Das Deutsche Reich war schon beim Übergang zum Hochmittelalter erstaunlich modern. Viele adlige Frauen hatten erheblichen Einfluss und waren bemerkenswert selbstbewusst. Einige davon finden Sie in unserer Sonderausgabe COMPACT-Geschichte Deutsche Frauen – Die klügsten und tapfersten aus 2000 Jahren, die Sie hier bestellen können.

    _ von Peter Roennau

    Von Gisela von Schwaben, der Mutter des Kaisers Heinrich III. (1016–1056; Regierungszeit: 1040–1056) wird berichtet, dass sie lebenslang großen (und energischen) Einfluss auf die Politik ihres Sohnes nahm – wir kennen das noch heute aus dem Verhaltensbild deutscher Altbäuerinnen.

    Mathilde von Canossa. | Abb. aus Elke Goez: Die Canusiner, CCO, Wikimedia Commons

    Albrecht der Bär (1100–1170) soll seine schlagfertige Mutter Eilika Billung regelrecht gefürchtet haben, und sie bestimmte sein Verhalten deutlich mit. Über Mathilde Markgräfin von Canossa-Tuszien (1046–1115) wird hier noch zu reden sein. Sie wurde 1069 mit Gottfried IV. (dem Buckligen) von Lothringen vermählt, verließ ihn 1071 und schaffte es dennoch, das lothringische Erbe ihres 1076 verstorbenen Gatten dadurch zu sichern, dass sie ihr gesamtes Erbe der Kirche vermachte, aber die volle Verfügungsgewalt garantiert bekam. Das war einfacher, weil sie mit Papst Gregor VII. (1020–1085; Regierungszeit: 1073–1084) eng befreundet war. Mathilde hasste Heinrich IV. schon seit ihrer Kindheit, spielte aber dennoch bei der Scharade Januar 1077 in Canossa eine Vermittlerrolle.

    Nachdem Heinrich IV. dort Bußfertigkeit vorgetäuscht hatte, vom Kirchenbann gelöst und so der deutschen Fürstenopposition wieder gewachsen war, zog er mehrfach nach Rom, setzte Clemens III. als neuen Papst ein und vertrieb 1084 Gregor VII. endgültig aus Rom. Der abgesetzte Papst starb 1085 im Exil in Salerno.
    Mathilde wird sich (nach Reichsacht und Verlust ihrer Lehen 1081) allmählich dem Kaisersohn Heinrich V. anschließen, der sie im Kampf gegen seinen Vater in Anspruch nahm.

    Heinrich IV. (1050–1106) wurde 1062 von Erzbischof Anno II. von Köln bei Kaiserswerth mit einem Schiff entführt, sprang in den Rhein und wurde von einem Ritter gerettet. Anno regierte nach der Regentschaft der Kaiserinwitwe ab 1062 als Reichsverweser und war dem Jungen verhasst. Auch später als König hatte Heinrich Konflikte mit Kirchenfürsten. 1089 heiratete er in zweiter Ehe Praxedis (Adelheid), eine Tochter des Kiewer Großfürsten und Witwe des Markgrafen von Stade. Wegen „sexueller Verfehlungen“ setzte er sie in Verona fest. Adelheid floh 1094 zu Mathilde von Tuszien.


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    Nun schlug die Stunde Mathildes als gerissene Beraterin. 1094/95 klagte die entflohene Königin auf Synoden in Konstanz und Piacenza Heinrich ihrerseits der schlimmsten sexuellen Verfehlungen an: Er habe sie zum Ehebruch veranlassen wollen. So sei etwa der 1093 abgefallene ältere Sohn Konrad von seinem Vater zum Beischlaf mit ihr gezwungen worden. Konrad hatte sich nämlich zum König von Italien krönen lassen, erkannte Papst Urban an und dieser Papst versprach ihm die Kaiserkrönung.

    Der jüngere Sohn Heinrich V. erzwang am 31. Dezember 1105 die Abdankung Heinrich IV. So waren es nicht allein die Ränke der Frauen und der Pfaffen, die den Kaiser zu Fall brachten. Glücklicherweise wird #MeToo heute nur von feministischen Aktivistinnen betrieben und nicht mehr von Päpsten instrumentalisiert. Etwas moderner sind wir dann doch geworden.

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