COMPACT: Herr Höcke, Bodo Ramelow ist abgewählt, Thomas Kemmerich neuer Ministerpräsident. Interpretiere ich die Rolle der AfD falsch, wenn ich sage: Hoch gepokert und gewonnen?

    Höcke: Was heißt gepokert. Für uns war wichtig, dass wir unser zentrales Wahlziel doch noch erreichen: Bodo Ramelow in den verdienten politischen Ruhestand zu schicken und Rot-Rot-Grün als Regierung in Thüringen zu beenden. Als Bodo Ramelow 2014 als erster linker Ministerpräsident gewählt worden ist, da war das ein politischer Tabubruch. Wenn er jetzt im Amt bestätigt worden wäre, auch mit den – in Anführungszeichen – bürgerlichen Parteien, wäre das ein politischer Sündenfall gewesen. Das konnten wir verhindern. Taktik gehört natürlich auch dazu, das ist klar.

    COMPACT: Sie wirkten sehr angespannt während der Wahlgänge. Waren Sie es auch, oder haben Sie das Ergebnis im Grunde schon erwartet?

    Höcke: Der erste Wahlgang ist ja sehr erfolgreich für uns verlaufen. Unser parteiloser Kandidat hat drei Stimmen mehr bekommen, als die AfD-Fraktion hat. Das war ja schon ein Erfolg. Nach dem zweiten Wahlgang war auch klar: Die AfD steht wie eine homogene kampfstarke Gruppe, wenn ich das mal so sagen darf. Aber natürlich ist eine solche Ministerpräsidentenwahl, die Bedeutung weit über Thüringen hinaus hat, die natürlich auch in Berlin verfolgt worden ist, eine durchaus historische Situation und da ist man selbst als Politiker, der nun schon ein paar Jahre parlamentarische Erfahrungen hat und lange in der politischen Sphäre unterwegs ist, auch ein wenig angespannt. Natürlich. Überraschungen gibt es bei solchen geheimen Wahlen immer wieder.

    COMPACT: Sie haben die AfD wiederholt als Sperrriegel bezeichnet. Das war sie heute für Rot-Rot-Grün, aber nicht für die etablierten Parteien FDP und CDU. Sie selbst hatten eine Zusammenarbeit mit der CDU wiederholt davon abhängig gemacht, dass diese den Merkelismus ablegt. Haben Sie am Ende den Teufel mit dem Belzebub ausgetrieben?

    Höcke: Nein, überhaupt nicht. Wir wissen ja, dass es in der CDU in Thüringen gärt. Das hat verschiedene Gründe, aber vor allem auch weltanschauliche Gründe. In der CDU-Fraktion als Merkelist tituliert zu werden, ist mittlerweile auch ein Schimpfwort. Das heißt, da gärt es ordentlich. Wir haben jetzt durch unser Wahlverhalten für Herrn Kemmerich noch mehr Hefe in den Most der Altparteien reingeworfen. Man muss in der Politik manchmal auch in kleinen Schritten nach vorne gehen. Ich denke, dass uns das gut tut, der AfD sicherlich gut tut. Wir sind nicht in der Position der Fundamentalopposition sitzen geblieben, sondern haben uns heute konstruktiv gezeigt; wollten ja auch, dass es weiter geht in Thüringen, aber eben nicht mit Bodo Ramelow. Von daher ist es ein guter Tag für Thüringen.

    COMPACT: Sie haben der CDU und der FDP im Vorfeld Angebote gemacht, haben dabei sogar das französische Konzept des Citoyen – also des Staatsbürgers, statt des Volkes – als Grundlage der Gemeinsamkeit angeboten, was mir sehr weitgehend erschien. Sind Sie am Ende zu weit auf die beiden potentiellen Partner zugegangen? Sind sie enttäuscht, dass diese Ihnen dennoch die kalte Schulter gezeigt haben?

    Höcke: Es war einfach noch nicht die Lage gegeben, um offen Gespräche zu führen, offen die Positionen auszutauschen. Man muss das unter psychologischen Aspekten durchaus verstehen. Wir sind als AfD der neue Spieler auf dem Feld, uns gibt es erst seit wenigen Jahren und wir haben schon so unheimlich an Bedeutung gewonnen. Gerade hier in Thüringen, im Osten, sind wir mittlerweile mehr als ein politischer Störfaktor. Wir sind ein wirklicher Machtfaktor und immer noch im Geiste der guten Volksopposition im Parlament unterwegs. Da wird die Maus auch in Zukunft keinen Faden abbeißen, das bleibt auch so. Wir wissen, in welchem Auftrag wir hier sind, für wen wir hier sind.

    Das Minimalziel war jetzt erst einmal, Bodo Ramelow für eine zweite Legislatur zu verhindern und die Altparteien zum Nachdenken zu bringen und ich denke, sie sind jetzt in der Pflicht und werden intensiv nachdenken. Wir haben ja auch im Parlament eine komfortable Situation. Als zweitstärkste politische Kraft sind wir auch weiterhin in der Lage, diese politische Sperrriegelfunktion, an die Sie gerade erinnert haben, voll auszuleben.

    Wir werden uns nicht sperren, wie wir das auch in der letzten Legislatur nicht gemacht haben. Wenn es auf der pragmatischen Ebene, auf der sachlichen Ebene gute Anträge gibt – von wem auch immer – wir werden sie neutral prüfen, werden vergleichen, ob diese Anträge mit unserem Wahlprogramm konform gehen und werden auch weiterhin den Anträgen unsere Stimme geben, die diese gesunde Portion Menschenverstand mit sich tragen. Egal, von wem sie kommen. Das war unsere Linie in den letzten fünf Jahren, das wird unsere Linie weiterhin bleiben.

    COMPACT:
    Nachdem die bisherigen Koalitionsfraktionen eine Zusammenarbeit mit Kemmerich ausgeschlossen haben, sind Sie jetzt praktisch der Gesetzesmacher in Thüringen.

    Höcke: Ja, richtig. Ich denke auch, dass es ohne uns jetzt nicht mehr geht und ohne Gespräche wird man nicht mehr weiter regieren können. Ich hoffe auch, dass diese Rest-Bürgerlichkeit sich auch in der FDP-, auch in der CDU-Fraktion durchsetzt, vielleicht wieder stärker wird. Zu erkennen, dass dieses Land jetzt gut regiert werden muss, dass wir jetzt gemeinsam zu guten Lösungen kommen müssen. Wir haben die Mehrheit – in Anführungszeichen – als bürgerlicher Block in Thüringen, auch wenn die CDU unter Merkel in den letzten Jahren die Bürgerlichkeit in vielen Bereichen über Bord geworfen hat. Da sind jetzt die FDP und die CDU in der Verantwortung.

    Wir sind heute einen wesentlichen Schritt nach vorne gegangen. Wir haben viel für die AfD, nicht nur in Thüringen, sondern ich glaube sogar bundesweit, erreicht. Wie richtig es war, diesen Schritt zu gehen, auch unter Zuhilfenahme von taktischen Winkelzügen – ja, das haben wir heute tatsächlich so zelebriert und das mussten wir auch tun – das zeigt ja auch das Verhalten von hochrangigen Linken-Politikern bei dieser Wahl. Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass die Fraktionsvorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, den Blumenstrauß, den man eigentlich dem Wahlgewinner überreicht, demonstrativ dem neuen Amtsinhaber vor die Füße geworfen hat. Bodo Ramelow, so hörte ich, hatte nicht mehr die Größe, seinem Nachfolger im Amt persönlich zu gratulieren.

    Alles das sind wirkliche Brüche mit der bisher gelebten parlamentarischen Kultur. Das zeigt auch, welch Geistes Kind die Linken sind. Da ist wirklich dann die Maske fallen gelassen worden und der Hardcore-Ideologe ist durchgekommen. Ich hoffe, dass viele Menschen im Lande das auch wahrnehmen. Von daher, auch vor dem Hintergrund dieses Kulturbruches, war das, was wir heute getan haben und wie wir es getan haben, richtig und ich stehe dazu.

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