In der AfD ist kurz vor dem anstehenden Bundestagswahlkampf eine geschichtspolitische Debatte ausgebrochen, die manch einem in der Partei ungelegen kommen dürfte. Im Zentrum steht der Kriegsbeginn zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion im Juni 1941. Die Debatte wird durch eine Neuerscheinung befeuert, die nicht im Buchhandel, wohl aber im COMPACT-Shop erhältlich ist: Der Historiker und Generalmajor a. D. der NVA Bernd Schwipper hat in seinem Werk Die Aufklärung der Bedrohung im Osten sensationelle Dokumente zusammengetragen, die Stalin belasten. Die umgekehrte Sichtweise, die die damalige Sowjetunion entlastet, findet sich in den Analysen von Wladimir Putin, die wir in unserer Sonderausgabe Geschichtslügen gegen Deutschland referieren. Er geht davon aus, dass die Westmächte, vor allem die Briten, Hitler gezielt auf Stalin gehetzt haben, damit beide Kontinentalmächte sich gegenseitig ausbluten.
Erst wurde dem AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla die – aus der Sicht Moskaus – tatsächlich ungewöhnliche Ehre zuteil, zum 80. Jahrestag von Hitlers Feldzug gegen die Sowjetunion am 22. Juni einen Kranz am Grab des unbekannten Soldaten auf dem Roten Platz in der russischen Hauptstadt niederlegen zu dürfen.
Dann hatte der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland am 9. Juni im Rahmen einer Gedenkstunde des Deutschen Bundestags anlässlich des 80. Jahrestages des Russland-Feldzugs eine Rede gehalten, die unter anderem deshalb kritisiert wurde, weil die Rolle Stalins darin sehr defensiv gezeichnet wurde.
Tatsächlich hatte die Sowjetunion nach dem Hitler-Stalin-Pakt Ostpolen, das Baltikum, Bessarabien sowie Teile Kareliens besetzt und annektiert. Andererseits hatte die Sowjetunion die Verpflichtungen aus dem Hitler-Stalin-Pakt, etwa die Lieferung von Wirtschaftsgütern ins Reich und die Auslieferung deutscher Kommunisten an Hitler, bis zum letzten Tag immer pünktlich erfüllt.
Eine Debatte in Schnellroda
Angefacht wurde die AfD-Debatte durch eine vom Institut für Staatspolitik in Schnellroda ausgerichteten und von Erik Lehnert moderierten Podiumsdiskussion zur Frage „1941– Präventivkrieg oder Überfall?“ zwischen dem AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah und dem Historiker und AfD-Bundestagskandidaten Stefan Scheil. Letzterer vertritt die These vom deutschen Präventivkrieg, Ersterer die auch von Chrupalla und Gauland vertretene These vom deutschen Überfall.
Nun ist es natürlich unmöglich, in der Rückschau sichere Urteile über ein Ereignis – nämlich einen möglichen Einmarsch der Roten Armee in das Deutsche Reich im Sommer 1941 – zu treffen, das im Bereich des Kontrafaktischen liegt und in der konkreten historischen Wirklichkeit nie eingetreten ist.
Doch im Zuge der Barbarossa-Debatte des Instituts für Staatspolitik weist Stefan Scheil, selbst ein exzellenter Kenner der Materie, unter anderem auf die Arbeiten des in Dresden zum Militärhistoriker promovierten Bernd Schwipper hin, der einst die Moskauer Generalstabsakademie absolvierte und der jüngste General der Nationalen Volksarmee (NVA) war.
Ein Ex-NVA-General klärt auf
Schwipper beherrscht sein Fach, und hier insbesondere die Quellenforschung und Quellenkritik russischer und sowjetischer Dokumente, virtuos und ist nach der genauen sprachlichen Auswertung von Tausenden von Original-Dokumenten zu dem Ergebnis gelangt, dass im Sommer 1941 ein sowjetischer Angriff unmittelbar bevorstand.
Er kann nachweisen, dass schon ab dem Sommer 1940 ein großangelegtes Vorrücken der Roten Armee nach Westen hin begann, die massiv in diejenigen Gebiete verlegt wurde, die sich der sowjetische Diktator im Zuge des Hitler-Stalin-Pakts angeeignet hatte.
Das führte dazu, dass sich die Rote Armee im Frühsommer 1941 teilweise schon in Tuchfühlung zu den Randgebieten des östlichen Mitteleuropas aufstellen konnte. Dabei wurden nicht nur Truppen, Flugplätze und Vorratslager nach Westen verlegt, sondern auch Ostpreußen zum Bezugspunkt diverser militärischer Planspiele gemacht.
➡️ Muss die Geschichte des deutsch-sowjetischen Krieges vollkommen neu geschrieben werden. Machen Sie sich anhand der Dokumentenbände von Schwipper selbst ein Bild davon. Die Fleißarbeit des Militärhistorikers und Generals a. D. dient der historischen Wahrheitsfindung in jedem Fall.
Die beiden druckfrischen Bände können Sie ab sofort in unserem Online-Shop bestellen. Dort können Sie auch die Gegenposition des Putin-nahen Historikers Nikolaj Starikow Wer hat Hitler gezwungen, Stalin anzugreifen bekommen.