Warum Japan besser ist (IV) – Ein Beitrag unseres Korrespondenten Nakaya Roo aus Tokio

    In Südkorea ist im vergangenen Sommer ein Bestseller erschienen, dessen Titel sich mit „Antijaponismus – Die Wurzel der koreanischen Krise“ ins Deutsche übersetzen lässt. Es ist nicht nur irgendein Bestseller, sondern war nach Verkaufszahlen aller in Korea verkauften Bücher seit dem 11. August 2019 das am meisten verkaufte Buch, in allen drei Listen – der des koreanischen Buchhandels, der Yes24-Liste und der Alladin-Liste – war das Buch auf Platz eins notiert. Neben fünf anderen hochkarätigen Autoren, ist das Werk in erster Linie von Lee Young-hoon, einem ehemaligen Professor der Nationaluniversität Seoul, geschrieben worden. Die zentrale Aussage des Buches lässt sich in folgenden zwei Sätzen zusammenfassen: Koreas Antijaponismus nährt sich aus Jammerei, Nichtwissen und Missverständnissen über die koreanisch-japanische Geschichte. Solange Korea dies nicht überwindet, steckt seine Gesellschaft in der Sackgasse.

    Das Buch passt überhaupt nicht in den gegenwärtigen Zeitgeist Koreas, weshalb es fast einen Volksaufstand provoziert hat. Entsprechend wurden seitdem etliche Schriften, die diesem Buch vollumfänglich widersprechen, publiziert. Es gibt in Korea unzählige Bücher über das koreanisch-japanische Verhältnis und über die kurze gemeinsame Geschichte, in der Korea eine Kolonie Japans war. In all diesen Schriften lautet das Narrativ: Japan hat sich an Korea vergangen und dabei eine immerwährende, untilgbare Schuld auf sich geladen. So werden auch in der Gegenwart noch Entschädigungsforderungen gegen japanische Unternehmen in Korea gefordert und von einer Justiz – deren Unabhängigkeit man zumindest anzweifeln darf – abgenickt, obwohl dies eindeutig gegen bilaterale Verträge der beiden Nationen verstößt. Im Rahmen dieser Entwicklungen bildet dieses Buch in der koreanischen Öffentlichkeit eine erfrischende Ausnahme. Aber egal wie sehr man dieses Buch auch verdammen möchte, es erzwingt durch seine Existenz und seinen Erfolg eine inhaltliche Auseinandersetzung.

    In den Medien Koreas war erwartungsgemäß nicht erkennbar, dass man sich wertneutral und ergebnisoffen mit dem Buch auseinandersetzen wollte. Aber genau diese Haltung in den Medien und im Volk bekräftigt die Schlussfolgerung des Buches, die nämlich lautet: Die Koreaner haben leider ihre geistige Freiheit aufgegeben. Das lässt die Kritiker wiederum noch lauter aufheulen und noch hysterischer dagegen Front machen. Aber eine echte Demokratie benötigt nun mal wirklich freie und finanziell unabhängige Medien und eine große Zahl ebenso freier Bürger, um funktionieren zu können. Diese Medien müssen sich am Markt unabhängig (re-)finanzieren, damit sie stets unbeeinflusst berichten und sauber recherchieren können. Frei im Denken heißt nämlich „kritisch“ denken: Kritisch denken – und das gilt besonders für die Medien, die mit ihrer Reichweite praktisch als „Vordenker“ des Volkes funktionieren – heißt faktenbasiert (ergebnisoffen) und nicht meinungsbasiert (das Ergebnis steht sonst bereits fest und die Fakten werden passend zum gewünschten Narrativ selektiert oder fingiert) zu agieren. Frei im Handeln betrifft vor allem die Bürger in ihrer Mehrheit und heißt pro forma, dass man alles darf, was nicht verboten ist. Dies konstituiert das Wesen einer Demokratie: Man darf seine Meinung frei äußern und sogar politisch aktiv sein, ohne Repressionen befürchten zu müssen. Beides ist in Korea leider nur möglich, wenn man eine anti-japanische Haltung vertritt. Wer diese „richtige“ Meinung öffentlich vertritt, erfährt dadurch sogar einen gewissen Karriere-Boost für den angeblichen Mut, diese Meinung zu artikulieren. Dabei gilt: Je schriller und lauter man dies äußert, desto größer ist der Boost, obwohl es dazu überhaupt keines Mutes bedarf, denn das Äußern der dort politisch korrekten Meinung wird garantiert goutiert. Man muss sich eventuell überwinden, wenn man schüchtern ist, das ist aber schon alles.

    Das ist einer der typischen Indikatoren einer bereits ideologisierten Gesellschaft. Es ist ihr Erzübel, dass sie strafbare Handlungen nicht mehr verfolgt, ja den Rechtsstaat sogar stellenweise außer Kraft setzt, das wirklich freie Denken aber unter Strafe stellt. Dazu werden immer neue Straftatbestände wie Hatespeech, Hass, Hetze usw. erfunden, die dann ideologisch definiert werden. So weit ist es in Korea bisher zum Glück noch nicht gekommen, aber es wird bereits diskutiert. Bevor man das freie Denken durch Gesetze unter Strafe stellt, erlebt man wie es von der Mehrheitsgesellschaft geächtet und allmählich verfolgt wird. Dieser ideologisierte Zustand ist dann erreicht, wenn andersdenkende Menschen wirtschaftlich ruiniert, zusammengeschlagen oder deren Eigentum beschädigt wird – Hier zeigen sich auch bereits erste Warnzeichen in Korea. Eine besonders perfide Ausprägung des koreanischen Antijaponismus ist die vermehrte Aggression gegenüber japanischen Touristen — besonders Touristinnen — durch koreanische „politisch korrekte“ Passanten: Es wird gedrängt, begrapscht, beleidigt oder sogar körperlich angegriffen. Das wirklich Schlimme daran ist, dass die Täter glauben, ihre widerlichen Taten seien etwas Gutes und Heroisches.  Die Autoren dieses Buches erleben auch gerade schmerzhaft, was geschieht, wenn man nicht die „richtige“ Meinung vertritt.

    Bei Nationen, die zwar eine demokratische Grundordnung haben, aber der oben genannten Freiheiten verlustig sind, kann man Folgendes feststellen: Materieller Reichtum und Karrierismus werden zum zentralen Inhalt des Lebens. Durch diesen Materialismus wird die Mehrheitsgesellschaft praktisch paralysiert. Sie lässt darin schwelgend zu, dass sie zur schweigenden Mehrheit gemacht wird, die dem zur Wahrheit erhobenen Narrativ zwar kritisch gegenübersteht, aber dennoch nur ohnmächtig zuschaut, wie mit allen Konsequenzen dieses Narrativ über dem gesamten Volk ausgeschüttet wird. Diese Ohnmacht erzieht die Menschen zu opportunistischen Nichtstuern — das System stabilisiert sich, sodass die Menschen nur noch an ihrer Karriere und ihrem materiellen Wohlstand arbeiten. Das ist die Phase, in der die wirklich Klugen auswandern und die Anderen, denen dies verwehrt bleibt, sich dem Diktat fügen und weiterhin ihr Refugium im Wohlstand suchen. Der akkumulierte Wohlstand der kleinen Menschen einer solchen Gesellschaft ist aber nur eine Fata Morgana, denn er kann jederzeit genommen werden und wird beim Verstoß gegen das ideologische Narrativ auch genommen. Während dieser Dekadenz-Phase infiziert dieser überbordende Materialismus sein Volk immer schlimmer: Das Volk wird der häufig gehörten und zur Volksideologie verklärten Lüge gegenüber immer toleranter. So bereitet man eine Nation darauf vor, die Unwahrheit als Wahrheit zu akzeptieren. Es macht eine Gesellschaft zum Paradies der Lüge und sein Volk zum Junky derselbigen.

    Für Korea gilt: Es gibt eine tiefe Spaltung der Gesellschaft, zwischen revolutionärer Linker und nationalistischen Konservativen. Beide Gruppen stehen sich unversöhnlich gegenüber. Aber es gibt etwas, dass die beiden Gruppen vereint, nämlich der Hass auf Japan. Die Japaner dürfen daher im heutigen Korea als Sündenbock für alles herhalten. Obwohl ständig gegen Japan agitiert wird, nimmt das im benachbarten Inselstaat aber kaum jemand ernst. Die Vorwürfe, die gegen Japan ins Feld geführt werden, sind dermaßen lächerlich, dass die Mehrheit sich davon ermüdet abwendet, nach dem Motto: „Liebe Koreaner, Ihr könnt uns gerne hassen, Ihr braucht nicht zu kommen, wenn Euch Japan nicht gefällt. Aber bitte hasst uns leise und lasst uns in Ruhe!“ Das lässt die Eliten Koreas schier ausrasten und sich wie ungezogene Kinder aufführen.

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