Nationale Parteien und Gruppierungen waren seit Gründung der BRD ein Tummelplatz in- und ausländischer Geheimdienste. In seinem neuen Buch „Zwischen Reich und Republik – Geschichte der deutschen Nachkriegsrechten“ enthüllt der Historiker Karlheinz Weißmann das wahre Ausmaß dieser Wühlarbeit. Hier mehr erfahren.
Weihnachten 1959 meldete der RIAS: „Mit Entsetzen vernahm nicht nur die deutsche Bevölkerung, auch das Ausland die Nachricht von der Schändung der eben erst wieder aufgebauten Kölner Synagoge und des Kölner Mahnmals für die Opfer des Nationalsozialismus.“ Das jüdische Gotteshaus war ausgerechnet zu Heiligabend mit Hakenkreuzen beschmiert worden.
Der Schandtat folgte eine regelrechte Welle antisemitischer Schmierereien in der ganzen Bundesrepublik, in Westberlin und in mehreren westlichen Ländern. Plötzlich grassierte die Angst, dass die BRD von der Vergangenheit eingeholt würde. Fast 700 ähnliche Ereignisse dokumentierte ein Weißbuch der Bundesregierung in den Wochen nach Heiligabend 1959.
Im Berliner Abgeordnetenhaus gab der damalige Regierende Bürgermeister Willy Brandt eine Erklärung ab:
„Wenn man die Meldungen aneinander reiht, könnte man meinen, eine weit verstreute Brigade des Teufels habe Urlaub bekommen und sei auf uns losgelassen worden. Wir haben alle miteinander Grund, uns zu schämen.“
Die Schuldigen waren schnell ausgemacht: Mitglieder der Deutschen Reichspartei (DRP) sollen die Hakenkreuze an die Wände der Synagogen und anderen Einrichtungen geschmiert haben. Die 1950 gegründete Rechtspartei hatte den Sprung in die Landtage von Niedersachsen, Bremen und Rheinland-Pfalz einziehen konnte. Die Erfolgssträhne der Formation endete jäh, nachdem ihre Mitglieder an den Pranger gestellt wurden.
Doch tatsächlich führten damals der Staatssicherheitsdienst der DDR und der sowjetische KGB im Hintergrund den Pinsel, wie der Historiker Karlheinz Weißmann in seinem neuen Buch „Zwischen Reich und Republik – Geschichte der deutschen Nachkriegsrechten“ enthüllt. Die Aktion, sollte dazu dienen, Westdeutschland als Hort von Naziverbrechern international in Verruf zu bringen. Das gelang – und manchen Etablierten kam das im Grunde ganz gelegen. Denn so wurde ihnen kurzerhand eine lästige Konkurrenz aus dem Weg geschafft.
Reif fürs Verbot
Die Hakenkreuzschmierereien im Dezember 1959 sind nur ein Beispiel für die Wühlarbeit in- und ausländischer Geheimdienste innerhalb der deutschen Rechten. In seinem Werk „Zwischen Reich und Republik“ zeigt Weißmann auf, dass sich das perfide Treiben von Agenten und Provokateuren wie ein roter Faden durch die Geschichte der nationalen Opposition zieht. Stets wollte man allzu patriotische Regungen schon im Keim ersticken – auch zur Sicherung der Macht der Herrschenden. Daran hat sich bis heute kaum etwas geändert.

Ein besonders prägnanter Fall rankt sich etwa um die Sozialistische Reichspartei (SRP). Die wurde 1952 als erste Partei in der BRD verboten – nicht nur, weil sie eine unverkennbare Nähe zum alten NS-Gedankengut aufwies, sondern auch, weil das Bundesverfassungsgericht ihren undemokratischen innerparteilichen Aufbau bemängelte.
Maßgeblich verantwortlich für diese Struktur war der SRP-Vorsitzende Fritz Dorls. Und auch bei ihm spricht einiges dafür, dass er auf der Gehaltsliste eines Geheimdienstes stand – nämlich des 1950 neu gegründeten Bundesamtes für Verfassungsschutz. Dessen erster Präsident Otto John war eine überaus dubiose Figur. 1954 machte er urplötzlich rüber in die DDR, kehrte aber ein Jahr später zurück nach Westberlin.
Waffen vom US-Geheimdienst
Doch es waren nicht nur östliche Geheimdienste und der Verfassungsschutz, die rechte Gruppierungen in Westdeutschland infiltrierten, auch „die westlichen Siegermächte und insbesondere die USA“ positionierten damals „Einflussagenten in Parteien, Gewerkschaften und Medien“, wie Weißmann in „Zwischen Reich und Republik – Geschichte der deutschen Nachkriegsrechten“ schreibt.
Ein Beispiel dafür ist der vormalige HJ-Führer Karl-Heinz Priester, der mit Unterstützung des US-Geheimdienstes „zu Beginn der fünfziger Jahre eine Stay-behind-Organisation wie den Bund Deutscher Jugend (BDJ) aufbaute, den man nicht nur mit Geld, sondern auch mit Ausrüstung und Waffen versah“, so Weißmann in seinem neuen Buch.
Selbst der Bundesnachrichtendienst (BND) beteiligte sich am Agentenspiel innerhalb der politischen Parteien. Weißmann schreibt dazu in „Zwischen Reich und Republik“:
„Obwohl der BND eigentlich die Aufgaben eines Auslandsgeheimdienstes erfüllen sollte, konzentrierte er bis zum Ende der sechziger Jahre erhebliche Energien auf das Feld der Innenpolitik, nicht zuletzt durch das Platzieren von Konfidenten in Presse, Rundfunk, Fernsehen, Parteien und gesellschaftlichen Organisationen.“
Und weiter:
„Dabei richtete man das Augenmerk naheliegenderweise auf die politische Linke, aber deshalb geriet die Rechte doch nicht aus dem Blick, in der man systematisch eigene Leute aufbaute.“
Beispiele, die Weißmann hier anführt, sind etwa Helmut Beck-Broichsitter (Gründer einer ominösen Bruderschaft Deutschland), „der wahrscheinlich auch für den Verfassungsschutz arbeitete“, oder Gerhard Krüger, „den Geschäftsführer der Sozialistischen Reichspartei, der nach deren Verbot für die DRP tätig war“.
Geheimakte NPD
Auch in den folgenden Jahrzehnten litten rechte Parteien erheblich unter der Schlapphut-Infiltration. Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang Geschehnisse im Zusammenhang mit der NPD in den 1960er Jahren. Im November 1966 gelang der damals noch nationalkonservativen Partei unter der Führung ihres charismatischen Vorsitzenden Adolf von Thadden mit 7,9 beziehungsweise 7,4 Prozent der Einzug in die Landtage von Hessen und Bayern.

Die Erfolgsserie der Partei setzte sich bei den Wahlen in Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen fort und erreichte in Baden-Württemberg 1968 mit 9,8 Prozent der Stimmen ihren Höhepunkt. Gleichzeitig stieg auch die Zahl der Parteimitglieder von 18.000 (1966) über 38.000 (1967) bis auf rund 50.000 im Jahr 1969. In diesem Jahr stand schließlich eine Bundestagswahl an – und viele gingen davon aus, dass die NPD auch den Sprung ins Parlament schaffen würde.
Doch auf dem Höhepunkt des Wahlkampfes, der nicht nur von Verbotsdrohungen des damaligen Bundesinnenministers Ernst Benda (CDU) begleitet wurde, sondern auch von massiven, teils gewalttätigen Gegenprotesten, zückte einer der Leibwächter von Thaddens bei einer Kundgebung in Kassel im Getümmel seine Mauser-Pistole und schoss in die Luft…
Nun hatten Medien und Politik ihren vermeintlichen Beweis für die Gefährlichkeit der NPD, die schließlich mit 4,3 Prozent am Einzug in den Bundestag scheiterte. Notabene: NPD-Chef von Thadden selbst unterhielt zeitweilig Kontakt zum britischen Geheimdienst MI-6.
In Diensten von VS und Stasi
Doch nicht nur diese Begebenheit lässt auf das Einwirken von Geheimdienstprovokateuren schließen. „Als symptomatisch kann in dem Zusammenhang der Fall Peter Weinmanns betrachtet werden“, so Weißmann in „Zwischen Reich und Republik“ – wozu er weiter ausführt:
„Nationaldemokrat der zweiten Stunde und V-Mann des Verfassungsschutzes, war er ab Anfang der siebziger Jahre in verschiedenen nationalrevolutionären und neonationalsozialistischen Gruppen tätig. (…) Geld spielte in jedem Fall eine Rolle dafür, dass Weinmann auch der Staatssicherheit und später – im Gefolge seiner Übersiedlung nach Südtirol – dem italienischen Geheimdienst Zuträgerdienste leistete.
Dabei habe sich der Neonazi auf Geheimdienst-Ticket nicht nur „das Vertrauen von Einzelpersonen erschlichen, Informationen gesammelt und an seiner Auftraggeber weitergereicht, sondern auch als Agent provocateur betätigt“ – unter anderem unter dem Decknamen „Egon Fischer“ für die Stasi.
Die Reihe von V-Leuten, Lockspitzeln und Provokateuren in den Reihen der deutschen Rechten ließe sich noch beliebig fortsetzen – beim ersten Verbotsverfahren gegen die NPD 2003 spielte die Geheimdienst-Infiltration eine große Rolle, führte sogar zu einem Scheitern des Verfahrens, und auch beim Niedergang der Republikaner in den 1990er Jahren dürfte diese Sache nicht unerheblich gewesen sein.
Weißmann arbeitet die brisantesten Fälle in seinem Werk „Zwischen Reich und Republik – Geschichte der deutschen Nachkriegsrechten“ schreibt akribisch auf, nennt Ross und Reiter, verdeutlicht die Methoden der Dienste und sensibilisiert einen für dieses immer noch höchst relevante Thema. Eine echte Fleißarbeit, die einen klarer sehen lässt!
Karlheinz Weißmanns neues Werk „Zwischen Reich und Republik – Geschichte der deutschen Nachkriegsrechten“ bietet nicht nur einen umfassenden Überblick über alle rechten Strömungen und Parteien seit 1945, sondern verdeutlicht auch die Infiltration dieses Spektrums durch in- und ausländische Geheimdienste von Anfang an. Ein echter Augenöffner! Hier bestellen.