Noch gibt es keine gesicherten Erkenntnisse darüber, ob eine überstandene Erkrankung an Covid-19 zu Immunität führt. Geht es jedoch nach dem Willen von Jens Spahn, soll die Bundesregierung laut Beschluss vom vergangenen Mittwoch im Rahmen des „Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung in einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ einen „Immunitäts-Pass“ – vergleichbar mit einem Impfausweis – vorschreiben.
Was ist schiefgelaufen in der Kindheit dieses Mannes – auf dem Schulhof Kloppe bezogen, wegen der Aknepickel gemobbt –, dass er nun seine ihm auch dank des mal eben geänderten Seuchenschutzgesetzes verliehene Allmacht auf nahezu perverse Weise auskostet? Nachdem der CDU-Bundesgesundheitsminister (vorerst) mit seinem Plan der Widerspruchslösung bei der Organspende gescheitert ist, steht eine weitere Entmündigung und Entwürdigung des Bürgers auf seiner Agenda. Am Mittwoch soll das Kabinett die Gesetzesnovelle möglichst rasch durchpeitschen.
Mit dem „Immunitäts-Pass“ könnten alle Personen, die andere nicht mehr anstecken können, „von den Schutzmaßnahmen ganz oder teilweise ausgenommen werden“, heißt es im Entwurf. Damit könnte der Genesene möglicherweise früher verreisen, so Spahns verführerische These. Antithese: Und wer diesen Freifahrtschein nicht hat, kommt nicht in den Genuss dieses „Sonderrechtes“? Synthese: Das Tor zum Überwachungsstaat in Merkels Corona-Sozialismus sowie zur Impfpflicht durch die Hintertür ist vollends aufgestoßen – auch wenn der gelernte Bankkaufmann betont, es handele sich lediglich um eine „vorsorgliche, vorausschauende Regelung“, bis es abschließende Erkenntnisse gebe. Und um Kritik an seinem Vorstoß vorzubeugen, erbittet er die Absolution des Ethikrates, den er zu einer Stellungnahme aufgefordert hat – damit „die ethischen Aspekte im Rahmen der Anwendung der Vorschrift eine ausreichende Würdigung erfahren“, wie die Bild am Sonntag aus dem Schreiben zitiert.
Die Inhaber einer solchen Unbedenklichkeitsbescheinigung könnten laut Spahn „unbeschwerter“ bestimmten Tätigkeiten nachgehen und adressiert sie zunächst narrativ an das Klinikpersonal oder anderweitige systemrelevante Kräfte. Ist der Rest des Volkes, sind Immunitäts-Pass-Verweigerer, nicht Getestete oder nicht an Covid-19 Erkrankte – also die, bei denen das Virus beziehungsweise die Antikörper nicht nachgewiesen wurden – dann zudem weiterhin von Kino-, Theater- und Konzertbesuchen ausgeschlossen? Wird ihnen weiterhin der Zutritt ins Kaufhaus oder Fußballstadion verwehrt? Sind ausschließlich sie dann weiterhin mit dem Lockdown Bestrafte, zudem versehen mit einem öffentlich sichtbaren Warnzeichen, einem „Kainsmal“ auf der Stirn – und die Immunisierten, die mit dem Immunitäts-Pass gesegneten, dann Bürger erster Klasse? Oder müssen sich bislang gesund Gebliebene rasch mit dem Virus infizieren, um in den „Genuss“ dieses Passes und seiner damit verbundenen Vergünstigungen zu gelangen?
Das sieht der „Gesundheitsexperte“ Karl Lauterbach ähnlich. Auf Twitter warnt er vor einer Diskriminierung durch den Pass, der zudem gefährliche Anreize schaffe: „Viele könnten Ansteckung gezielt suchen, wenn der Pass Vorteile brächte, was fatal wäre.“ Widerstand kommt auch von Professor Ulrich Kelber (ebenfalls SPD), Bundesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI): In der aktuellen Lage sei zu befürchten, dass diese Informationen zu einer Diskriminierung der Betroffenen führen könnten, wenn diese etwa ihre Immunität nicht nachweisen können. Er zeigt sich besorgt angesichts von Medienberichten, denenzufolge Läden etwa in Erwägung zögen, vor Eintritt die Vorlage einer Immunitätsbescheinigung zu fordern.
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