Drei bis vier Polizeisperren musste man passieren, um ans Ziel zu gelangen. Nein, nicht den Hochsicherheitstrakt für Schwerstverbrecher, sondern den Rosa-Luxemburg-Platz. Es ist Samstag, 02. Mai, 16 Uhr. Seit einer halben Stunde demonstriert man dort gegen den Corona-Lockdown.

    Die Medien warnten: Schlimmste Querfront-Verschwörungen fänden dort statt, rechtsextremer Abschaum schleiche sich ein, um das Vertrauen ins alternativlose Regierungsdiktat zu untergraben. Vor den Absperrungen standen jeweils eine Handvoll Teilnehmer. Keiner davon auffällig, keine Drohgesten, keine lauten Worte. An den Hauswänden saßen Demonstranten im Yogasitz, mit geschlossenen Augen. Eher Hippies als Nazis.

    Demonstrant am Rosa Luxemburg-Platz mit Anti-Lockdown-Slogan auf dem T-Shirt. Foto: COMPACT

    Als ich die Sperrung passiert und den Rosa Luxemburg-Platz erreicht hatte, bot sich ein deprimierender Anblick. Keine Großversammlung, keine Transparente, kein Redner, der die Anliegen der Demonstranten in pointierte Sätze verpackt hätte. Keine Sprechchöre und schon gar keine Musik. Wenige Personen auf dem großen Platz. Viele davon meditierend im Schneidersitz, ein paar Grüppchen im Gespräch vertieft. Aufstand der Yogis. Einer trug ein T-Shirt mit Parole. Ruhig saß er da, damit Passanten es lesen konnten.

    Alle fünf Zugangsstraßen waren abgeriegelt, die Demo zerstückelt, zur Wirkungslosigkeit verdammt. Umso lauter die Abwehr des Establishments. Die Volksbühne, seit Absetzung des Intendanten Frank Castorf ein lebloser Hipstertreff, hatte Fahnen ausgerollt: „Wir sind nicht eure Kulisse. #stayhome“. Der gleiche Text fand sich an den Schaufenstern einer No-Name-Kunstgalerie. Sogar das Eisenrad auf dem Rosa Luxemburg-Platz, Requisite der 1992er-Aufführung von Schillers Revolutions (!)-Drama „Die Räuber“, wurde von der Theaterleitung verhüllt.

    Wie die Berichte der Schäfchenpresse steht diese Distanzierungspanik in keinem Verhältnis zur Harmlosigkeit der Demonstranten.

    Die Volksbühne distanziert sich. Foto: COMPACT

    Die Volksbühne hat sich endgültig das eigene Requiem gesungen. Ein Theater, das 25 Jahre lang Revolutionsimpulse aufgegriffen hat, ist unter den Rock von Mutti Merkel geflüchtet. Ihre einstigen Feuerköpfe wie Christoph Schlingensief oder Johann Kresnick sind verstorben, und Ex- Intendant Frank Castorf wird von den Medien derzeit als „Rechter“ denunziert. Seitdem schläft das Haus in seligem Konformismus. Der Appell #stayhome sollte eher für das Publikum der kommenden Theater-Saison gelten.

    Die Leitung der Volksbühne aber sei unbesorgt: Keine Bewegung, die etwas auf sich hält, wird Euren verwesten Kulturpalast als Kulisse für ihren Auftritt verwenden wollen. Und bitte, enthüllt das „Räuber“-Rad nie wieder: Es passt und gehört nicht mehr zu Euch!

     

     

    Die offene Gesellschaft, das Idealbild der westlichen Politik, wird in atemberaubender Geschwindigkeit abgeschafft, und es ist die westliche Politik selbst, die den Übergang in den autoritären Seuchenstaat vollzieht. Wo wird das enden? Alles, was das Abendland und die westliche Kultur seit Alters her auszeichnet, verschwindet in der jetzt überfallartig verordneten Abstandsgesellschaft: der Händedruck und der Blick in die Augen, mit dem wir bisher Vertrauen schufen und Vertrauen prüften; die Möglichkeit zum geselligen Beisammensein in Vereinen, Bars und Restaurants; Gottesdienste, Hochzeiten, Beerdigungen und Taufen, bei denen sich die Gemeinden und Familien zu versammeln pflegten.
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