Polen ließ sich schon einmal von den Westmächten instrumentalisieren – das endete in einem Weltkrieg. Mehr dazu und zu weiteren Tabus in der Geschichtsschreibung lesen Sie in unserer demnächst erscheinenden Sonderausgabe „Polens verschwiegene Schuld“.

    Polens Sicherheit beruht ab 1920 auf einem Netzwerk von Verträgen. Zunächst knüpfen Frankreich und das Kollektiv der Siegermächte dieses Netz. Letztere binden Polen an einen Minderheitenschutzvertrag, um den vorhersehbaren Sprengstoff, den die neu geschaffenen Minoritäten bilden, zu entschärfen und um den Vaterländern dieser Minderheiten den Grund für spätere Rückeroberungen zu nehmen.

    Polens Angriff auf Russland

    Polen empfindet diese Regelung als Diskriminierung und kündigt 1934 den Vertrag, der jedoch Teil des Vertragswerks von Versailles ist. Polen rüttelt damit zum zweiten Mal an der Konstruktion der Pariser Vorortverträge. Das Mal davor war es die Nichtanerkennung der Curzon-Linie, der vorgesehenen Grenze zwischen Polen und der Sowjetunion. Die polnischen Regierungen demontieren damit eine Friedensordnung, auf die sie sich immer wieder selbst berufen – eine Ordnung, die Polen später vielleicht hätte schützen können.

    Auch das Verhältnis zu den meisten seiner Nachbarstaaten wird von Polen zwischen beiden Kriegen stark belastet. Polen nutzt Russlands Schwäche während der Revolutionsjahre und erobert Teile der bis dahin russischen Ukraine und Weißrusslands. Es erobert 1921 einen Teil des Nachbarn Litauen. Es erobert 1921 mit Milizen und Militär einen Teil des bis dahin deutschen Oberschlesiens und erpresst die 1938 geschwächte Tschechoslowakei mit einem Ultimatum und einem militärischen Drohaufmarsch, ihm das halbe Teschener Gebiet abzutreten. So hat Polen bis Anfang 1939 bei allen Nachbarn, außer Lettland und Rumänien, quasi eine Rechnung offen.

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    1936, als Hitler Truppen in die Rheinlandzone einmarschieren lässt und damit die Wehrhoheit im eigenen Lande wiederherstellt, fühlt sich Frankreich zu schwach, dies zu verhindern. Es macht keinen Gebrauch mehr von der Möglichkeit, die Kleine Entente zu einer Strafaktion gegen Deutschland zu aktivieren. Spätestens von da an weiß man auch in Warschau, dass Paris nun nicht mehr auf die polnische Karte setzt.

    „Schurkenstaat“ Polen

    Im Januar 1939, also noch ehe Hitler die Resttschechei besetzen lässt und Frankreich damit einen Kriegsgrund liefert, greift die französische Regierung von Paris aus in die damals laufenden deutsch-polnischen Verhandlungen um Danzig ein und torpediert diese. Zu der Zeit gilt noch immer Hitlers sehr moderater Kompromissvorschlag:

    „Danzig kommt politisch zur deutschen Gemeinschaft und bleibt wirtschaftlich bei Polen.“

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    Großbritannien übernimmt erst kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs die Rolle einer Schutzmacht Polens. Die Haltung Londons gegenüber Warschau bleibt wegen Polens Eroberungen der letzten Jahre zunächst lange sehr distanziert. Desgleichen sieht man die Unterdrückungspolitik der Polen gegenüber den Ukrainern, Weißrussen, Juden und Deutschen mit großem Unbehagen. So ist Polen für Großbritannien bis 1939 das, was man heute als Schurkenstaat bezeichnet. Mit Hitlers Tschechei-Handstreich im März 1939 rückt Polen plötzlich wieder ins Zentrum englischen Interesses. In London weiß man sehr genau, dass nach einer Heimkehr Danzigs irgendwann die Kolonien an die Reihe kämen, die Großbritannien Deutschland abgenommen hat.

    Eine Staffel von Sturzkampfflugzeugen des Typs Junkers Ju 87, besser als Stukas bekannt, auf dem Weg nach Polen. Die Aufnahme aus dem September 1939 stammt von Heinrich Hoffmann. Der Kriegsausbruch wird heute alleine in den Verantwortungsbereich Deutschlands geschoben, dabei hielt sich auch Polen in der Zwischenkriegszeit nicht an die Bestimmungen des Versailler Vertrags, obwohl es – im krassen Gegensatz zu Deutschland – stark von diesen profitiert hatte. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-1987-1210-502, Heinrich Hoffmann, CC-BY-SA 3.0, Wikimedia Commons

    England will dem weiteren Gang der Revisionen deshalb rechtzeitig ein Ende setzen, und dazu eignet sich der deutsche Streit mit Polen um den Freistaat Danzig. London schlägt vor, Frankreich und die Sowjetunion als weitere Garantiemächte mit ins Boot zu nehmen. Doch Polen befürchtet zu Recht, dass Moskau sich in einem Krieg gegen Deutschland die ihm 1921 abgenommenen Gebiete der West-Ukraine und Weißrusslands wiederholen könnte. Die polnische Regierung ersucht deshalb die britische um ein bilaterales Schutzabkommen ohne die Sowjetunion gegen Deutschland.

    Der Weg in den Krieg

    Am 31. März 1939 spricht Außenminister Lord Halifax die Garantieerklärung für Polen aus, und am 25. August schließen London und Warschau das Beistandsabkommen, das sich beide im März in London bereits zugesichert hatten. Zur vollen Wahrheit gehört auch, dass England damit die im März noch laufenden Verhandlungen zwischen den bisherigen Bündnispartnern Polen und Deutschland beendet und so eine friedliche Verhandlungslösung für Danzig vorsätzlich verhindert hat.

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    Mehr dazu lesen Sie in COMPACT-Geschichte Polens verschwiegene Schuld – Verbrechen an Deutschen von Versailles bis zur Vertreibung“ . Die Ausgabe erscheint Mitte November. Sie können sie aber schon jetzt hier vorbestellen.

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