Ganz Schweden blickte heute auf Staatsanwalt Krister Petersson. Er hatte angekündigt, den Namen des Mörders von Ministerpräsident Olof Palme zu nennen, der 1986 nach einem Kinobesuch in Stockholm erschossen worden war. Die heutige Auflösung war nicht wirklich überraschend; der Kriminalfall wird nun endgültig zu den Akten gelegt, obwohl der mögliche Hintergrund dieses politischen Mordes noch weitgehend ungeklärt ist.

    Ohne Umschweife kam Krister Petersson heute Vormittag zur Sache. Stig Engström, der als „Skandia-Mann“ landesweite Berühmtheit erlangte, soll vor 34 Jahren Olof Palme erschossen haben. Schon vor Jahren präsentierte das schwedische Magazins Filter Rechercheergebnisse, die darauf hindeuteten, dass Petersson der Täter war, da er wohl Zugang zur mutmaßlichen Tatwaffe hatte und geübter Schütze war.

    COMPACT berichtete früh über den „Skandia-Mann“

    Engström hatte sich schon kurz nach den Schüssen am Tatort befunden, weil er nach eigenen Angaben Überstunden in einem nahe gelegenen Bürogebäude des Versicherungskonzerns Skandia geleistet und dieses dann angeblich genau zu dem Zeitpunkt verlassen hatte, an dem die Schüsse fielen. Da Engström Erste Hilfe leistete und Palme in Seitenlage brachte, war er ein begehrter Gesprächspartner in den Talk-Shows.

    Für COMPACT-Leser war die heutige Enthüllung der schwedischen Staatsanwaltschaft keine Überraschung mehr. In dem vor zwei Jahren erschienenen Sonderheft Politische Morde – Die Blutspur der letzten 100 Jahre hatte das patriotische Magazin schon frühzeitig auf die dubiose Rolle aufmerksam gemacht, die Engström in dem Mordfall Palme gespielt hatte und ihn – und nicht den in dieser Sache kurzzeitig inhaftierten drogenabhängigen Kleinkriminellen Christer Pettersson – als den eigentlichen Hauptverdächtigen in diesem Kriminalfall benannt.

    Welche Rolle spielten die Geheimdienste?

    Obwohl der Palme-Mord heute angesichts der Nachrichten aus Schweden nochmals durch alle Medien ging, war es der etablierten Presse keine Meldung wert, dass das „Skandia“-Gebäude während der Zeit des Kalten Krieges als eines der Hauptquartiere der schwedischen Stay-behind-Einheiten galt. Engström kann man zu all dem nicht mehr befragen, er soll im Jahr 2000 laut offizieller Todesursache Selbstmord begangen haben. 

    In dem vor zwei Jahren im COMPACT-Sonderheft „Politische Morde“ veröffentlichten Artikel, der unter dem Titel „Roter Schnee“ erschien, wurde schon damals mit Blick auf die Stay-behind-Spur im Mordfall Olof Palme festgestellt:

    „In den Wochen nach dem Verbrechen reiben sich viele Schweden verwundert die Augen über den geradezu slapstickartigen Dilettantismus, mit dem die Ermittlungen geführt werden. Befand man sich wirklich noch in einem der am besten verwalteten Länder der Welt oder in einer Bananenrepublik? Nicht einmal an Kontrollen abgehender Züge und Straßensperren zur Ergreifung des Täters hatte man gedacht. Noch merkwürdiger wird es, als herauskommt, dass der damalige Stockholmer Polizeichef und Leiter des Inlandsgeheimdienstes SÄPO, Hans Holmer, falsche Angaben über seinen Aufenthaltsort während des Mordes gemacht hat. In dem Hotel, in dem er gewesen sein will, hat ihn niemand gesehen – und auffällig ist auch, dass sich Holmer als Leiter der Mordkommission auf eine Spur in Richtung der kurdischen PKK versteift, die von Anfang an als nur wenig plausibel erscheint. Bis heute gibt es Stimmen, die sein Agieren nicht für Zufall, sondern für bewusste Sabotage der Ermittlungsarbeiten halten. Klar ist jedenfalls, dass damals Einheiten einer CIA- und NATO-geführten Stay-behind-Truppe auch in Schweden agieren, obwohl das Land dem Nordatlantikpakt nie angehörte. Der frühere CIA-Direktor William Colby berichtet in seinen Memoiren „Honorable Men – My Life in the CIA“ sogar über den unter seiner Mitwirkung durchgeführten Aufbau einer Schattenarmee in dem skandinavischen Land. Diese sollte nicht nur als Guerilla-Armee im Wartestand auf einen Angriff der Staaten des Warschauer Blocks vorbereitet sein, sondern wurde vermutlich auch zur Ausübung von Attentaten eingesetzt.

    „Pegasus“ – Die Killertruppe des CIA

    Weiter wurde in dem damaligen Artikel ausgeführt:

    Die beiden Geheimdienstkenner Patrik Baab und Robert E. Harkavy sehen in dieser Stay-behind-Organisation die Struktur, die hinter dem Palme-Mord steckt. In ihrem Buch „Im Spinnennetz der Geheimdienste“ (2017) verweisen sie darauf, dass Palme vermutlich ein früher Mitwisser der Iran-Contra-Affäre gewesen sei und deshalb – wie der frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel – in Gefahr geriet. Tatsächlich ließ Palme großen schwedischen Rüstungskonzernen wie Bofors und Saab trotz seiner eigenen pazifistischen Positionen große Freiräume. Nach den Recherchen Baabs und Harkavys hat er die Lieferung von Embargogütern in den Iran zumindest zeitweise geduldet. Diese ging über Israel, und die diskrete Verbindung der beiden Todfeinde verlangte höchste Geheimhaltung. Die merkwürdige Allianz, die auf den ersten Blick widersinnig erscheint, kam deshalb zustande, weil sowohl Teile der US-amerikanischen als auch der israelischen Geheimdienste damals im Irak von Saddam Hussein eine größere Bedrohung als in der islamischen Schiiten-Republik sahen. Natürlich wollten die Dienste mit ihren Waffenlieferungen aber auch die gegenseitige Zerfleischung der beiden nahöstlichen Regionalmächte fördern. Palme soll die schwedischen Lieferungen jedoch im Jahr 1985 beendet haben. Berücksichtigt werden muss natürlich auch, dass das von dem schwedischen Ministerpräsidenten angestrebte atomwaffenfreie Skandinavien aus Sicht der NATO-Strategen eine Katastrophe gewesen wäre, da die USA dann ihr nukleares Arsenal aus Norwegen hätten abziehen müssen und die gesamte nördliche Verteidigungslinie des Nordatlantikpakts zusammengebrochen wäre. Hardliner innerhalb der Geheimdienste der NATO-Länder hätten ganz sicher mehr als nur ein Motiv für die Ermordung Palmes gehabt. Baab und Harkavy belegen diese These sogar mit einem Dokument des „Special Operations Planning Staff “ der NATO aus dem Jahr 1985, das eine Verantwortung der CIA-Killertruppe „Pegasus“ für den Palme-Mord nahelegt. Die Authentizität solcher Quellen kann natürlich kaum überprüft werden. An die jahrzehntelang kolportierte These des verrückten Einzeltäters will in Schweden aber auch niemand mehr glauben, da zu viele Mosaiksteine auf einen Geheimdiensthintergrund verweisen.

    COMPACT-Leser wissen eben mehr – und wenn man die in unserem Magazin schon vor zwei Jahren veröffentlichten Details zum Palme-Mord berücksichtigt, dann kann auch die heutige Erklärung von Staatsanwalt Krister Petersson kaum als befriedigend empfunden werden. Es ist gut möglich, dass die Hintermänner des Palme-Mords für immer im Dunkeln bleiben werden.

    Auszüge dieses Artikels erschienen in COMPACT-Spezial 19 „Politische Morde: Die Blutspur der letzten 100 Jahre“. Weitere Artikel dieser Ausgabe können Sie in gedruckter Form oder digital als PDF lesen – hier bestellen oder einfach das Banner oben anklicken!

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