Der Aufstieg der Republikaner unter dem charismatischen Franz Schönhuber endete, als die Partei 1992 vom Verfassungsschutz unter Beobachtung genommen wurde. Hat die staatliche Repression den Absturz bewirkt – oder das ängstliche Zurückweichen der Partei vor der Drohung? Alles über die Republikaner und andere Rechtsparteien nach 1945 lesen Sie in „Zwischen Reich und Republik – Geschichte der deutschen Nachkriegsrechten“ von Karlheinz Weißmann. Hier mehr erfahren.
In der Diskussion um die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz wird von manchen Parteivertretern mit dem Beispiel der Republikaner (REP) aus den frühen 1990er Jahren argumentiert. Die AfD dürfe nicht in die «Republikaner-Falle» tappen, lautet die Warnung. Die Schlussfolgerung: Kontakte zu angeblich radikalen Kräften außerhalb und die Mitgliedschaft solcher Kräfte in der Partei müssten so schnell wie möglich beendet werden, damit der Inlandsgeheimdienst kein neues Futter bekommt.
Der Erbschleicher
Über mögliche Auswirkungen der Verfassungsschutzbeobachtung äußerte sich Rolf Schlierer, von 1994 bis 2014 Vorsitzender der Republikaner, im September 2018 gegenüber der Wochenzeitung Junge Freiheit: «Selbst wenn die Abgeordneten direkt keine Auswirkungen verspüren, wird der Aufbau der Parteistrukturen stagnieren und die Distanz von Protestwählern gegenüber der Partei im Lauf der Zeit größer werden.»

Und weiter: «Genau genommen führt die Beobachtung durch den Verfassungsschutz und die Erwähnung in seinen Berichten zu einer faktischen Ächtung der Partei. Dies kümmert zwar die überzeugten Anhänger nicht, verringert aber die Chancen der Partei, neue Wähler zu gewinnen. Wer geächtet ist, gilt als unwählbar und vogelfrei. (…) Aus dieser Ächtung kommt eine Partei nur schwer wieder heraus. (…) Der Ruf leidet allemal, semper aliquid haeret – irgendetwas bleibt immer hängen.»
Auf die Frage, ob die AfD gegen den staatlichen Druck nicht zusammenhalten statt sich in Abgrenzung zu angeblichen Radikalen üben sollte, antwortete Schlierer:
«Ich kenne diese Forderungen aus eigener Erfahrung. Aufgestellt werden sie von jenen, die nach dem Motto verfahren: ”Und ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich‘s völlig ungeniert.” Das sind jene Kräfte, von denen sich die Partei trennen muss, wenn sie in Deutschland etwas verändern will. Es gibt die einschlägige Erfahrung, dass eine rechte Partei nur ohne den luncatic fringe {Narrensaum} langfristig Erfolg haben kann.»
Nun ist Schlierer zwar ein Zeitzeuge des Niedergangs der Republikaner nach 1992, aber durchaus kein ganz objektiver: Er selbst hat wesentlich dazu beigetragen, dass sich seine Partei vom sogenannten Narrensaum trennte.
Aufstieg und Fall einer Protestpartei
Der Aufstieg der Republikaner – hervorragend nachgezeichnet von dem Historiker Karlheinz Weißmann in seinem neuen Buch „Zwischen Reich und Republik – Geschichte der deutschen Nachkriegsrechten“ – begann 1983 ähnlich wie jener der AfD 2013: Die erste Führungsmannschaft bestand in beiden Fällen aus allseits respektierten Persönlichkeiten mit einer Vergangenheit im Milieu der Unionsparteien – nur dass Franz Schönhuber (Chefredakteur der Münchner Abendzeitung, Fernsehmoderator, stellvertretender Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks, Mitglied des Deutschen Presserates) noch um einiges prominenter war als Bernd Lucke 30 Jahre später.
Zunächst gab es lediglich Achtungserfolge bei Wahlen – so etwa die 3,0 Prozent 1986 in Bayern. Der Durchbruch kam 1989: Bei der Europawahl erzielten die REP bundesweit 7,1 Prozent, allein in Bayern sogar 14,6 Prozent. Im selben Jahr wurde bei der Landtagswahl in West-Berlin ein Ergebnis von 7,5 Prozent eingefahren.

Die Krise kam, weit vor der Beobachtung durch den Verfassungsschutz, mit dem Fall der Mauer: Bis dahin konnten sich die Republikaner mit einigem Recht als die einzige Wiedervereinigungspartei bezeichnen – schließlich hatte sogar der CSU-Rechtsausleger Franz Josef Strauß 1983 das Überleben der DDR mit einem Milliardenkredit gesichert, was an der Basis der Christsozialen für Empörung sorgte und unmittelbar zur Gründung der Republikaner führte.
Doch spätestens Anfang Dezember 1989 zog Bundeskanzler Helmut Kohl das Projekt Wiedervereinigung an sich und wurde zu dessen Architekten. Die REP verloren eines ihrer zentralen Themen und konnten bei den Landtagswahlen im Frühjahr 1990 nirgends die Sperrklausel überwinden.
Im Vorfeld der ersten gesamtdeutschen Wahlen im Dezember 1990 kam es zu einem heftigen Richtungsstreit. Schönhuber ging den Lockangeboten der Union auf den Leim: Der rheinland-pfälzische CDU-Ministerpräsident Carl-Ludwig Wagner und der Berliner CDU-Innensenator Heinrich Lummer hatten sich für Koalitionen mit den Republikanern offen gezeigt, in der CSU hielt der REP-Chef immer noch Verbindungen zum langjährigen Ministerpräsidenten Max Streibl. Umfragen wie die der Bild-Zeitung, bei der 39 Prozent Schönhuber als «Wunschkanzler» bezeichneten, ließen Hoffnungen ins Kraut schießen.
Um ihre Respektabilität zu beweisen, drängte die Republikaner-Führung auf eine klare Abgrenzung gegenüber eingesickerten Ex-Mitgliedern anderer Rechtsparteien, die auf dem Bundesparteitag in Ruhstorf am 8. Juli 1990 auch beschlossen wurde. Wörtlich hieß es darin:
«Niemand, der in extremistischen und verfassungsfeindlichen Organisationen (z. B. NPD, DVU, EAP, ANS etc.) eine aktive Rolle gespielt hat, darf in Zukunft eine Funktion in unserer Partei übernehmen. Zur Einhaltung dieses Beschlusses bedarf es keiner Ersatz-Spruchkammer, zuständig ist dafür der Bundesvorstand.»
Die Folgen von Ruhstorf waren dramatisch, wie man in „Zwischen Reich und Republik – Geschichte der deutschen Nachkriegsrechten“ nachlesen kann: Rund ein Drittel der damals 20.000 Mitglieder und alle Europaabgeordneten außer Schönhuber selbst verließen die Partei. Der Aderlass betraf vor allem die aktivsten Kräfte an der Basis, was die Kampagnenfähigkeit erheblich minderte. So war es kein Wunder, dass die ersten gesamtdeutschen Wahlen wieder mit einem enttäuschenden Ergebnis (2,1 Prozent) endeten.
Ironie der Geschichte
In der Folge zeigte sich, dass der neue Kurs vom politischen Establishment keineswegs honoriert wurde: Trotz der scharfen Rechtsabgrenzung der Republikaner verkündete der Verfassungsschutz im Dezember 1992, die Partei im gesamten Bundesgebiet unter Beobachtung zu stellen. Zahlreiche Beamte und andere Personen, die auf ihren guten Ruf bedacht waren, sahen sich nun zum Austritt veranlasst.

Zuvor war der Partei mit einem gemäßigten Auftreten noch der Einzug in den baden-württembergischen Landtag (10,9 Prozent) gelungen. Offensichtlich galt die Repression des Inlandsgeheimdienstes nicht der Programmatik und auch nicht dem (verbliebenen) Personal der Partei, sondern war eine Reaktion auf ihren überraschenden Wiederaufstieg an der Wahlurne.
1994 verfehlten die Republikaner den Wiedereinzug ins Europaparlament. In der Folge schlug Schönhuber eine erneute Volte und traf sich, wie Karlheinz Weißmann in seinem Werk „Zwischen Reich und Republik – Geschichte der deutschen Nachkriegsrechten“ schildert, mit Gerhard Frey (siehe Bild oben), um Wahlabsprachen zu verabreden – also dem Chef genau jener DVU, die im Ruhstorfer Abgrenzungsbeschluss noch als «extremistisch» gebrandmarkt worden war.
Eine Ironie der Geschichte ist, dass der Parteigründer wegen dieser Kontaktaufnahme nun selbst bei den REP ausgeschlossen wurde, deren endgültigen Niedergang sein Nachfolger Rolf Schlierer nicht verhindern konnte – und dass ausgerechnet die DVU mit einem vermeintlich radikaleren Kurs 1998 bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt mit 12,9 Prozent triumphierte.
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