Der französische Spielfilm „Eine größere Welt“ nimmt sein Publikum mit auf eine Reise in die mongolische Steppe.

    »Glauben Sie an die unsichtbare Welt?«, fragt Corine die Skeptiker, von denen sie umzingelt ist. »An Geister?« Es ist schon eine seltsame Welt, in der wir leben: Wenn ein katholischer Geistlicher auf der Grundlage biblischer Befunde eine Dämonenaustreibung vornimmt, gilt das als mittelalterlich und rückständig. Wenn eine freikirchliche Gemeinde homosexuelle Neigungen als spirituelles Problem auffasst und durch eine Konversion zu therapieren anbietet, wird darüber der parlamentarische Bann verhängt.

    Wenn jedoch eine französische Regisseurin ihr Publikum in die Welt des asiatischen Animismus entführt und zeigt, wie ein Dämon von ihrer Heldin Besitz ergreift und sie kräftig durchschüttelt, dann ist das »ein Abenteuer, das uns weit wegführt« (Le Parisien), voller »magischer Bilder« (Glamour), exotisch und »von atemberaubender Schönheit« (Elle). Die Filmwerbung entblödet sich auch nicht, auf den vermeintlichen medizinischen Nutzen der im Film zur Anschauung gebrachten Tranceerfahrungen hinzuweisen, etwa bei der psychiatrischen Behandlung von Traumata und Angststörungen. Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? In Fragen der Spiritualität scheint das hierzulande nicht mehr zu gelten.

    Der Film von Fabienne Berthaud, die vor allem durch »Barfuß auf Nacktschnecken« (2010) bekannt wurde, ist eine Adaption des Buches »Mein Leben mit den Schamanen« von Corine Sombrun. Die Autorin schildert darin, wie sie zur Wegbereiterin für die neurowissenschaftliche Erforschung von spiritistischen Trance-Zuständen wurde.

    Am Anfang stand eine nicht ganz alltägliche Dienstreise: Dankbar, nach dem Verlust des Lebensgefährten der dadurch ausgelösten Krise zu entkommen, nutzt Corine (Cécile de France) die Chance, als Reporterin zu ethnographischen Tonaufnahmen in die mongolische Steppe zu reisen. In der Jurte ihrer indigenen Gastgeber kommt dann während eines rituellen Beisammenseins »der Geist des Wolfes« über sie. Das ist zumindest die Erklärung der alten Schamanin Oyun, die sich sicher ist, dass Corine wie sie selbst über die Gabe verfügt, mit den Geistern in Kontakt zu treten.

    Berthauds Filmmannschaft drehte an Originalschauplätzen und lebte während der Dreharbeiten in einem Jurtenlager. »Auf den Spuren von Corine Sombrun«, berichtet die Regisseurin, »wollte ich in Richtung Norden bis zur sibirischen Grenze vorstoßen, um ein Volk zu treffen, das in einer der abgeschiedensten Regionen der Mongolei lebt.« Vor Drehbeginn holte das Nomadenvolk der Tsaatan, auf das sie schließlich stieß, erst noch das Plazet der Geister ein.

    Im Vergleich zu dem esoterisch-verrätselten Filmtrip »Khadak« (2006), der ebenfalls in die fremde Welt mongolischer Naturreligionen entführte, ist Berthauds Film dennoch eher bodenständig: Nach ihrer ersten Begegnung mit dem Übersinnlichen kehrt Corine nach Frankreich zurück und lässt sich von ihrer beunruhigten Schwester erst mal zum Psychiater schicken. Dort fällt dann der eingangs zitierte Satz. Dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt, wusste schon Shakespeare.

    Hier lernt man eine neue Facette von dem kennen, was er gemeint haben dürfte. Manchen werden zwar die an den Horror-Schocker »Der Exorzist« (1973) erinnernden Zustände von Besessenheit irritieren, die im Film zu sehen sind, aber den eigenen Horizont erweitert »Eine größere Welt« auf jeden Fall. – Seit 9. Juli in den Kinos

    Der Trailer:

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