Jedes Mal, wenn ein neuer Präsident der USA vereidigt wird, ertönt ein Marsch, der von einem Pfälzer im Jahr 1917 komponiert wurde und seit der Amtseinführung von Präsident Dwight D. Eisenhower 1952 zum Standardritual der Feierlichkeiten gehört, die traditionell alle vier Jahre am 20. Januar vor dem Capitol in Washington, D.C., stattfinden.
Wenn man so will gibt der Hail America March auch den Ton an, wenn es ganz feierlich und offiziell im Weißen Haus zugeht, denn auch bei hohem Staatsbesuch wird diese Komposition gespielt. Wer war der Komponist dieses Ceremonial Marchs?
Als Sohn armer Eltern wurde Georg Drumm am 28. September 1874 in dem westpfälzischen Dorf Erdesbach geboren. Er besuchte sieben Klassen der dortigen Volksschule. Seine Heimat gilt als Musikantenland, denn von dort zogen vor über hundert Jahren Musiker, die Mackenbacher in alle Welt, um für die Daheimgebliebenen den Unterhalt zu verdienen. Einer dieser Wandermusiker war Karl Dick aus dem Nachbardorf Bedesbach, der den kleinen Georg auf der Violine, der Flöte und Trompete unterrichtete.
Über seine erste Musikreise berichtete Drumm:
„In meinem 14. Lebensjahr verdingte ich mich an einen gewissen Ludwig Pfeiffer aus Hundheim und am Ostermontag ging die Reise los. Abends um ungefähr 10 Uhr fuhren wir ab auf einen Leiterwagen mit einem Tuch darüber gespannt. Meistens marschierten wir, da es ziemlich kalt war. Ein jeder von uns Jungen hatte eine grüne Reisetasche und sein Instrument.
Nächsten Morgen um ungefähr 5 Uhr kamen wir in Staudernheim an, ein bißchen Frühstück und dann in den Zug, 4. Klasse. Dann kam Bingen, Rheindampfer, 3 Tage Rheinfahrt bis nach Rotterdam. Nun kam die erste Seefahrt auf einem kleinen Frachtdampfer, ohne Cabinen natürlich. Nach ungefähr 2 Tagen kamen wir in Edinburg an (Schottland)… Nun ging die Reise los. Jeden Tag marschierten wir 20, 30, 40 Kilometer, von einer Stadt zur anderen und in kleinen Plätzen spielten wir alle Straßen ab…“
In Schottland verbrachte Drumm mehrere Jahre, aber zwischendurch kehrte er immer wieder in die Heimat zurück, wo er in Albersweiler bei Landau in einem Steinbruch und dann in einer Zündholzfabrik arbeitete. Dann tingelte er nach Irland und wurde ein Gentleman, wie er in seinen Erinnerungen schreibt:
„Ich übte fortwährend auf meiner Geige, studierte Harmonie, Contrapunkt und Instrumentallehre ohne Lehrer oder Conservatorium. Von einem Bekannten erhielt ich im Tausch meiner Pelzmütze das Buch von H. Kling, Instrumentationslehre, Bern. … dann ging es aufwärts! Es war eine harte Schule, aber ich gab nicht nach, solange ich nicht mein Ziel erreicht hatte. Oft wurde ich gefragt: Wo haben Sie studiert?“
In Dublin, Irland, erhielt Drumm eine Anstellung, zunächst im Theatre Royal, dann im Empire Theatre. Hier gelang ihm der musikalische Durchbruch. Mit zähem Fleiß und ausgestattet mit hoher Musikalität gelang es ihm, ein kleines Orchester zu gründen, das bald über die Grenzen der irischen Hauptstadt bekannt wurde. Im Dubliner Schloss erfreute er bei Hofkonzerten und Hofbällen:
„… und die Damen mit ihren herrlichen Kleidern… und dann, wenn sie sich nach den schönen Wiener Walzern umdrehten, werde ich nie vergessen. Wir hatten ein 25 Mann starkes Orchester nebst großem Bechstein Flügel. Ich stand vor dem Orchester mit meiner Geige… Wenn die königlichen Hoheiten hereinkamen, spielten wir die Nationalhymne ,God save the Queen‘. Dann tanzten die vier Paare, d.h. der Lord Dudley und seine Gemahlin, der Herzog von Connaught nebst Gemahlin und zwei andere Lords mit Gemahlinnen die Quadrille, während die Gäste zuschauten.“
Im Jahr 1904 wurde Georg Drumm vom Oberbürgermeister der Stadt Dublin ausersehen, die Iren bei der Weltausstellung in St. Louis zu vertreten. Sein Auftritt muss grandios gewesen sein, denn er erzielte auch hier, wie bei früheren Wettbewerben, erste Preise. Es folgte eine mehr als 18-monatige Tournee durch die USA, die ihn so beeindruckten, dass er beschloss, auch seine Familie über den großen Teich zu holen. Sein Wohnsitz war bis zu seinem Tode New York.
Doch rastlos wanderte er mit seinem Orchester von Stadt zu Stadt, von Theatersaal zu Theatersaal. 1909 wurde er Kapellmeister in einem New Yorker Theater. Ohne finanzielle Sorgen konnte er nun verwirklichen, was sein Traum schon als kleiner Junge war: „Hier wurden meine ersten Kompositionen geboren“. Weitgehend vergessen heute, aber damals überall gern gespielt waren Imperator March, Ave Maria, The Rookies March und Springtime.
Zum Repertoire der Militärorchester der US-Streitkräfte gehört bis zum heutigen Tag der Marsch Hail America, dessen Melodie Georg Drumm im Jahr 1917 komponierte und sein Kollege Lawton Mackall mit Text unterlegte. Die Uraufführung fand im großen Sportstadion Polo-Grounds in New York unter der Mitwirkung von 100 Musikern und etwa 3000 Sängerinnen und Sängern statt. Drumm war seit diesem Zeitpunkt einer der gefeiertsten Musiker und Komponisten der Neuen Welt. Das New York Evening Journal erklärte ihn im Jahr 1935 zum besten Musiker, Musiklehrer und Kapellmeister in den USA.
In hohem Alter erlebte er mit Stolz die erste Aufführung seines Hail America als Ceremonial March bei der Inauguration des amerikanischen Präsidenten Eisenhower 1952. Seitdem erklingt alle vier Jahre bei der Vereidigung des Präsidenten der USA Georg Drumms Komposition. Bei seinem letzten Besuch in der Pfälzer Heimat wurde er Ehrenmitglied des Musikvereins in Kusel. Nach seinem Tod am 16.12.1959 in New York geriet er in Vergessenheit, sowohl in den USA, aber auch in der Pfalz.
Doch Paul Engel hat ihm und den vielen anderen Wandermusikanten mit der Errichtung des Kuseler Musikantenlandmuseums ein bleibendes Denkmal gesetzt. Im Januar 2001 wurde in Erdesbach, dem Geburtsort des Musikers auf Anregung des dortigen Bürgermeisters Helmut Drumm, am ehemaligen Standort seines Geburtshauses, das bedauerlicherweise im Jahr 1963 abgerissen wurde, eine Gedenktafel zu Ehren seines berühmten Vorfahren erstellt.