Lange Zeit fremdelten die SED-Bürokraten mit Karl May und seinen Helden. Aber in den Achtzigerjahren begann in der DDR ein kulturelles Tauwetter. Ein Auszug aus COMPACT 10/2021 mit dem Titelthema «Staatsfeind Winnetou – Wie die Helden unserer Jugend ausgelöscht werden». Hier mehr erfahren.

    Die Friedenspfeife war eine Aktennotiz. Mit seinem «Einverstanden, E. H.» holte Erich Honecker im Januar 1986 Karl May endgültig aus dem Kreis der Verschwiegenen. Angeblich auf eigene Initiative – so jedenfalls will es ein schmeichelndes Schreiben seines Kronprinzen Egon Krenz an den Generalsekretär der SED Glauben machen. Einige Jahre nach ihrer stillen Rehabilitierung waren Winnetou und Old Shatterhand nun auch offiziell Genossen im Kampf der Systeme. (…)

    Dabei war das Verhältnis der ostdeutschen Kulturpolitik zum sächsischen Abenteuer- und Kolportage-Romancier lange vor allem ambivalent. Offiziell geäußerter Verachtung standen stets heimliche Würdigungen entgegen. Wie ein Verdikt verkündete das DDR-Börsenblatt 1958:

    «Das Kapitel Karl May ist in der DDR schon vor Jahren endgültig geschlossen worden.»

    Dies hinderte den Jugendverlag Kultur und Fortschritt jedoch im gleichen Jahr nicht an der Veröffentlichung des Heftes In Abrahim Mamurs Gewalt – praktisch Ausschnitte von Mays Orient-Romanen. In Radebeul – dem letzten Wohnort des Schriftstellers – war die Karl-May-Straße bereits nach dem Krieg umbenannt worden, in dessen Geburtsstadt Ernstthal blieb sie dagegen bestehen. Die populäre Comic-Zeitschrift Mosaik bediente sich immer wieder am Werk des Romanciers, ohne jedoch dessen Namen zu erwähnen. (…)

    Wilder Osten: DDR-Indianer Gojko Mitic als Häuptlingssohn Tohei-ihto im DEFA-Film «Die Söhne der großen Bärin» (1966). Foto: DEFA-Stiftung/Waltraut Pathenhei

    Die Ablehnung galt keineswegs nur den Indianerromanen, sondern dem gesamten Werk. Vermutlich stießen sogar vor allem die Heimatgeschichten des frühen und die spirituellen Niederschriften des späten May auf Ablehnung bei der SED. Denn Abenteuer mit den nordamerikanischen Ureinwohnern als Helden erfreuten sich durchaus des Wohlwollens der Kulturpolitik.

    Der sechsteilige Zyklus Die Söhne der großen Bärin von Liselotte Welskopf-Henrich wurde in der DDR zum Bestseller. Die Verfilmung der Geschichte des Dakota-Häuptlings Tokei-ihto – dessen Beschreibung eine intensive Beschäftigung mit den Figuren Mays erahnen lässt – in den 1960er Jahren gehörte zu den aufwendigsten und erfolgreichsten Produktionen der DEFA. Von den Dakota-Indianern in den USA wurde Welskopf-Henrich für ihre Werke mit dem Ehrentitel Lakota-Tashina ausgezeichnet. (…)

    Reservate der Freiheit

    Das latent oppositionelle Potenzial der Indianer – jedenfalls ihrer oft von Esoterik und Wildwest-Romantik geprägten Interpretation – spürten auch DDR-Bürger. Bis in die 1980er Jahre gründeten sich im gesamten Land etwa 60 Indianergruppen, deren Mitglieder in ihrer Freizeit das Leben der fernen Rothäute im Detail nachempfanden. Die erste entstand 1956 in Radebeul.

    Ihr Chef Johannes Hüttner alias Powder Face setzte sogar die offizielle Anerkennung als Kulturgruppe für Indianistik beim Kreiskulturkabinett durch. Mit dem Chiefpalaver, einem Häuptlingstreffen, existierte sogar eine inoffizielle überregionale Organisationsstruktur. Das DDR-Fernsehen lobte die Aktivitäten als Ausdruck der Völkerfreundschaft. Aus Sicht des Historikers Friedrich von Borries, der die Gruppen nach der Wende untersuchte, war es aber auch «eine ökoromantische Gegenbewegung zum staatlich verordneten Dasein». (…) Ende der Textauszüge.

    Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Oktober-Ausgabe von COMPACT mit dem Titelthema «Staatsfeind Winnetou».

    Nachfolgend das komplette Inhaltsverzeichnis dieser Ausgabe:

    Titelthema
    Staatsfeind Winnetou: Feldzug gegen unseren Helden
    Rote und Rothäute: Karl May in der DDR
    Polizisten der Prärie: Indianerfilme in West und Ost
    Der Traum vom großen Leben: Ernst Bloch und der Apache
    Wortjäger und Skalpjäger: Die Ausrottung der Indianer
    Zensoren im Kinderland: Pippi und der Negerkönig
    Schluss mit lustig: Cancel Culture auf dem Vormarsch

    Politik
    Kalter Sommer, Heißer Herbst: Querfront gegen Habeck & Co.
    Polens Billionen-Bombe: Warschaus Reparationsforderungen
    Der Herausforderer: USA: Ron DeSantis will Trump beerben
    Abschied von Darja: Attentat auf Dugins Tochter
    «Wir sind nicht isoliert»: Darja Duginas letztes Interview

    Dossier
    «Es geht nicht mehr um Ideologien»: Jürgen Elsässer in Leipzig
    Vom Fremdpatriotismus der Linken: André Poggenburg beim COMPACT-Sommerfest
    Neue Feinde, neue Freunde: Rede von Hans-Thomas Tillschneider (AfD)
    «Selenski ist ein Kriegsverbrecher» Klartext von MdB Robert Farle
    Die letzte Nelke: Anselm Lenz: Abschied von der Linken

    Leben
    Verliebt in einen Roboter: «Real Humans»: Die Androiden-Dystopie
    Als die Monster noch Seele hatten: Ray Harryhausen und Sindbad
    «Der Schlager wird immer leben»: Interview mit Bernhard Brink

    Kolumnen
    BRD-Sprech _ Whataboutism
    Sellners Revolution _ Gandhi und das Gas
    Corona-Spaß _ Der Pfandbon-Trick

    COMPACT 10/2021 mit dem Titelthema «Staatsfeind Winnetou» können Sie hier bestellen.

    Ein Kommentar

    1. alter weißer, weiser Mann am

      Alte Kamellen sind für COMPACT wichtiger als das aktuelle Geschehen in der BRD und Ukraine.

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      COMPACT: Nein, es gibt hier nie Beiträge zum aktuellen politischen Geschehen. Und Sie kommentieren die auch nie. Niemals.