Anfang der 1980er Jahre spaltete sich ein Teil der zuvor unpolitischen Skinhead-Szene in Großbritannien ab und ließ sich vor den Karren der National Front spannen. Als Reaktion gründeten sich auch im linken Lager Glatzengruppen. Mehr über Jugendrevolten in Geschichte und Gegenwart lesen Sie in unserer Oktober-Ausgabe mit dem Titelthema „Neue Deutsche Jugend – Warum Rechts jetzt angesagt ist“. Hier mehr erfahren.
Juni 1979: Etwa 50 Anhänger der ultrarechten National Front (NF) greifen ein Konzert der Angelic Upstarts in Wolverhampton an. Es kommt zu einer wilden Schlägerei mit mehreren Verletzten. Auf beiden Seiten schwingen Skinheads die Fäuste. Die Kombo aus South Shields in Nordostengland gilt als eine der ersten Bands des Oi!-Punk-Genres – neben Ska und Northern Soul quasi die Hausmusik der Glatzköpfe.
Die Angelic Upstarts haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie sich als Teil der linken Arbeiterbewegung in Großbritannien und als Antifaschisten verstehen. Dennoch buhlt die NF um sie – und auch um andere Skinhead-Bands. Ein Teil der Kurzgeschorenen hat sich längst von den multikulturellen Wurzeln der Subkultur gelöst und bewegt sich im Fahrwasser der rechtsradikalen Partei, die zwar bei Wahlen keine Rolle spielt, aber oft auf der Straße Flagge zeigt.
Die traditionellen Skinheads – auch Oi!-Skins genannt – nennen die NF-Skins abfällig Boneheads (Knochenköpfe). Als deren Frontmann kristallisiert schon bald Ian Stuart Donaldson heraus. Er ist Sänger der Band Skrewdriver. 1977 in der Küstenstadt Blackpool als unpolitische Punk-Band gegründet, löste sie sich bereits zwei Jahre später auf und formierte sich 1982 neu – mit Donaldson als einzig verbliebenem Gründungsmitglied.

Rock Against Communism
Ian Stuart, wie Donaldson in Szenekreisen genannt wurde, war bereits 1979 in die National Front eingetreten und richtete Skrewdriver entsprechend neu aus. Er orientierte sich offen am Nationalsozialismus und predigte Rassismus gegen ethnische Minderheiten, was sich nun auch in den Texten der Band deutlich niederschlug.
Die 1983 auf dem von der NF gesponserten Label White Noise Records veröffentlichte Single „White Power“ ließ keine Fragen mehr offen – und lieferte den neuen Schlachtruf der rechten Skinhead-Szene. 1984 erschien das Debütalbum der neu formierten Skrewdriver unter dem Titel „Hail the New Dawn“ mit martialischem Wikingercover.
In dem Beitrag „Kahle Köpfe, bunte Haare – Die Rebellen der letzten 50 Jahre“ in der Oktober-Ausgabe von COMPACT kann man hierzu weiter lesen:
„Die Partei {NF} organisierte unter dem Label ‚Rock against Communism‘ (RAC, Rock gegen Kommunismus) Konzerte – quasi als Gegenstück zu den linken ‚Rock against Racism‘-Festivals (Rock gegen Rassismus). Im Umfeld der RAC-Bewegung entstand 1986 die Organisation Blood & Honour (Blut und Ehre), später ihr militanter Arm Combat 18.“
Treibende Kraft war auch hier Ian Stuart. „Musik ist das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus näherzubringen“, beschrieb Donaldson, der 1994 bei einem Autounfall starb, das Credo von Blood & Honour.

SHARPS und Redskins
Die Etablierung von Rock Against Communism führte zu einer starken Zersplitterung der Skinhead-Szene. „Das Gros bildeten weiterhin die unpolitischen Oi!-Skins, es entstanden aber als Reaktion auf die RAC-Bands und ihre Anhänger neue Gruppen wie SHARP (Skinheads Against Racial Prejudice; auf Deutsch: Skinheads gegen rassistische Vorurteile) oder die explizit linken Redskins“, heißt dazu in unserer Oktober-Ausgabe.
Fanden in den vorangegangenen Jahren noch Skins unterschiedlicher Couleur bei Oi!-Konzerten zusammen, um gemeinsam Musik zu hören und zu feiern, standen sich die diversen Gruppen nun immer feindseliger gegenüber.
Auch klamottenmäßig entwickelten sich die Gruppen auseinander: Während sich bei den Boneheads als Outfit kniehohe Stiefel und Bomberjacken mit einschlägigen Aufnähern durchsetzten, blieb der Rest der Skins dem klassischen Stil von 1969 treu. Neben weiteren rechten Bands wie Brutal Attack (Großbritannien), No Remorse (Großbritannien) oder Bound for Glory (USA) gründeten sich in England schließlich auch linke Oi!-Bands wie Red London oder Red Alert.
Die deutsche Szene
Ende der 1970er Jahre fand die Skinhead-Bewegung ihren Weg in die Bundesrepublik, eine wirkliche Szene bildete sich der erst Anfang der Achtziger heraus, die sich allerdings von der britischen deutlich unterschied. Der Subkulturforscher Klaus Farin schreibt dazu in seinem Buch „Die Skins – Mythos und Realität“:
„Anders als in England hatte Klassenbewusstsein keine große Bedeutung, obwohl das Gros der ersten Skins in Deutschland aus Arbeiterfamilien stammte und auch selbst in handwerklichen Berufen tätig war. Doch schon die Beibehaltung des englischen Ausdrucks Working Class in Songtexten und Fanzine-Statements weist deutlich darauf hin, dass dieses ‚Klassenbewusstsein‘ genauso wenig originär gewachsen war wie die Skinheadmode und die ‚Union Jacks‘ und ‚West-Ham-United‘-Aufnäher an den Jacken. Und noch in einem weiteren Punkt gingen die deutschen Skins ihren eigenen Weg: Die Parole ‚Kids united‘ fand hierzulande nur ein sehr eingeschränktes Echo: Skins united – gegen Punks.“
Dabei rekrutierte sich die erste Generation der deutschen Glatzen zu einem nicht geringen Teil aus der Punk-Szene. Bestes Beispiel: die Böhsen Onkelz. Heute eine der erfolgreichsten deutschen Musikgruppen, die große Stadien und Hallen füllt, fing die Truppe 1981 mit kleinen Konzerten in der Frankfurter Batschkapp oder im türkischen Familienzentrum am Wiesenhüttenplatz an.
Während des letztgenannten Auftritts spielten die Onkelz unter anderem ihr Stück „Türken raus“, das später auf einem Demotape erschien und das ausländerfeindliche Image der Band in ihren Anfangstagen begründen sollte. Auf den Schmähsong hätten die anwesenden türkischen Besucher mehrheitlich mit Humor reagiert, schreibt Gitarrist Matthias „Gonzo“ Röhr in seiner Autobiografie. In der links geprägten Batschkapp hingegen erhielt man Hausverbot, wofür sich Gonzo rächte, indem er mit einem Dutzend Skinhead-Kameraden den Rockklub verwüstete.
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