandes: „Vizeadmiral Jan Christian Kaack (…) fackelte nicht lange, nachdem die ersten russischen Panzer in die Ukraine gerollt waren. (…) Das Flottendienstboot ‚Alster‘ lief aus, um in der Ostsee See- und Küstengebiete elektronisch zu überwachen und gesicherte Erkenntnisse zu gewinnen.“ Das heißt, seit Ende Februar 2022 war die „Alster“ auch im künftigen Anschlagsgebiet mit Überwachungsaufgaben betraut.
Zum schneidigen Admiral Kaack wäre noch anzumerken: Erst kurz bevor er die „Alster“ auf ihre neue Mission geschickt hatte, war er zum Marineinspekteur ernannt worden. Er übernahm den Posten von Admiral Kay-Achim Schönbach, der höchstwahrscheinlich nicht zu aggressiven Aktivitäten gegen Russland bereit gewesen wäre. Auf einer Konferenz in Neu-Delhi hatte er nämlich am 21. Januar 2022 über Putin gesagt:
„Doch was er wirklich will, ist Respekt. Er will auf Augenhöhe, er will Respekt. Und – mein Gott – jemandem Respekt entgegenzubringen, kostet wenig, kostet nichts. Also, wenn man mich fragen würde: Es ist leicht, ihm sogar den Respekt zu geben, den er wirklich fordert – und vermutlich auch verdient.“
Und weiter: „Die Halbinsel Krim ist weg, sie wird nicht zurückkommen, das ist eine Tatsache.“ Schon am darauffolgenden Tag musste Schönbach seinen Hut nehmen.
Fragen über Fragen
Was weiß Kaacks Spionageschiff über Nord Stream? Die damalige Bundestagsfraktion der Linken verfasste im November 2022 folgende Anfrage: „Wo befand sich das Bundeswehr-Flottendienstboot ‚Alster‘ zum Zeitpunkt der Explosionen? a) Was war der Grund für die Entsendung in die Ostsee, und seit wann befand sich das Boot dort? b) In welcher Entfernung zu den beiden Explosionen befand sich die ‚Alster‘? c) Konnte die ‚Alster‘ im Zeitraum der Explosionen Schiffe, Boote oder U-Boote in der Nähe der Explosionen identifizieren, wenn ja, welche? d) Welche anderen Informationen, die im Zusammenhang mit den Explosionen stehen könnten, konnte die ‚Alster‘ gewinnen?“
Die Bundesregierung beschied in ihrer Antwort vom 15. November 2022 lapidar: „Die Beantwortung der Frage kann in offener Form nicht erfolgen. Die Einstufung als Verschlusssache mit dem Geheimhaltungsgrad ‚VS – Nur für den Dienstgebrauch‘ ist im vorliegenden Fall in Hinblick auf das Staatswohl erforderlich.“
Offiziell wurde die Untersuchung der Sprengstellen durch die westlichen Anrainerstaaten (ab 10. Oktober 2022) von der Bundesregierung eingestanden. Doch seltsam: Schon am 14. Oktober wurde das beteiligte deutsche Schiff ‚Mittelgrund‘ wieder zurückbeordert. Dänemark und Schweden wollten die Anschläge allein aufklären, hieß es.
Laut Auskunft der Bundesregierung vom 30. November 2022 (Antwort auf eine AfD-Anfrage) „befanden sich keine Taucher und Sprengstoffexperten“ an Bord. Schlussfolgerung: Die ‚Mittelgrund‘ wurde nur losgeschickt, um Aufklärung vorzutäuschen…
Nur die halbe Wahrheit…
Ausnahmsweise blieb ausgerechnet das ZDF am Ball. Am 14. März 2023 meldete der Sender: „Die Deutsche Marine war wenige Tage vor der Nord-Stream-Pipeline-Explosion mit einem Aufklärungsschiff für mehrere Tage in der Nähe des Anschlagsortes. Das bestätigte ein Sprecher des Marinekommandos der Bundeswehr auf Nachfrage von ZDF Frontal. Demnach verließ am 7. September 2022 ein Flottendienstboot der Oste-Klasse Kiel. Das Schiff hielt sich bis zum 14. September knapp elf Seemeilen südöstlich der Stelle auf, an der am 26. September eine Explosion die Nord-Stream-1-Pipeline zerstörte. (…) Im gleichen Zeitraum war auch die Segeljacht ‚Andromeda“‘ in der Ostsee unterwegs.“
Das ist freilich nur die halbe Wahrheit – typisch für das ZDF und andere NATO-Medien. Mittlerweile liegen nämlich – trotz des Mauerns der Bundesregierung bei der Anfrage der Linken – genauere Hinweise auf das bereits erwähnte Spionageschiff „Alster“ vor: Dieses Schiff der Oste-Klasse war keineswegs nur bis 14. September 2022 in Tatortnähe, sondern auch im direkten zeitlichen Umfeld des Tattages 26. September 2022.
Sehr verdächtig: Die „Alster“ schaltete ihre AIS-Kennung (Automatic Identification System; Automatisches Identifikationssystem) am 21. September ab und erst am 30. September um genau 22:09 Uhr wieder an – und zwar zwischen Tallinn und Helsinki, wo der relative dichte Verkehr auf dem Meer ohne AIS zu Zusammenstößen führen könnte.
In diesen fast zehn Tagen war die „Alster“ für die Seeüberwachung unsichtbar – ähnlich wie ein Flugzeug für die Luftüberwachung, wenn es den Transponder ausschaltet. Es gibt jedoch Augenzeugenberichte von dänischen Fischern, die das deutsche Flottendienstboot zwischen 21. und 25. September vor Bornholm gesehen haben. Angeblich zur selben Zeit in Tatortnähe: Die Fregatte „Sachsen“ (F-219) der Deutschen Marine.
Für einen Untersuchungsausschuss des Bundestages aufzuklären. Warum nicht als erstes die Kommandanten der genannten Schiffe vorladen?
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