Das Ja der SPD-Mitglieder zum Koalitionsvertrag ist mau ausgefallen. Dennoch gibt sich Parteichef Klingbeil breitbeinig. Er soll nun Vizekanzler werden. Dabei verkörpert er einen Typus, der eben nicht in der Lage ist, Vertrauen zu gewinnen, sondern abgehalftert daherkommt. Lesen Sie dazu unbedingt unser Sonderheft „Die Altparteien – Wie sie uns belügen und betrügen.“ Hier mehr erfahren.

    Die SPD-Mitglieder haben letztlich mit 84,6 Prozent dem Koalitionsvertrag mit CDU und CSU zugestimmt – ein Ergebnis, das nur auf den ersten Blick nach einem klaren Votum für die schwarz-rote Koalition aussieht. Denn bei genauerem Hinsehen offenbaren die Zahlen und die Umstände der Abstimmung erhebliche Schwächen. Mit einer Wahlbeteiligung von nur 56 Prozent hat sich knapp die Hälfte der rund 358.000 SPD-Mitglieder nicht einmal die Mühe gemacht, an dieser wegweisenden Entscheidung teilzunehmen – und das, obwohl die Abstimmung bequem online per Klick möglich war.

    Armutszeugnis statt Triumph

    Dieses Ergebnis ist kein Triumph, sondern ein Armutszeugnis für eine Partei, die ihre eigene Basis nicht mehr mobilisieren kann. Die niedrige Teilnahmequote von 56 Prozent ist besonders ernüchternd, wenn man bedenkt, worüber abgestimmt wurde: ein Koalitionsvertrag, der der SPD sieben einflussreiche Ministerposten, darunter Finanzen und Verteidigung, sichert und die Partei trotz ihrer Wahlniederlage weiterhin an der Regierung beteiligt.

    Dass nicht einmal zwei Drittel der Mitglieder die Energie aufbrachten, ihre Stimme abzugeben, spricht Bände über die mangelnde Begeisterung für die Parteiführung und offenbar allgemeinen Polit-Frust. Die SPD-Führung um Lars Klingbeil und Saskia Esken hat es nicht geschafft, die eigene Basis für ein Projekt zu mobilisieren, das als „Verantwortung für Deutschland“ beworben wurde.

    Im Vorfeld hatte es auch aktive Kritik gegeben. Die Jugendorganisation Jusos, die etwa 12 bis 20 Prozent der SPD-Mitglieder stellt, hatte sich klar gegen den Vertrag ausgesprochen und Nachverhandlungen gefordert. Vergeblich.

    Kraftlos unter Klingbeil

    Die Parteiführung, allen voran Lars Klingbeil, steht nach diesem Votum in der Kritik. Klingbeil, der als Vizekanzler und Finanzminister vorgesehen ist, hat gemeinsam mit Saskia Esken die SPD in den vergangenen Jahren nicht aus der Krise geführt. Die Partei hat bei der Bundestagswahl 2025 erneut an Zustimmung verloren, und die Ampel-Koalition unter Kanzler Olaf Scholz endete im Chaos. Dennoch präsentiert sich die Führung selbstbewusst, als hätte sie einen großen Erfolg errungen. Doch die magere Beteiligung zeigt: Die Mitglieder teilen diese Euphorie nicht.

    Das Mitgliedervotum legt die Schwächen der SPD schonungslos offen: Eine Partei, die einst für soziale Gerechtigkeit und breite Mobilisierung stand, kommt völlig kraftlos daher. Die niedrige Beteiligung ist nicht nur ein organisatorisches Versagen, sondern ein Symptom für eine tiefere Krise. Viele Mitglieder scheinen resigniert oder desinteressiert, und selbst die Aussicht auf Regierungsbeteiligung konnte sie nicht aus ihrer Apathie reißen. Mit der Zustimmung zum Koalitionsvertrag ist nunmehr der Weg für eine schwarz-rote Regierung unter Friedrich Merz als Kanzler und Klingbeil als Vizekanzler frei.

    Der rote Lars war als 18-Jähriger in die SPD eingetreten. Nach und nach arbeitete sich der Niedersachse zum Vize-Chef der Jusos hoch. Im Januar 2005 rückte er für den vorzeitig ausgeschiedenen Abgeordneten Jann-Peter Janssen in den Bundestag nach. 2009 schaffte er es erneut in das Hohe Haus, wenn auch nur über die Landesliste. Ende 2017 wurde er auf Vorschlag vom kurz vorher grandios gescheiterten Kanzlerkandidaten Martin Schulz SPD-Generalsekretär – obwohl ohne Gegenkandidaten erhielt er jedoch lediglich 70,6 Prozent der Stimmen.

    Lars, der Opportunist

    Dass der 1,96-Meter-Hüne manchem Genossen bis heute nicht ganz geheuer ist, könnte damit zusammenhängen, dass er ein Wendehals ist, der je nach Opportunität sein Fähnchen in den Wind hängt. Zunächst radikaler Juso und Antifant, schloss er sich 2015 dem Seeheimer Kreis an, also dem sogenannten rechten Parteiflügel.
    Ähnlich sein Lavieren in der Ostpolitik. Lange galt er als russlandfreundlich, was vermutlich seiner früheren Nähe zu Putin-Freund Gerhard Schröder geschuldet ist. Schon als Student hat er für den damaligen Kanzler gearbeitet. Der wiederum unterstützte seinen treuen Adlatus später massiv, besonders im Wahlkampf 2017.

    Parteiintern bis heute kritisch beäugt wird darüber hinaus seine Verbindung zum einstigen Bundestagsabgeordneten Heino Wiese, einem klassischen Strippenzieher, der über Jahre als Putin-Versteher galt und auch wiederholt mit dem russischen Präsidenten zusammengetroffen ist. Klingbeil hatte zwischen 2001 und 2003 im Wahlkreisbüro dieses SPD-Haudegens gearbeitet und zählte später selbst zum Verein Deutschland-Russland – Die neue Generation, ein Netzwerk für junge Führungskräfte aus beiden Ländern, das bis etwa 2017 aktiv war.

    Was die Parteilinken früher nervte: Obwohl Kriegsdienstverweigerer, hat Klingbeil immer wieder Sympathien für die Bundeswehr aufblitzen lassen – vielleicht aufgrund der Prägung durch seinen Vater, der Berufssoldat war. So setzte er sich mehrfach für die Anhebung des Wehretats ein und gehörte zeitweise den Präsidien der Lobbyvereine Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik und Förderkreis Deutsches Heer an. Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 vergaß Klingbeil ganz schnell seine entspannungspolitische Seite, übrig blieb der Aufrüstungsfanatiker.

    Architekt des Misserfolges“

    Trotz zunächst magerer Beliebtheitswerte ging es für den umtriebigen Lars immer weiter nach oben auf der politischen Karriereleiter. Im Dezember 2021 wurde er als Nachfolger von Walter-Borjans an der Seite von Saskia Eskens Parteivorsitzender. Bei der Kür zum Fraktionschef im Bundestag Ende Februar 2025 schwächelte er erneut: Er erhielt zwar 85,6 Prozent – aber das war deutlich schlechter als bei seinem Vorgänger Rolf Mützenich in den Vorjahren.

    Nicht allein Juso-Boss Phillipp Türmer wundert sich über den Umstand, dass „einer der Architekten des Misserfolges“ nun derart durchstartet. Zudem kursiert in Parteikreisen derzeit ein Papier der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in der SPD. Dort heißt es: „Die aktuelle Parteiführung ist für das desolate Ergebnis verantwortlich. Das Wahlergebnis war kein Naturereignis, sondern Resultat einer Kette von politischen Fehlentscheidungen.“

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