Wurde in den sogenannten Rheinwiesenlagern der Morgenthau-Plan vorexerziert? Das sagte ein hochrangiger US-Militär, der das schreiende Unrecht anprangerte. Mehr dazu lesen in unserer Geschichtsausgabe „Die Todeslager der Amerikaner – Massenmord an den Deutschen auf den Rheinwiesen“. Wir brechen das Schweigen! Hier mehr erfahren.

    Rund elf Millionen deutsche Soldaten gerieten während des Zweiten Weltkriegs und danach in alliierte Kriegsgefangenschaft. Im Westen wurden circa 7,7 Millionen Gefangene in Gewahrsam gehalten, im Osten etwa 3,3 Millionen. Allein in Stalins grauenhaftem Archipel Gulag kamen mindestens 1,5 Millionen Deutsche ums Leben.

    Doch auch in den Lagern der Westalliierten ging der Tod um, insbesondere in den sogenannten Rheinwiesenlagern der US Army, wo deutsche Kriegsgefangene durch Hunger und Krankheit systematisch ermordet wurden. Über die Zahl der Opfer wird bis heute gestritten: Die von der Regierung Adenauer eingesetzte Maschke-Kommission geht davon aus, dass in den sechs Lagern mit der höchsten Sterblichkeitsrate 5.000 von 500.000 Internierte ums Leben kamen.

    In Eisenhowers Death Camps verloren hunderttausende deutsche Soldaten ihr Leben. Foto: Ausschnitt Intro COMPACT-Geschichte

    Der amerikanische Historiker Arthur L. Smith kommt in seinem 1992 publizierten Werk „Die ‚vermisste Million‘“ auf 8.000 und 40.000 Todesfälle. Der US-Völkerrechter Alfred M. de Zayas geht in seinem 1978 erschienenen Buch „Die Anglo-Amerikaner und die Vertreibung der Deutschen“ von 70.000 bis 100.000 Opfern aus, der Eisenhower-Biograf Stephen Ambrose von 200.000.

    Die höchste Totenzahl gibt der kanadische Publizist James Bacque in seinem erstmals 1989 bei Ullstein veröffentlichten Werk „Der geplante Tod. Deutsche Kriegsgefangene in amerikanischen und französischen Lagern 1945–1946“ an: Er geht davon aus, dass 800.000 bis eine Million Menschen dem US-Lagerterror zum Opfer fielen.

    Ein geplanter Genozid

    Wesentlich wichtiger als die Debatte um Zahlen ist jedoch das, was schon der deutsche Titel von Bacques Werk andeutet: Es spricht viel dafür, dass die gnadenlose Unterversorgung der Kriegsgefangenen in den Rheinwiesenlagern – wie auch der Zivilbevölkerung im übrigen besetzten Deutschland – einem alliierten Bestrafungskalkül entsprach, also bewusst herbeigeführt wurde.

    De Zayas schreibt in „Die Anglo-Amerikaner und die Vertreibung der Deutschen“:

    „Die Besatzungsbehörden in allen vier Zonen schlugen mehrmals die dringenden Bitten des Internationalen Roten Kreuzes zugunsten der hungernden deutschen Bevölkerung ab und verzögerten die Lieferung von Nahrungsmitteln und Medizin um viele Monate. (…) US-Militärbehörden rieten den Delegierten des Internationalen Roten Kreuzes in Berlin, alle verfügbaren Hilfslieferungen in andere bedürftige Gebiete Europas zu schicken, obwohl umfangreiche irische und schweizerische Spenden ausdrücklich für Deutschland bestimmt waren.“

    Der US-Historiker Austin J. App konstatiert in seinem Buch „Der erschreckendste Friede der Geschichte“ (1950): „Die Ursache der Hungersnot in Deutschland von 1945 bis 1947 war nicht die Witterung, auch nicht der Krieg, sondern die beabsichtigte Hungerpolitik der Sieger.“

    Bacque zitiert dazu in seinem Werk „Verschwiegene Schuld. Die alliierte Besatzungspolitik in Deutschland nach 1945“ den US-Senator William Langer aus North Dakota, der am 29. März 1946 in Washington beklagte:

    „Wir haben uns, wie sich jetzt offenbart, in eine brutale, fanatische Verschwörung zur Vernichtung des deutschen Volkes verstrickt.“

    App ergänzt: „Bis zum 1. April 1946 war es sogar Verwandten und kirchlichen Hilfsstellen versagt, die absichtlich verursachte Hungersnot zu lindern. Die Hungersnot in Deutschland war die Folge des ungeheuerlichsten Massenmordplanes, der je von menschlicher Rachewollust und Barbarei erdacht wurde.“

    Damit spielt er an auf den von US-Finanzminister Henry Morgenthau jr. ausgearbeiteten, nach ihm benannten und von Roosevelt und Churchill 1944 bei ihrem Treffen in Quebec gebilligten Plan, der neben zahlreichen weiteren drakonischen Bestimmungen eine Deindustrialisierung Deutschlands vorsah und damit die Vernichtung der Lebensgrundlage des Großteils des Volkes erreichen wollte.

    Steinbach nennt Ross und Reiter

    Tatsächlich spricht einiges dafür, dass in den Rheinwiesenlagern der – später von Washington gestoppte – Morgenthau-Plan vorexerziert wurde. Das beklagte sogar ein US-General, der seinerzeit zu den Besatzungstruppen gehörte und das Unrecht anprangerte. Dabei handelt es sich um Major General Steinbach (damals noch Colonel), Stabschef von General Ben Lear, dem stellvertretenden Kommandeur der US-Streitkräfte in Europa unter General Eisenhower. Steinbach erhielt den Befehl, die Verwaltung mehrerer Gefangenenlager der US Army in und um Heilbronn zu übernehmen –  und war entsetzt über die dortigen Zustände.

    Henry Morgenthau (1947). Foto: Yousuf Karsh, CC BY-SA 3.0 nl, Wikimedia Commons

    Als James Bacque im Zuge seiner Recherchen für sein Buch „Der geplante Tod“ mit dem US-General a. D. sprach, fand dieser deutliche Worte für die schrecklichen Verbrechen, die von der US-Armee an Deutschen verübt wurden. Und er benannte ohne Umschweife den Grund:

    „Daran schuld war der Morgenthau-Plan. (…) Morgenthau machte seinen angestauten Gefühlen gegenüber Deutschland Luft, indem er diese Männer hungern ließ. (…) Anstatt nationale Belange der USA zu fördern, führte er einen Rachefeldzug.“

    Und er fuhr fort: „Natürlich war auch Präsident Franklin D. Roosevelt, der seinen Plan billigte, mitverantwortlich. Schlimmer noch als der Hunger war die Untätigkeit, zu der diese Leute verdammt waren. (…) Ich war gleichzeitig erstaunt und angewidert. War dies die amerikanische Art, Menschen zu behandeln, selbst wenn einige von ihnen vielleicht Verbrecher waren? Sicherlich nicht. Ich wies den amerikanischen Lagerkommandanten an, zusätzliche Rationen vom Entladebahnhof holen zu lassen.“

    Laut Steinbach wurden umgehend Lebensmittel und Zelte aus einem in der Nähe befindlichen Vorratslager herbeigeschafft, und dies wurde sowohl ihm als auch mir von mehreren ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen bestätigt, die damals in Heilbronn interniert waren. Doch der ehrenhafte General war eine Ausnahme. Die meisten hohen US-Militärs erwiesen sich als willige Vollstrecker Eisenhowers und Morgenthaus.

    Ein ungesühntes Nachkriegsverbrechen: In unserer Geschichtsausgabe „Die Todeslager der Amerikaner – Massenmord an den Deutschen auf den Rheinwiesen“ dokumentieren wir ein Kapitel unserer Geschichte, um das andere einen großen Bogen machen. Wir brechen das Schweigen – und zeigen, was Millionen Kriegsgefangenen in US-Haft angetan wurde. Hier bestellen.

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