Der Franzose Alain de Benoist zählt zu den einflussreichsten Denkern der Nouvelle Droite. Für ihn ist Ökologie ein wichtiges Anliegen, das man nicht den Grünen überlassen darf. Daher fordert er einen Bruch mit der kapitalistischen Wachstumslogik. In seinem kämpferischen Buch Gegen den Liberalismus wendet Alain de Benoist gegen die Verwandlung des Planeten in einen einzigen großen Markt. Hier mehr erfahren.

    _ Alain de Benoist im Gespräch mit Stefan Brinkmann

    Herr Benoist, in letzter Zeit sind ökologische Fragen wieder ein großes Thema. Sie haben bereits vor Jahrzehnten darüber nachgedacht und diese Frage auch in ihrem Buch Gegen den Liberalismus behandelt.

    Ich habe 30 Jahre lang viele Artikel über Ökologie geschrieben. Außerdem habe ich ein Buch über das Ende des Wachstums veröffentlicht. Ich habe früh erkannt, dass die Umwelt nicht nur eine Dekoration unseres Lebens ist, sondern eine seiner systemischen Voraussetzungen darstellt. Schließlich haben mich die vielen Reisen, die ich in der Welt unternommen habe, vom Ausmaß der Zerstörung unseres Planeten überzeugt. Die heutige Welt wird zur Mülltonne!

    Gibt es einen Unterschied zwischen rechter und linker Ökologie?

    Der Gegensatz zwischen Links und Rechts ist mittlerweile überholt. In Bezug auf Ihre Frage müssen wir uns davor hüten, das ökologische Denken auf das Handeln der Grünen zu reduzieren, von denen viele nichts mit Ökologie zu tun haben. Die sogenannnten grünen Parteien haben sich im Allgemeinen links positioniert, aber historisch betrachtet wurde die Linke meistens mit dem Produktivismus und der Ideologie des Fortschritts in Verbindung gebracht.

    Deutsche Natur-Romantik: Das 1875 errichtete Hermannsdenkmal südwestlich von Detmold erinnert an die Schlacht im Teutoburger Wald. Foto: BeneFoto, CC BY-SA 4.0, Wikimedia Commons

    Aus historischer Sicht ist die Bindung an die Natur vor allem das geistige Produkt einer Rechten, die den Menschen als Erben definiert und am Begriff des Heimatbodens festhält, der in der Bewertung von Landschaften auf ästhetischer Grundlage verwurzelt ist.

    Ich neige daher dazu, die Ökologie als eine neue Form der Konservativen Revolution zu betrachten. Sie ist per definitionem konservativ, denn sie zielt darauf ab, die heute bedrohten Ökosysteme zu verteidigen und zu schützen. Sie ist zugleich revolutionär, denn ein solches Ziel kann niemals erreicht werden, wenn wir der Marktgesellschaft, der Besessenheit vom Wachstum um jeden Preis und dem Warenfetisch nicht entschlossen eine Absage erteilen.

    «Viele Grüne haben mit Ökologie gar nichts zu tun.»

    Besonders in Deutschland hat eine konservativ-rechte Umweltschutzbewegung eine lange Tradition: vom Wandervogel über den Heimatschutz bis hin zu den frühen Grünen.

    Sie erwähnen zu Recht den Wandervogel und den Heimatschutz, zwei Bewegungen, die in Frankreich kaum Vergleichbares finden. Ich glaube, das Naturbewusstsein war in Deutschland immer stärker als jenseits des Rheins! Wir können uns sehr gut auf diese Tradition beziehen, vorausgesetzt, wir verharren nicht in Nostalgie. Schließlich stellt sich das Problem des Umweltschutzes heute ganz anders als am Ende des 19. oder zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Wir leben nicht mehr in der Zeit von Caspar David Friedrich, sondern in der von Robotik und künstlicher Intelligenz…

    In Ihrem Buch Gegen den Liberalismus  sprechen Sie von der Notwendigkeit, den Kapitalismus zu überwinden. In welchem Zusammenhang stehen freier Markt und Umweltprobleme?

    Alle Verwüstungen der Erde, die wir heute erleben, sind die logische Folge der weltweiten Ausweitung des Profitgesetzes und der Herrschaft des Geldes. Der liberale Kapitalismus fußt anthropologisch auf dem Primat des Individuums, das allein durch die Suche nach seinem eigenen Vorteil motiviert ist. Ihm liegt ein Prinzip der Unbegrenztheit zugrunde: Die Unterdrückung von allem, was den kommerziellen Austausch behindern kann, immer mehr Markt, immer mehr Profite, immer mehr Geld, das in Kapital umgewandelt wird, damit es sich selbst reproduzieren kann, sogar bis zur Unendlichkeit.

    Konservativer Ökologe: Baldur Springmann auf dem Bundesparteitag der Grünen 1980. Foto: IMAGO / Klaus Rose

    Die liberale Linke und die kapitalistische Rechte können sich daher nicht ernsthaft in den Umweltkampf einmischen, weil dieser einen Bruch mit diesem Vorwärtsflug erfordert, der nichts anderes als die moderne Form der antiken Hybris ist – ein Hochmut, der keine Grenzen kennt.

    Meine Idee des Abschieds vom Wachstum basiert auf der sehr einfachen Beobachtung, dass unendliches materielles Wachstum in einem begrenzten Raum unmöglich ist. Nun aber ist die Erde ein begrenzter Raum. Abschied vom Wachstum bedeutet nicht, alles aufhalten zu wollen oder gar rückwärts zu gehen. Man muss allerdings verstehen, dass sich die Wachstumskurven nicht ewig verlängern lassen, dass die Umweltverschmutzung ein unerträgliches Maß erreicht hat, dass die natürlichen Ressourcen entgegen dem, was man früher dachte, weder frei noch unerschöpflich sind – kurzum, dass wir unsere Lebensweise radikal ändern müssen. Wer von Ökologie spricht, ohne den Kapitalismus infrage zu stellen, sollte daher lieber schweigen.

    «Das Naturgefühl war in Deutschland immer besonders stark.»

    Die Grünen reden nur noch vom Klima, als ob es nur diese Form von Umweltschutz gäbe. Ist das nicht eine Verengung?

    Die klimatischen Störungen, die wir beobachten, sind allzu real: Ich gehöre nicht zu den sogenannten Klimaskeptikern, die nur nützliche Idioten der multinationalen Konzerne sind. Ich denke jedoch, dass die heutige einseitige Fokussierung auf das Klima der Umwelt schaden dürfte. Sie lässt uns die allgegenwärtige Realität der Umweltverschmutzung, die Erschöpfung der natürlichen Ressourcen, die Missstände der industriellen Landwirtschaft, das Massaker an Wildtieren, die Entwaldung, das Schmelzen der Gletscher, die Vergiftung der Meere und so weiter vergessen.

    Falsche Ikone: Greta Thunberg. Foto: lev radin | Shutterstock.com

    Ich denke, es ist durchaus möglich, vernünftig an einem politischen und wirtschaftlichen Programm zum Klimaschutz teilzunehmen. Allerdings unter der Bedingung, dass wir uns nicht darüber täuschen, was tatsächlich getan werden kann, nicht nur von uns, sondern auch von anderen. Die Tendenz zu glauben, dass wir mit globalistischen Reden den Planeten retten können, dient hingegen als Vorwand für eine predigende, strafende und apokalyptische Form einer angeblichen Ökologie, für die das internationale Marketinginstrument Greta Thunberg ein perfektes Beispiel ist.

    Es ist gut und schön, auf den Diesel zu verzichten und den Hausmüll zu sortieren, aber das größte Problem liegt nicht dort. Die Industrieproduktion verursacht im Rahmen des globalen Freihandels viel mehr ökologische Schäden als unsere geringe individuelle Verschmutzung. Nehmen wir zum Beispiel den Massentourismus: Ein Kreuzfahrtschiff stößt genauso viel CO2 aus wie eine Millionen Autos!

    Was passiert, wenn wir keine Antwort auf die ökologischen Frage finden?

    Wenn wir keine Lösung finden, gehen wir offensichtlich Katastrophen entgegen. Anstelle des freiwillig gewählten Verzichts werden wir den Niedergang erleiden müssen, wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Verschärfung einer neuen globalen Finanzkrise. Es würde nicht das Ende der Welt, aber sicher das Ende einer Welt sein.

    Leider gibt es allen Grund, trotz aller guten Absichtserklärungen pessimistisch zu sein: Alle Parteien, alle Regierungen, alle Industriellen, alle Bereiche des kapitalistischen Systems sind mehr denn je vom Wachstum besessen. Mit den Worten von Jacques Bénigne Bossuet können sie nicht anders, als die Ursachen zu schätzen, deren Konsequenzen sie bedauern. Noch am selben Tag, als sie in Frankreich die «Heilige Greta» mit Fanfaren begrüßte, ratifizierte die Nationalversammlung CETA, dieses Freihandelsabkommen mit Kanada, dessen Folgen für das Ökosystem katastrophal sein werden.

    Um eine Zusammengehörigkeit des Menschen und der Natur wiederherzustellen, ist es daher intellektuell notwendig, mit zwei falschen Vorstellungen aufzuräumen: erstens mit der Kartesischen Logik, die die Erde zu einem Objekt gemacht hat, dessen Subjekt der Mensch sein soll, und zweitens mit der Kantischen Logik, wonach der Mensch umso menschlicher ist, je weiter er sich von der Natur entfernt. Außerdem ist es notwendig, den Gemeinschaftsgedanken zu rehabilitieren, weil keine Gesellschaft allein auf den Grundlagen des Gesellschaftsvertrags und des freien Marktes funktionieren kann.

    _ Alain de Benoist, Jahrgang 1943, ist Publizist und Philosoph mit Sitz in Paris. 1968 war er unter den Gründungsmitgliedern des Thinktanks GRECE, der als Reaktion auf die Studentenproteste für eine Erneuerung der Rechten eintrat. Der ungemein produktive Querdenker besitzt die wahrscheinlich größte Privatbibliothek Frankreichs.

    Der neue Benoist – eine Kampfschrift: In seinem Buch Gegen den Liberalismus seziert der französische Meisterdenker Alain de Benoist die Grundlagen der westlichen Ideologie. Mit spitzer Feder dringt der bekannteste Kopf der Nouvelle Droite zum Kern des Liberalismus vor: zu einer auf Individualismus und Ökonomismus basierenden Anthropologie, zum Menschenbild des Homo oeconomicus. Mit diesem ist kein Staat zu machen, keine Gemeinschaft, keine Zukunft.

    Alain de Benoist zeigt in seinem neu aufgelegten Klassiker: Die westlich-liberale Gesellschaft wird dominiert vom Kult des Individualismus, der Fortschritts- und Menschenrechtsideologie, der Wachstumsbesessenheit und der Vergötzung des Marktes.

    Der Liberalismus hat dabei eine weltweite Tragweite erlangt, seit die Globalisierung das Kapital als Motor der Weltgeschichte etablierte. Er ist der Ursprung dieser Globalisierung – und sie ist die Verwandlung des Planeten in einen einzigen großen Markt. Dieses heute mehr denn je brandaktuelle Werk erscheint am am 16. November. Sie können es schon jetzt bei uns hier vorbestellen.

    Kommentare sind deaktiviert.