Vor etwas mehr als einem Jahr empfing er mich mit Salamibrötchen zum Gespräch, nun tritt Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen für die Thüringer CDU zur Bundestagswahl an. Wie ist seine Abgrenzung zur AfD zu werten? Und welche Chancen bietet seine Kandidatur? Welche Größen die Union einst aufzubieten hatte und wie armselig deren Repräsentanten dagegen heute sind, verdeutlicht COMPACT-Spezial Verrat am Wähler – Geschichte und Gegenwart der Altparteien. Hier mehr erfahren

    Als Maaßen am 22. Januar 2020 in Halle an der Saale auftrat, befand er sich gerade auf Tour durch die Republik. Von Merkel und Seehofer aus dem Amt gejagt, tingelte der frühere Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz von einem christdemokratischen Kreisverband zum nächsten, die Parteibasis mit kernigen Aussagen an die besseren Tage ihrer Mitgliedschaft erinnernd.

    Nach Sachsen-Anhalt war er auf Einladung der Kreisverbände Halle, Saalekreis und des CDU-Bundestagsabgeordneten Christoph Bernstiel gereist. Die hatten damit den Zorn der örtlichen Antifa und Organisationen wie der Initiative Halle gegen Rechts auf sich gezogen. Aus Furcht vor Anschlägen musste die Veranstaltung mit Maaßen sogar ins entlegene Mercure-Hotel in Halle-Peißen verlegt werden.

    Gelebte Meinungsfreiheit

    Nur mit Glück kam ich an diesem Abend noch in den Konferenzraum des Hotels hinein, der wegen Maaßen aus allen Nähten zu platzen drohte. Rauschender Applaus ertönte, als der CDU-Outlaw über den roten Teppichboden zum Rednerpult schritt. „Wie sicher ist unsere Demokratie?“ lautete das Thema seines Vortrags. Gleich zu Anfang konstatierte der einstmals oberste Verfassungsschützer:

    Wir haben eine ganze Reihe von Problemen in Deutschland.

    So zum Beispiel die hohe Zahl an islamistischen Gefährdern. „3800 Salafisten waren es am Beginn meiner Amtszeit, 11.500, als ich aufhörte.“ Mit einem bitteren Lächeln fügte er hinzu: „Lag nicht an mir, dass ihre Zahl zunahm.“

    Als ein weiteres Problem benannte er die in Deutschland immer stärker eingeschränkte Meinungsfreiheit.

    „Ich nehme wahr, dass Personen und Gruppierungen ausgegrenzt werden. Und ich bin der Meinung, dass man als Demokrat mit allen reden sollte.“

    Der öffentlich-rechtliche Rundfunk betreibe entgegen seiner eigentlichen Funktion Agitation und Propaganda. Und im Gegensatz zu anderen Vertretern der Altparteien, die gern mehr Meinungsfreiheit postulieren, dann aber doch lieber hygienische Distanz zu allen geistigen Abweichlern halten, blieb Maaßen an diesem Tag den eigens aufgestellten Prinzipien treu: Am Ende lud er mich als Korrespondent von Journalistenwatch und COMPACT neben Vertretern der Mainstream-Medien zu einer Fragerunde ein.

    Quades Gequengel 

    Auch wenn es den Schreiberlingen von Zeit, Mitteldeutscher Zeitung & Co. überhaupt nicht passte: Genau wie sie saß ich kurz darauf mit Maaßen in einem Seminarraum des Hotels, bediente mich an den mit sauren Gurken belegten Salamischnittchen und richtete meine Fragen an den früheren VS-Präsidenten.

    Der antwortete präzise und sachbezogen, frei von politisch korrekter Polemik. Dass sich im Lauf der letzten Jahre eine alternative Medienlandschaft mit starken Stimmen wie COMPACT entwickelt hat, beschrieb er sogar als eine notwendige Entwicklung:

    Viele Journalisten des Öffentlich-Rechtlichen begreifen sich als Tendenzbetrieb, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht sein darf. Schließlich ist er der Meinungspluralität verpflichtet. (…) Bei den Konsumenten hingegen lässt sich ein wachsender Bedarf nach konservativen oder alternativen Informationen verzeichnen. Im privaten Bereich kann man dem mittlerweile nachkommen, in den privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sehe ich da nach wie vor ein großes Defizit.

    Dass Maaßen mir am 22. Januar Rede und Antwort gestanden hat, sorgte in einigen Teilen des etablierten Politikbetriebes für maßlose Empörung. So stellte Henriette Quade, Linken-Abgeordnete im Landtag von Sachsen-Anhalt eine Anfrage an die Landesregierung, in der sie nachhakte, warum ich überhaupt an der Veranstaltung habe teilnehmen dürfen, auf der schließlich auch der Bildungsminister des Landes als Redner aufgetreten sei.

    Unser Reporter Paul Klemm ist für COMPACT ständig unterwegs: Hier unterhält er sich mit Schlager-Ikone Christian Anders. Foto: Autor

    Als Beispiel für meinen vermeintlichen Extremismus verwies sie in ihrer Anfrage auf ein Video von COMPACT-TV, in der ich bei einer Heftbesprechung mit Jürgen Elsässer empfohlen habe, sich in patriotischen Strukturen zu engagieren. 

    Auch auf Twitter nahmen Antifa-Influencer wie Valentin Hacken, radikaler Aktivist und Mitarbeiter von Henriette Quade, meine Teilnahme zum Anlass, Maaßen als Scharnier zwischen CDU und Rechtsaußen zu brandmarken. Der jedoch blieb cool und ignorierte das Gezeter von links. Eine Distanzierung kam für den Mann mit der Nickelbrille nicht infrage. 

    Abgrenzung von der AfD

    Umso enttäuschender waren für mich Maaßens jüngste Aussagen mit Blick auf die AfD: Er wolle mit seiner Reputation und seinen Anhängern dafür sorgen, der blauen Partei Stimmen abzunehmen und helfen, für die CDU das Kanzleramt zu verteidigen, sagte er nach seiner Wahl zum CDU-Direktkandidaten im Südthüringer Bundestagswahlkreis 196. Eine Zusammenarbeit mit der AfD, die sich radikalisiert habe, sei ausgeschlossen, so der prominenteste Kopf der Werte-Union. 

    Zu Gast bei Freunden: Maaßen und der ehemalige ungarische Bildungsminister Zoltán Balog (l.) in Budapest | Foto: Cyril Moog, Budapester Zeitung

    Manche mögen solche Aussagen an Friedrich Merz erinnern, der ebenfalls als konservativer Erneuerer der Union gefeiert wurde, sich dann jedoch durch platte Anti-AfD-Rhetorik mehr und mehr dem Mainstream anbiederte, um letztlich vom Merkel-Flügel geschlagen zu werden und wirkungslos unterzugehen.

    Möglicherweise sind die Äußerungen des frisch gekürten CDU-Kandidaten aber auch lediglich taktischer Natur: Er muss sich irgendwie von der AfD abheben, sonst könnten geneigte Wähler ja gleich deren Direktkandidaten die Stimme geben. Und da Maaßen wegen seiner vermeintlichen AfD-Nähe ohnehin schon von politischen Mitbewerben und der eigenen Parteiführung angegriffen wird, dachte er möglicherweise, dass er mit seinem Statement seinen Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen könnte.

    Beben in der Union

    Nichtsdestotrotz könnte Maaßens Kandidatur noch weitreichende Folgen haben. Denn zieht er bei der Bundestagswahl mit einem hohen Ergebnis in den Bundestag ein, wäre er der neue starke Mann der Thüringer CDU, die ihn sogar zu ihrem Vorsitzenden küren könnte. Das würde ein Beben in der Union auslösen und könnte die in der Post-Merkel-Ära nach Orientierung suchende Partei nachhaltig verändern. 

    Ob Maaßen allerdings die Gunst der Südthüringer für sich gewinnen kann, bleibt abzuwarten. Für meinen Großvater, der in Sonneberg wohnt, steht schon fest, dass er ihn definitiv nicht wählen wird. Nicht weil er zu rechts oder zu angepasst wäre, sondern einfach weil er zu den Främma, zu den Fremden, den Auswärtigen, gehört, noch nicht einmal aus Ostdeutschland stammt. Diesen Makel muss der geschasste VS-Präsident nun im Wahlkampf erst einmal wettmachen…


    Das waren noch Zeiten: Als in der SPD Helmut Schmidt den Ton angab, als in der CSU ein Franz Josef Strauß munter polterte oder als ein Jürgen W. Möllemann die FDP zu neuen Höhen führte! Wie aus Volksparteien Parteien gegen das Volk wurden, zeichnen wir in COMPACT-Spezial Verrat am Wähler – Geschichte und Gegenwart der Altparteien akribisch nach. Die umfassende Analyse können Sie hier bestellen.

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