Der linken Deutungshoheit stets zu Diensten: Je suis Karl, der neue Film von Regisseur Christian Schwochow (Deutschstunde), ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie Filmförderung politisch instrumentalisiert wird. Wie die Kulturszene politisch unterwandert wird, lesen Sie in COMPACT-Spezial Antifa – Die linke Macht im Untergrund. Hier mehr erfahren.

    Mehr Provokation geht nicht: Heute läuft in unseren Kinos Je suis Karl an – eine mit viel Aufwand beeindruckend ins Bild gesetzte Neuinterpretation der Proteste nach dem Anschlag auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo.

    Der Film, der wie Fatih Akins Rachedrama Aus dem Nichts (2017) reale Begebenheiten als Vorlage für eine neue Geschichte nutzt, folgt der 18-jährigen Maxi (Luna Wedler), die bei einem mutmaßlich islamistischen Terroranschlag in einem linken Berliner Szeneviertel ihre Mutter und zwei Brüder verliert und kurz darauf den charmanten Karl (Jannis Niewöhner) kennenlernt.

    Durch ihn gerät sie in die Fänge der professionell durchorganisierten Bewegung Re/Generation (angelehnt an die Identitäre Bewegung), deren Aktivisten einen perfiden Terroranschlag in Frankreich vorbereiten…

    Karl (Jannis Niewöhner) als Redner bei der Sommerakademie der Re/Generation. Foto: Pandora Film

    Im nachfolgend dokumentierten, in vielerlei Hinsicht aufschlussreichen PR-Interview für die produzierende Pandora Film Medien GmbH geben Regisseur Christian Schwochow und Drehbuchautor Thomas Wendrich, die schon bei Mitten in Deutschland: NSU (2016) zusammenarbeiteten, bereitwillig Auskunft über die politische Agenda, die sie mit dem Film verfolgen und der die Produktion ihre üppigen Fördergelder verdankt.

    Das macht Je suis Karl zum idealen Anschauungsunterricht dafür, wie sich der Ende 2020 von der Regierung beschlossene „Kampf gegen Rechts“ in der gesellschaftlichen Praxis auswirkt.

    Der Film wurde unterstützt von der Filmförderungsanstalt des Bundes, vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, vom Deutschen Filmförderfonds, vom Medienboard Berlin-Brandenburg, von der Film- und Medienstiftung NRW sowie dem Czech Film Funds. Ferner beteiligt: die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten WDR, RBB und Arte.


    Wie würden Sie Ihren Film selbst auf den Punkt bringen?

    Schwochow: Wie verführbar sind wir für radikale Gedanken und vor allem radikales Handeln? Wie gefestigt sind wir wirklich, um uns gegen Angriffe durch starke politische Parolen, aber auch durch Menschen im nahen Umfeld zu schützen, die sich immer deutlicher aus der Deckung wagen und in ihren Haltungen radikalisieren? Wir wollten und mussten einen Film machen, der uns beim Beantworten dieser Fragen weh tut. Je suis Karl spielt nicht zufällig im Berliner Friedrichshain, wo wir beide mit unseren Familien wohnen. Wo wir zu Hause sind und das Gefühl haben, emotional, moralisch und politisch auf sicheren Füßen zu stehen. Diese Sicherheit haben wir zunächst für uns selbst hinterfragt.

    Wendrich: Ich finde, dass Filme wie Je suis Karl unbedingt weh tun müssen und zwar nicht nur beim Sehen, sondern schon während der Entstehungszeit. Das hat er fünf Jahre lang auch mit uns gemacht. Nicht nur, weil wir uns selbst in dieser Zeit verändert haben, auch die Welt hat sich verändert, in der wir diesen Film verankern.

    Ihr erstes gemeinsames Projekt als Drehbuchautor und Regisseur war ein Teil der 2016 ausgestrahlten ARD-Fernsehtrilogie Mitten in Deutschland: NSU. Sie hatten sich dafür explizit mit den Tätern Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe beschäftigt. Inwieweit strahlt diese Arbeit auf Je suis Karl aus?

    Wendrich: Ich war persönlich beleidigt, dass die vom NSU im Grunde meine Leute waren. Dass sie von Lehrern ausgebildet wurden, deren Bildung auch ich bekommen habe. Dass ihre Eltern so sprechen wie meine. Immer wieder haben wir uns damit auseinandergesetzt, warum Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt dann anders abgebogen sind als wir.

    Schwochow: Hier war es der Blick zurück in die eher klassische Naziszene, so wie man sie kennt. Bei der Recherche ist uns jedoch schon damals aufgefallen, dass eine neue Generation an Rechten heranwächst. Dazu genügte der Blick auf äußerliche Dinge wie die Kleidung einiger Besucher im Gerichtssaal während des NSU-Prozesses in München, den wir viele Tage vor Ort verfolgt hatten. Plötzlich gab es Rechte, die wie Leute von der Antifa rumliefen. Dann kam die AfD, die Flüchtlingskrise und plötzlich gab es einen gesellschaftlichen Umbruch und eine ganz neue Stimmung in Deutschland.

    Kinoplakat. Foto: Pandora Film

    Weil Menschen mit sehr radikalen Haltungen, aber neuem Auftreten und Aussehen nach und
    nach sichtbar wurden?

    Schwochow: Ja. Vor allem durch junge, smarte Menschen mit völlig neuen Organisationsstrukturen zog spürbare Gefahr auf. Uns hat es regelrecht angetrieben, das NSU-Thema auf eine zeitgemäße Stufe zu heben. Der NSU-Film war hässlich. Für Je suis Karl galt es, die Geschichte der Rechten auf andere Art weiterzuerzählen, „in schön“, wenn man so will.

    Weil sich die Szene mit ihren eindeutig menschenverachtenden Parolen und Umsturzfantasien in völlig neuem Look zeigt, mit moderner Symbolik, feschen Slogans und verwirrenden Begrifflichkeiten, die ihre Absichten verschleiern. Plötzlich gibt es junge, attraktive, schlaue Rechte, die mehrere Sprachen sprechen, vielleicht in Oxford studiert haben und ihre Ideologie als modernen patriotischen Lifestyle anbieten.

    Wendrich: … und die sind nett, richtig nett! Sie kommen auch nicht erst, sie sind da! Sie sitzen zum Teil schon in wichtigen Positionen und Gremien, in Stadtparlamenten und Polizeistuben. Unfassbar! Es macht mich wütend. Aber es spornt eben auch an.

    Ist es Ihnen zu leise in Deutschlands Gesellschaft?

    Schwochow: Unbedingt, das kann ich sofort unterschreiben! Wir finden keinen richtigen Umgang mit AfD und Co. So, wie sich die politischen Parteien in ganz Europa mit Populisten auseinandersetzen, finde ich es zu schwach. Sie permanent zu belächeln und ihnen vorzuführen, wie dumm sie vermeintlich sind, ist zu wenig. Denn dabei vergisst man, dass diese Populisten auch im Deutschen Bundestag sitzen und Millionen Menschen dazu bringen, an die Wahlurne zu gehen und für sie zu stimmen.

    Maxi (Luna Wedler) trifft am Ort des Anschlags auf Karl. Foto: Pandora Film

    Wendrich: Was ist heute links, was rechts? Wann ist Protest berechtigt? Wo ist unsere humanistische Linie? Soll Europa eine Festung werden oder offen sein für alle? Wenn wir uns solche Fragen stellen, nehmen wir sehr schnell wieder diese Ängste in uns wahr, die in der letzten Zeit von der Angst vor der Corona-Seuche ein wenig verdrängt waren. Aber spätestens seit Menschen für diese Überzeugungen im Kapitol in Washington gestorben sind, wissen wir wieder, dass sie noch existiert und wie weit diese Menschen zu gehen bereit sind. Und nicht zu vergessen: Das Mittelmeer ist ein Massengrab.

    Ist auch das deutsche Kino zu leise, zu wenig radikal?

    Schwochow: Ja, auch dort ist es zu still. Je suis Karl sollte und wollte unbedingt ein lauter Film werden.

    Ist es schwieriger, sich einem so komplexen wie brisanten Kernthema über Fiktion zu nähern?

    Schwochow: Es gab sehr wohl Bedenken von außen, die Realität würde uns über-
    holen…

    Wendrich: 2016, mit dem Attentat auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz, ist es dann ja auch geschehen. Erst wenige Wochen zuvor hatte ich für das Drehbuch von Je suis Karl den Terroranschlag entworfen. Im Grunde wurden wir im Moment des realen Attentats darin bestätigt, in die richtige Richtung gedacht zu haben.

    Schwochow: Als wir uns dafür entschieden hatten, den Kampf mit denen aufzunehmen, gegen die wir erzählen, hat uns die Fiktion geholfen und für die Recherche befreit. Vieles, das wir in Je suis Karl zeigen, ist trotzdem nicht erfunden, höchstens auf die Spitze getrieben. Wie die neuen Rechten aussehen, wie sie reden und ihre Haltungen präsentieren, wie sie sich bereits ihre eigene Eventkultur erschaffen haben, ist künstlerisch ausgedeutet, aber sehr nah an der Realität.

    Wendrich: Diese Realität zeigt einen Pool aus Finten, Lügen, Scharaden, Straftaten. Übrigens darf ein Film durchaus auch Behauptungen aufstellen!

    Schwochow: Rechte werden immer wieder totgesagt, wenn sie eine Weile aus den Medien oder der Öffentlichkeit verschwinden. Warum? Weil es in Menschen den sehr eigenartigen Impuls zu denken gibt, wonach „alles nicht so schlimm“ sei. Mittlerweile sind wir beruhigt, wenn die Populisten in Umfragen „nur“ bei zehn Prozent liegen. Das ist krass! Mir ist die Angst vor diesen Kräften mit ihrer Kriegssprache und ihrer tatsächlichen Überzeugungskraft sehr gegenwärtig.

    Regisseur Christian Schwochow. Foto: André Röhner, Pandora Film

    Radikalisierung funktioniert fast nie aus psychologischer Folgerichtigkeit heraus. Sie bleibt oft genug unerklärlich. Kinder, die mit klaren liberalen und freiheitlichen Vorstellungen ihrer Eltern aufwachsen, treffen auf eine Welt, in der sich das Radikale schon im Mainstream festgesetzt hat. Selbst in Umweltbewegungen finden sich heute rechte, völkische oder gar faschistische Strömungen. Die neuen Rechten haben sich in der öffentlichen Präsentation viel von Greenpeace oder Amnesty International abgesehen. Es vermischt sich, vieles an gewohnten Bildern passt nicht mehr zusammen, sie entwickeln sich ständig weiter.

    Ihr Film zeigt sehr deutlich den Charme und die Faszination, die von rechten Kräften ausgehen …

    Schwochow: Es geht nur so! Was nützen in einem Kinofilm einfache Wahrheiten oder Anklagen? Warum sollten wir gerade nicht die Faszination und Verführungskraft zeigen, die Menschen wie Karl haben? Man muss es tun, wenn wir sie entlarven wollen. Und wer sagt denn, dass nicht auch wir ein Stück weit Karls Art erliegen würden? Und, ja, Fragen wie diese werden einige Zuschauer extrem aufregen.

    Was waren die Säulen in der Recherche? Welche Quellen haben Sie benutzt?

    Wendrich: Wir haben tief über Ideologien und die soziale Durchdringung von neuen
    rechten Bewegungen recherchiert, viel gelesen, Filme gesehen und einiges aus der sehr aufwendigen NSU Recherche mitgenommen. Bei dramaturgischen Fragen, also wie man Modellhaftes authentisch erzählen kann, landet man unweigerlich noch immer bei Bertolt Brecht. Und dann haben wir am Frankfurter Tor einfach nachgesehen, was in Berlin abgeht, in Neukölln nachgehört, wie sich der Ton auf der Straße verändert hat. Wir haben also unsere künstlerischen Behauptungen mit dem realen Leben abgeglichen.

    Schwochow: Innerhalb unseres Rechercheteams haben wir investigative Journalisten getroffen, die im dauerhaften Austausch mit der rechten Szene sind. Wir haben die Manifeste junger gebildeter Rechter mit Meinungen junger Menschen abgeglichen – auch bei uns im Team – und dabei durchaus schockierende Ergebnisse erhalten. Vieles, was Ultrarechte sagen, wird heute von einem Großteil junger Menschen unterschrieben beziehungsweise nicht hinterfragt.

    Wir haben die verfügbaren Podcasts rechter Akteure gehört, was so entlarvend wie anstrengend war, denn sie nehmen mittlerweile überhaupt kein Blatt mehr vor den Mund. Letztlich spielt noch immer das Buch Die Turner Tagebücher von William L. Pierce eine große Rolle. Die Ähnlichkeiten in der Sprache sind verblüffend, diese Sehnsucht und das Hinarbeiten auf die Machtübernahme am Tag X.

    Je suis Karl läuft als wuchtiges Drama auf vielen Ebenen, einige davon sind eher im Hintergrund präsent. Neben politischer Verführung wären da Flucht und Fluchthilfe, der gesellschaftliche Umgang mit Angehörigen nach Attentaten, persönliche Trauerarbeit, eine sehr fragile Vater-Tochter-Beziehung. War es schwer, die Balance zu finden?

    Schwochow: Es war schwierig. Gleich am Beginn von Je suis Karl verlieren Vater und Tochter die drei ihnen am nächsten stehenden Menschen. Jede Szene danach ist beladen mit dem Tod. Mein Gefühl hat mir gesagt, dass man sich jetzt als Zuschauer, der dieses Trauma nicht erlebt hat, nicht so leicht von Maxi und ihrem Weg, der Verführung zu unterliegen, distanzieren kann.

    Was Je suis Karl vor allem für ein jüngeres Publikum interessant macht.

    Schwochow: Das ist uns ein sehr wichtiges Anliegen. Wir wollen junges Publikum erreichen, wir wollen in die Schulen! Damit Gleichaltrige an Maxi andocken können, erzählen wir sie als Figur, die sich trotz ihrer eigenen Trauer und der ihres Vaters früh dafür entscheidet, sich dem Weiterleben zu stellen. Ich möchte, dass über den Film als künstlerisches Ereignis und seine Themen auf dem Schulhof und in den Familien gesprochen wird. Dabei wird sicher deutlich werden, dass die Generationen unterschiedliche Positionen in der Frage vertreten, wo wir als Gesellschaft in Bezug zu den Ideen der neuen Rechten stehen.

    Die Politikerin Odile Leconte (Fleur Geffrier) lässt sich von ihren Unterstützern feiern. Die Figur ist angelehnt an Marine Le Pen. Foto: Michaela Hermina, Pandora Film

    Wie entstand der Titel Je suis Karl?

    Wendrich: Er war eine Eingebung. Man hat als Drehbuchautor sehr schnell ein Gefühl für passende Titel. Bei Je suis Karl ist klar, dass er an den europäischen Gedanken und an Je suis Charlie andockt, weil dieser Ausruf nach dem Attentat auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo universell aufgegriffen und benutzt wurde. Die rechte Bewegung schreckt nicht davor zurück, sich auch diesen wichtigen Begriff zu eigen zu machen. Aus einem perfiden Missbrauch entstand so der Slogan, den wir konsequenterweise auch als Titel benutzen.

    Enorm wichtig ist die Musik, für die rechte Szene sowieso, also auch für den Film. Sie zeigt, dass sich auch hierbei eine extreme Wandlung vollzogen hat, vom plumpen Dröhnen hin zu sehr vielschichtigen zeitgenössischen Klängen.

    Wendrich: Mit der Tschechin Jitka eine musikalische Figur im Umfeld von Karl zu entwerfen war eine bewusste Entscheidung für die Struktur dieser Bewegung. Musik war immer schon das Einfallstor für Ideologie. Und das wissen natürlich auch Extremisten.

    Schwochow: Es gibt hervorragend produzierte faschistische Musik, sogar Hip-Hop, der von Schwarzen erfunden wurde. So weit ist es schon gekommen! Für den Film haben wir den Faktor an Coolness noch etwas erhöht und ein großes Klangteam gebildet. Max Rieger hat diese speziellen Songs komponiert. Floex aus Tschechien und der Brite Tom Hodge steuerten den Score bei.

    Zentral thront jetzt unter anderem der giftige Rap „À la guerre“ im Film, live dargeboten in einem hitzigen Club. Ist es eines dieser speziell komponierten Stücke?

    Schwochow: Ja, auch dieses wurde von Max Rieger komponiert. Der Rap entstand in Zusammenarbeit mit Martin Hossbach und Johann-Christoph Laubisch, einem deutsch-französischen Schauspieler und Musiker. Uns war klar, dass wir keinen Cent GEMA-Gebühr für eine real existierende faschistische Band bezahlen wollen.

    (Interview: Andreas Körner, gekürzte Fassung)


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